Sonntag, 2. Januar 2022

Die allen Sündern unerträgliche Wahrheit

Pilatus … ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden?
Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?
Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?
Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.
Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König?
Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Nachdem er das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.

(Einheitsübersetzung 1980 / Johannes 18,33-38)

Als erster Denker in der allen Sündern wenig bekannten Geschichte fand Jesus von Nazareth die Antwort auf die Frage, die Moses noch nicht beantworten konnte: Wie ist das Paradies von der Erbsünde zu befreien? Das ist keine akademische Frage, an deren Beantwortung sich alle beteiligen dürfen, die sich dazu berufen fühlen, sondern eine existenzielle Frage, die das Leben aller Menschen seit 1250 v. Chr. bis heute betrifft. Solange noch niemand die existenzielle Frage beantworten konnte, durfte das arbeitende "von Gott auserwählte Volk" keinesfalls die Erbsünde kennen, damit es arbeitete. Nur die nicht arbeitende jüdische Priesterschaft war sich der Erbsünde bewusst, aber nur bis zur Babylonischen Gefangenschaft (597 – 539 v. Chr.). Danach gab es keine Vorstellung mehr vom Paradies und kein Problembewusstsein mehr für die Erbsünde.

(Nag Hammadi Codex II / Philippusevangelium / Spruch 21) Diejenigen, die sagen: "Der Herr ist zuerst gestorben und dann auferstanden", sind im Irrtum. Denn er ist zuerst auferstanden und dann gestorben. Wenn jemand nicht zuerst die Auferstehung erwirbt, wird er sterben.

Der Erkenntnisprozess der Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion ist Voraussetzung, um sich des Paradieses und der Erbsünde bewusst zu werden. Doch diese Weisheit konnte "die unterirdischste Verschwörung, die es je gegeben hat" (die christliche Kirche nach Nietzsche), nachdem sie ab 325 zur römischen Staatsreligion geworden war, nur verbrennen, um "gegen Gesundheit, Schönheit, Wohlgeratenheit, Tapferkeit, Geist, Güte der Seele, gegen das Leben selbst..." agierend für "den Einen großen Fluch, die Eine große innerlichste Verdorbenheit, den Einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist" (das Christentum nach Nietzsche), die Weiterexistenz in der Erbsünde zu ermöglichen. Nur mit einem hatte Nietzsche Unrecht, denn eine Existenz in der Erbsünde bedarf des Krieges als Vater aller Dinge, und so begann ab 1968 für "den Einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit" die Endzeit, weil die atomare Abschreckung den dritten Weltkrieg als Vater aller weiteren Dinge unmöglich macht. Dabei wäre schon vor dem ersten Weltkrieg die Überwindung der Erbsünde eine Sache gewesen, die "ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht."

Stefan Wehmeier, 02.01.2022 
 
 

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