Montag, 18. Februar 2013

Marktgerechtigkeit



In einer kapitalistischen Marktwirtschaft (noch gegenwärtiger Ist-Zustand), welche durch die Verwendung eines gesetzlichen Zwischentauschmittels mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) und ein privates Bodeneigentumsrecht gekennzeichnet ist, setzt sich das gesamte Bruttosozialprodukt (BSP) aus Lohn (Arbeitseinkommen, verdienter Knappheitsgewinn) und Zins (Liquiditätsverzichtsprämie, Dividende, Rendite, Spekulationsgewinn, private Bodenrente, allg.: unverdienter Knappheitsgewinn) zusammen. Während der Lohn sich im Idealfall direkt proportional zur individuellen Arbeitsleistung entwickelt, ist der Zins das genaue Gegenprinzip: derjenige, der arbeitet, zahlt den Zins; und derjenige, der nicht arbeitet, bekommt den Zins. Ziel aller Gerechtigkeitsbestrebungen seit den ersten Anfängen der Marktwirtschaft ist es, den Zins zu überwinden, jedes arbeitsfreie Kapitaleinkommen auf Kosten der Mehrarbeit anderer zu beseitigen. Mit einem Wort: Marktgerechtigkeit.  

Dass es eine andere Gerechtigkeit als die Marktgerechtigkeit nicht gibt – zumindest solange unsere Technologie noch nicht soweit fortgeschritten ist wie in Arthur C. Clarke´s „The City and the Stars“ -, muss jedem vernünftigen Menschen klar sein, der die ganze Unsinnigkeit des Marxismus (Kapitalismus ohne Marktwirtschaft) erfasst hat:


Eine ausbeutungslose und darum auch klassenlose Gesellschaft ist nicht durch eine Abschaffung der Marktwirtschaft, sondern nur durch die Befreiung der Marktwirtschaft vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz) möglich. Dazu muss der Zins makroökonomisch auf Null geregelt werden (Soll-Zustand), damit das gesamte BSP aus Lohn besteht. Der Staat ist dann nicht länger eine „Anstalt zur zwangsweisen Einziehung des arbeitslosen Einkommens“ und kann auf das zurückgeführt werden, was er sein soll:


Auch so genannte „Liberale“ sollten endlich einsehen, dass die Befreiung von staatlichen Reglementierungen nicht durch das Beschimpfen des „bösen Sozialismus“ zu erreichen ist, sondern der Abbau des Staates muss sich von selbst ergeben, indem die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Freiheit und Gerechtigkeit geschaffen werden:


Freiheit ist nichts anderes als das Recht zur Beteiligung am Wettbewerb – und nur der uneingeschränkte marktwirtschaftliche Wettbewerb (Freiwirtschaft) kann den Zins auf Null regeln und damit das Recht auf den vollen Arbeitsertrag verwirklichen, kann absolute Gerechtigkeit durch absolute Marktgerechtigkeit schaffen. Was der gewöhnliche „Liberale“ oder „Libertäre“ unter „Freiheit“ missversteht, ist aber das genaue Gegenteil: Er will sich das „Recht auf den Zins“ erhalten, weil er gar nicht die Absicht hat, als Freier unter Freien zu leben, sondern sich eine größere Freiheit davon verspricht, als Zinsgewinner unter vielen Zinsverlierern zu existieren, unabhängig davon, ob es ihm jemals gelingt, in den exklusiven Club der Zinsgewinner aufzusteigen. Ein solcher „Aufstieg“ ist in Wahrheit nur der Abstieg in die völlige Bewusstlosigkeit, denn ein Zinsgewinner kann nicht mehr wissen, was er will und verliert die Orientierung. Bewusstes Leben bedingt die Überwindung der Religion und die stetige Proportionalität von marktwirtschaftlich erbrachter Leistung und Gegenleistung für alle Wirtschaftsteilnehmer:


Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Das gilt nicht nur für einen Transistorhaufen genannt Operationsverstärker oder für den Zellhaufen, den wir homo sapiens nennen, sondern auch für jede Volkswirtschaft, die erst dann ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten kann, wenn eine konstruktive Verbindung von Individual- und Sozialprinzip hergestellt ist. Die Freiheit des Individuums wird dadurch nicht etwa gehemmt, sondern potenziert – unter der Voraussetzung, dass der Wettbewerb frei ist. Denn jede Beschränkung des Wettbewerbs bedeutet ein Monopol für den einen und damit zwangsläufig Ausbeutung für den anderen!

Die folgenden Ausführungen orientieren sich am zweiten bis dritten Hauptkapitel des Buches „Die Lösung der Sozialen Frage“ (1952) von Otto Valentin. Weil der Text im Original einerseits viele Wiederholungen und einige Ungenauigkeiten, aber andererseits auch die absolut beste Definition zum Begriff des Monopols bietet, die in der gesamten volkswirtschaftlichen Literatur zu finden ist, habe ich den Text komplett überarbeitet, auf das Wesentliche gekürzt und die Ungenauigkeiten mit eigenen Worten genauer erklärt:

Wo freie Konkurrenz besteht, herrscht wirtschaftliche Vernunft und Gerechtigkeit. Es tauscht sich Ware und Leistung des einen haarscharf gegen Ware und Leistung des anderen; jeder Arbeitende erhält genau den Gegenwert seiner Arbeit, nicht mehr und nicht weniger; es ist nicht möglich, ein dauerndes leistungsloses Einkommen, einen Zins zu beziehen. Dazu Franz Oppenheimer: „Wo freie Konkurrenz besteht, da wenden sich die Arbeitskräfte denjenigen Erwerbszweigen zu, in denen infolge hoher Preise mehr als das durchschnittliche Einkommen erzielt wird, und dann steigt das Angebot, sinken die Preise und das Einkommen. Und umgekehrt wenden sich, wo freie Konkurrenz besteht, die Arbeitskräfte von den Erwerbszweigen ab, in denen bei niedrigen Preisen weniger als das durchschnittliche Einkommen erzielt wird, und dann sinkt das Angebot, steigen die Preise und das Einkommen. Wenn in einer Stadt die Zimmerleute mehr verdienen als die Tischler, dann ziehen einige Tischler fort und der Lohn der Zurückbleibenden wird höher; und einige Zimmerleute ziehen zu mit der Folge, dass ihr Lohn niedriger wird. Wenn im ganzen Land die Rechtsanwälte mehr verdienen als die Ärzte, dann studieren mehr junge Leute die Rechte und weniger die Medizin, und nach einiger Zeit ist das Einkommen der beiden Berufe wieder im Gleichgewicht. Auf diese Weise bewirkt die freie Konkurrenz, dass sich auf die Dauer und im Durchschnitt ein Tag Zimmermannsarbeit haarscharf gegen einen Tag Tischlerarbeit tauscht, dass sich auf die Dauer und im Durchschnitt eine Stunde gewöhnlicher Rechtsanwaltsarbeit gegen eine Stunde gewöhnlicher Arztarbeit tauscht. Der Preis der Waren bzw. Leistungen, bei dem dieses Gleichgewicht besteht, ist ihr „natürlicher“ oder „gerechter“ Preis.“

Gleiche Zeiten gleichwertiger Arbeit haben sich getauscht, es ist auf keiner Seite ein Mehr oder Weniger entstanden; es ist nirgends ein Zins in Erscheinung getreten; die Forderung der wirtschaftlichen Vernunft und Gerechtigkeit ist erfüllt. Die gleiche Vernunft und Gerechtigkeit verlangt aber auch, dass gleiche Zeiten ungleichwertiger Arbeit ungleiches Einkommen einbringen. Wenn ein besonders geschickter Arbeiter im Akkordlohn doppelt so viel schafft wie ein anderer, der ungeschickt ist, dann verdient er den doppelten Lohn und es tauscht sich eine Stunde seiner Arbeitszeit gegen zwei Stunden des anderen. Wenn ein Architekt besonders gefragt ist, kann er zwanzigmal soviel verdienen wie ein unbegabter Bauunternehmer; und der Bauunternehmer muss, wenn er diesen Architekten konsultiert, zwanzig Stunden seiner Arbeitszeit gegen eine Stunde tauschen. Auch in diesen Fällen hat jede Leistung, jede Ware ihren „natürlichen“ und „gerechten“ Preis und es entsteht beim Tausch weder ein Mehr noch ein Weniger. Eine Stunde höherer Arbeit hat eben den doppelten oder auch zwanzigfachen Preis einer Stunde gewöhnlicher Arbeit, und darum tauschen sich auch hier, wenn nicht gleiche Arbeitszeiten, so doch gleiche natürliche Arbeitspreise. Das ist gerecht und vernünftig und liegt im allgemeinen Vorteil. Es wäre ungerecht, wenn der Fleißige nicht mehr verdiente als der Faulpelz, und der Begabte nicht mehr als der Unbegabte. Es wäre auch für die Allgemeinheit schädlich. Denn dann würde kaum jemand mehr fleißig sein und kaum jemand würde noch das Streben haben, seine Begabung zur höchsten Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Und darunter müssten alle leiden.

Auf diese Weise bewirkt die so oft missverstandene freie Konkurrenz durch den Ausgleich der Preise den Ausgleich der Einkommen nach der Arbeitsleistung. Und eben diese freie Konkurrenz bewirkt auch, dass kein dauerndes arbeitsloses Einkommen, kein Zins entstehen kann. Der Weg in die ausbeutungslose Wirtschaft als Voraussetzung für die klassenlose Gesellschaft kann nur in einer Befreiung der Wirtschaft von allen Wettbewerbshemmungen, das heißt in einer möglichst ungehinderten Konkurrenz liegen, niemals aber in einer planwirtschaftlichen Knebelung der Wirtschaft.

Die Ausbeutung durch den Zins

a) Die Quelle des Zinses

Ausbeutung entsteht, wenn die Konkurrenz nicht frei, sondern entweder eingeschränkt oder gar ausgeschlossen ist. Jede derartige Unfreiheit wirtschaftlicher Art ist ein Monopol. Dabei sind zwei Steigerungsstufen der Konkurrenz-Unfreiheit zu unterscheiden, die als vollständige und unvollständige Monopole bezeichnet werden.

Das vollständige Monopol ist der Ausschluss der Konkurrenz. Falls die Konkurrenz ausgeschlossen ist, vermag der Monopolinhaber besondere Monopolpreise und als deren Folge besondere Monopolgewinne zu erzielen. An sich kommt das vollständige Monopol verhältnismäßig selten vor. Denn wer ist schon – wenn man von den gesetzlich begründeten Fiskal- und sonstigen rechtlichen Monopolen absieht – ohne Konkurrenz?

Die klassischen Ökonomen haben das Monopol stets nur in diesem Sinne verstanden, also stets den Ausschluss der Konkurrenz gemeint, wenn sie vom Monopol gesprochen haben. Im Übrigen aber haben sie die Konkurrenz für frei gehalten. Das war ein schwerwiegender Trugschluss. In Wahrheit stellt das vollständige Monopol nur einen Grenzfall dar, nämlich den Gegenpol der freien Wirtschaft. Zwischen diesen beiden Polen aber, der freien Konkurrenz einerseits und dem Ausschluss der Konkurrenz andererseits, dehnt sich das weite Gebiet der Konkurrenzbeschränkungen. Das sind die zahlreichen Fälle, in denen die Konkurrenz weder frei noch ausgeschlossen, sondern auf einen mehr oder weniger großen Kreis von Personen beschränkt ist. Diese Konkurrenzbeschränkungen, die von der klassischen Lehre unbeachtet blieben, sind die unvollständigen Monopole.

Das unvollständige Monopol führt zu einer Beschränkung der Konkurrenz und nimmt in der Wirtschaft einen überaus breiten Raum ein. Fast überall beherrscht es das Feld und macht eine freie Konkurrenz unmöglich. Aus der Vielzahl der unvollständigen Monopole ragen besonders das Bodenmonopol und das vom Geldstreikmonopol abgeleitete Kapitalmonopol hervor. Beide Monopole bestehen seit Menschengedenken und gewinnen noch ständig an Bedeutung. Das Bodenmonopol wird mit der steigenden Bevölkerungsdichte immer drückender; das Kapitalmonopol entwickelt sich immer mehr zum ausschlaggebenden Monopol, weil die moderne Technik, indem sie die primitiveren Produktionsmethoden, die mit wenig Kapital auskamen, immer mehr aus der Konkurrenz verdrängt, den Besitz von Kapital zur unumgänglichen Voraussetzung der Beteiligung an der Konkurrenz gemacht hat. Wer nicht über genügend Kapital verfügt, ist von der Konkurrenz ausgeschlossen.

Die Konkurrenzbeschränkungen sind den vollständigen Monopolen völlig wesensgleich, was einerseits an ihren wirtschaftlichen Auswirkungen und andererseits an ihrer Bewertung erkennbar ist. Genauso wie das vollständige Monopol zu besonderen Monopolpreisen und Monopolgewinnen führt, muss auch das unvollständige Monopol Preise und Gewinne zur Folge haben, die von denen der freien Konkurrenz abweichen. In der Bewertung kommt die Wesensgleichheit dadurch zum Ausdruck, dass überall dort, wo ein Objekt einen Zins trägt, sein Preis durch die bekannte Kapitalisierung berechnet wird. Beim Ankauf etwa von Boden oder einer Fabrikanlage, einer Eisenbahn usw. wird soviel Geld als Gegenwert bezahlt, dass sein Zinsertrag der gleiche ist wie der des Kaufobjektes. Es werden somit zwei Zinsquellen gegeneinander ausgetauscht.

Die unvollständigen Monopole, vor allem das Geldstreikmonopol und das daraus abgeleitete Kapitalmonopol sowie das Bodenmonopol, haben die Berufsökonomen in der Regel völlig übersehen. Im Allgemeinen hat man, weil etwa die Bodeneigentümer untereinander und die Kapitaleigentümer untereinander in Konkurrenz stehen und weil Vertragsfreiheit herrschte, die freie Konkurrenz irrtümlicherweise für verwirklicht gehalten. Man hat ständig von einer „freien Wirtschaft“ gesprochen, obgleich es eine solche noch nie gegeben hat. Hier liegt der tiefere Grund für das Auseinanderklaffen von Wirtschaftslehre und wirtschaftlicher Praxis.

Neben der Einteilung der Monopole nach dem Grad ihrer Vollständigkeit können sie ihrem Ursprung nach in natürliche und künstliche Monopole eingeteilt werden:

Natürliche Monopole beruhen darauf, dass gewisse Produktionsmittel oder örtliche Schlüsselstellungen von Natur aus nur in begrenzter Menge vorhanden sind. Hierher gehört der Boden als unentbehrliches Produktionsmittel für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, für den Betrieb von Bergwerken, Wasserkraftwerken, Mineralquellen, den Wohnungsbau, die Schifffahrt (z. B. Kanäle, Häfen) usw. Der Boden ist ein natürliches und zugleich unvollständiges Monopol, denn die Konkurrenz ist bei ihm nicht ausgeschlossen, sondern auf den Kreis der Bodenbesitzer beschränkt. Das natürliche Bodenmonopol wird durch das heutige private Bodeneigentumsrecht noch erheblich verschärft.

Künstliche Monopole gliedern sich in:

a) rechtliche Monopole
Das sind durch Gesetz geschaffene Monopole, wie Marken-, Muster-, Erfinder-, Autorenschutz; Privilegien, wie das Notenemissionsprivileg; Konzessionen als Voraussetzung für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes; Fiskalmonopole usw.; diese rechtlichen Monopole sind in der Regel – soweit sie eine Konkurrenz ausschließen, wie etwa beim Notenemissionsprivileg – als vollständige, im übrigen jedoch, das heißt insofern sie die Konkurrenz lediglich einschränken, wie etwa bei Gewerbekonzessionen, als unvollständige Monopole anzusehen;

b) verabredete Monopole
wie Kartelle, Trusts, Arbeiterkoalitionen, usw.. In diesen Fällen handelt es sich um unvollständige Monopole, weil sie die Konkurrenz nicht ausschließen, sondern nur einschränken;

c) faktische Monopole
Das sind solche, die weder durch Gesetz noch durch Verabredung begründet sind, sondern de facto bestehen. Das wichtigste Monopol dieser Art und – neben dem Boden und den Bodenschätzen – das wichtigste Monopol überhaupt, ist das von den Berufsökonomen als solches nicht erkannte Geldstreikmonopol, das zwangsläufig ein allgemeines Kapitalmonopol nach sich zieht. Sowohl beim Geldstreik- als auch beim Kapitalmonopol handelt es sich um unvollständige Monopole; denn die Konkurrenz ist bei ihnen nicht ausgeschlossen, sondern auf den Kreis der Geldkapital-, bzw. Sachkapitalbesitzer beschränkt. Beide Monopole gehören zu den künstlichen Monopolen, weil sie der von Menschen geschaffenen, seit jeher fehlerhaften Geldordnung ihr Dasein verdanken.

Faktische Monopole bestehen auch dort, wo gewisse Unternehmungen von vornherein darauf angelegt sind, die ganze in Betracht kommende Nachfrage zu decken (Straßenbahnen, Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke, Post, Telefon usw.). Das Auftreten einer Konkurrenzunternehmung ist in der Regel nicht möglich, weil ein Unternehmen gleicher Art nicht ertragsfähig wäre. Wenn derartige Unternehmungen auf Grund eines Privilegs errichtet werden, das dem Inhaber das ausschließliche Betriebsrecht sichert, liegt kein faktisches, sondern ein rechtliches Monopol vor.

b) Die Entstehung des Zinses

Eine der Wirkungen der freien Konkurrenz besteht darin, dass der Preis mit den Arbeitskosten zusammenfällt. Sobald der Preis vorübergehend die Arbeitskosten übersteigt, ergibt sich ein Gewinn, der andere Arbeiter anlockt und so zu einer Ausdehnung der Produktion führt, die den Gewinn wieder beseitigt. Die Begründung für diese Erscheinung liegt darin, dass bei freier Konkurrenz von jeder Güterart soviel Güter erzeugt werden können, als zum Arbeitskostenpreis begehrt werden. Und dies ist wiederum möglich, weil die Konkurrenz frei, das heißt der Zutritt zu jeder Art von Beschäftigung offen und die Produktionsmittel frei verfügbar sind.

Grundsätzlich anders liegen die Dinge, wenn die Konkurrenz nicht frei, sondern beschränkt oder gar ausgeschlossen ist. Dann ist es möglich, dass das Angebot dauernd kleiner ist als die Nachfrage, die zum Arbeitskostenpreis herrscht. Dann wird infolge der Knappheit des Angebots der Preis über die Arbeitskosten emporgehoben. Es entsteht eine Spannung zwischen Preis und Arbeitskosten und damit ein Gewinn, der nicht Arbeitseinkommen oder Lohn, sondern arbeitsloses Einkommen oder Zins darstellt. Der Preis kann dauernd über den Arbeitskosten gehalten und der Zins dauernd bezogen werden, weil die Konkurrenz nicht imstande ist, das Angebot so zu vergrößern, dass es mit der beim Arbeitskostenpreis herrschenden Nachfrage übereinstimmt, mit anderen Worten, die Konkurrenz vermag nicht, den Preis auf die Ebene der Arbeitskosten herabzudrücken.

Das ist das Prinzip der Entstehung des Zinses, des arbeitslosen Einkommens. Jeder Zins ohne Ausnahme beruht auf einem Monopol, das heißt auf einer Beschränkung oder gar auf einem Ausschluss der Konkurrenz. Das Monopol hindert das Angebot, sich weit genug auszudehnen, um die beim Arbeitskostenpreis herrschende Nachfrage zu decken. Die Menge der angebotenen Ware ist geringer als die Menge der Ware, die beim Arbeitskostenpreis begehrt wird, und die Folge davon ist, dass der Preis dauernd über den Arbeitskosten gehalten werden kann. Aus der Spannung zwischen den Arbeitskosten und dem Preis ergibt sich ein Gewinn. Dieser Gewinn ist der Zins.

Das Prinzip der Zinsentstehung gilt für alle Arten des arbeitslosen Kapitaleinkommens, das dauernd bezogen wird, egal ob es sich um den Geldzins (Liquiditätsverzichtsprämie), den Sachkapitalzins (Rendite) oder den Bodenzins (Grundrente) handelt. Alle Arten von Zins sind daher völlig wesensgleich. Das Monopol bewirkt einen Zins, indem es dauernd einen Zustand des Mangels und der Knappheit aufrechterhält, sei es von Natur aus in Form des Bodenmonopols, sei es durch eines der künstlichen Monopole. Die Zinswirtschaft (der Kapitalismus) ist ihrem Wesen nach Monopolismus, das heißt dauernde Mangelwirtschaft.

In einer unfreien Wirtschaft, wie der heutigen, bestehen die Preise außer aus Lohnquoten auch aus Zinsquoten aller Art. Jede Behinderung der Konkurrenz wirkt monopolistisch, kürzt den Lohnanteil und erhöht den Zinsanteil. Den arbeitenden Menschen, denen nach aller Wissenschaft der Kuchen des Sozialproduktes allein gebührt, kann der Zinsbezieher, gestützt auf die Monopole, einen Teil ihres Arbeitsertrages vorenthalten.

Es ergibt sich die nur auf den ersten Blick erstaunliche Tatsache, dass die Ausbeutung im Laufe der Jahrtausende ihrem Wesen nach gänzlich gleich geblieben ist. Es ist grundsätzlich dasselbe, ob in der Vergangenheit der Sklave als Arbeitsmotor infolge seiner persönlichen und daher wirtschaftlichen Unfreiheit unmittelbar für seinen Herrn fronen musste; oder ob im heutigen Privatkapitalismus der Arbeitende vorwiegend infolge des Geld- und Bodenmonopols – also infolge einer unfreien Wirtschaft – nur einen um den Zins verkürzten Arbeitsertrag erhält oder ob schließlich in dem von den Marxisten gepredigten Staatskapitalismus, der sich fälschlich als Sozialismus ausgibt, infolge der Monopolisierung nahezu der gesamten Wirtschaft durch den Staat der Grundsatz der wirtschaftlichen Unfreiheit zur höchsten Potenz erhoben, die Ausbeutung also auf die Spitze getrieben wird, wobei der Zwangsarbeiter zusehen muss, was – nach Befriedigung der Ansprüche der herrschenden Bürokratie und des riesenhaft aufgeblähten Staatsapparates, die begreiflicherweise den Vorrang genießen – zuletzt für ihn übrig bleibt. In allen drei Fällen ist das Ausbeutungsprinzip dasselbe geblieben, bedingt das Monopol die Einschränkung oder gar den Ausschluss der Konkurrenz und damit zugleich die Ausbeutung.

Nur in der Technik der Ausbeutung besteht ein Unterschied. Während der Sklave bzw. Zwangsarbeiter in der Natural-, bzw. Kollektivwirtschaft unmittelbar lohnverkürzt werden, indem ihnen von vornherein nur ein Bruchteil ihres Arbeitsertrages zufällt, der Eigentümer, bzw. Arbeitgeber also zugleich auch der Ausbeuter ist, vollzieht sich die Erhebung des Zinses in der kapitalistischen Marktwirtschaft auf andere Weise.

c) Die Erhebung des Zinses

In einer Zinsgeld-Ökonomie (kapitalistische Marktwirtschaft) wird der Zins unabhängig vom Arbeitgeber erhoben. Nicht der Unternehmer schlechthin ist der Ausbeuter, der aus dem Arbeiter den „Mehrwert“ herauspresst, indem er ihn eine Anzahl von Stunden täglich unentgolten arbeiten lässt, wie Marx glaubte. In Wirklichkeit erfolgt die Erhebung des Zinses nicht in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern in der Beziehung zwischen Monopolinhaber und Käufer. Das Monopol bewirkt durch die Einschränkung der Konkurrenz eine dauernde Verknappung des Angebotes. Infolge dieser Verknappung steigt der Preis der Waren über die Ebene der Arbeitskosten empor. Zwischen den Arbeitskosten und dem Preis ergibt sich ein Gewinn. Dieser Gewinn ist der Zins, den der Monopolinhaber im Preis seiner Waren zu erheben vermag. Das sind leicht überblickbare Zusammenhänge. Höchst seltsam ist daran nur die Tatsache, dass die Ware gesetzmäßig stets Marktverhältnisse vorfindet, welche die Erhebung eines Zinses im Warenpreis gestatten. Warum das so ist, wird in dem Abschnitt über das aus Monopolen stammende arbeitslose Kapitaleinkommen erklärt.

Der freie Wettbewerb

Jede Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Waren- und Kapitalmarkt stellt ein mehr oder minder ausgeprägtes Monopol dar, das zu einem arbeitslosen Einkommen, einem Zins führt. Nun erhebt sich die Frage: Gilt das auch für den Arbeitsmarkt? Führt auch hier jede Beschränkung des Wettbewerbs zu einem arbeitslosen Einkommen?

Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Das Prinzip der Entstehung des Zinses gilt ausnahmslos und daher auch für die Verhältnisse des Arbeitsmarktes. So stellt etwa das Erfordernis einer Gewerbekonzession für die Ausübung eines bestimmten Berufes – da in diesem Fall der Wettbewerb nicht ausgeschlossen, sondern auf den Kreis der Konzessionsinhaber beschränkt ist – ein unvollständiges Monopol dar, das als künstliches Monopol rechtlicher Art einzureihen ist.

Anders verhält es sich aber, wenn die Beschränkungen des Wettbewerbs darin bestehen, dass Begabung, Vorbildung, Kenntnisse, Fähigkeiten der Menschen sehr verschieden sind. Unzweifelhaft steht dem höheren Lohn eines Facharbeiters oder Ingenieurs auch eine höhere Arbeitsleistung gegenüber. Nicht etwa in dem Sinne, dass ihre Arbeit eine größere Anstrengung als die eines ungelernten Arbeiters erfordert. Entscheidend ist, dass die Nachfrage nach dieser Arbeitsleistung am Arbeitsmarkt größer ist, was zu einer höheren Bezahlung führt. Die Bezahlung für eine Arbeitsleistung ist aber kein Zins, sondern Lohn.

Beispielsweise konnte ein Caruso phantastische Gagen beziehen, weil er nach der allgemeinen Ansicht des Publikums als Tenor unerreicht, sozusagen konkurrenzlos war. Er verdankte seine einzigartige Stellung als Sänger seinem von Natur aus ebenso einzigartigen Stimmapparat, der ihn befähigte, besondere Gesangsleistungen zu vollbringen. Er bezog daher ein – wenn auch sehr hohes – Arbeitseinkommen. Denn keinem anderen Sänger war es je verwehrt, ebenso schön wie Caruso zu singen. Es gelang lediglich keinem, wenigstens nach Ansicht des Publikums. Die Folge war, dass Caruso als der beste Sänger seiner Zeit galt und als solcher auch bezahlt wurde.

Ein anderes Beispiel ist ein Erfinder, den der Einfall eines Augenblicks zum reichen Mann machen kann. Auch hier handelt es sich um eine Arbeitsleistung, daher um ein – wenn auch hohes – Arbeitseinkommen. Insoweit allerdings das Einkommen des Erfinders aus einem Patent fließt, handelt es sich um ein rechtliches Monopol und daher formal um einen Zins. Jedoch bezieht er kein leistungsloses Einkommen auf Kosten der Mehrarbeit anderer (unverdienter Knappheitsgewinn), sondern ein Einkommen aufgrund einer eigenen innovativen Leistung (verdienter Knappheitsgewinn). Einem Caruso konnte niemand seine Stimme stehlen, aber einem Erfinder kann jeder seine Erfindung stehlen, wenn sie nicht durch ein Patent geschützt wird. Insofern sind rechtliche Monopole, z. B. in Form von Patenten, nicht nur von Vorteil für den Erfinder, sondern auch für die Allgemeinheit. Denn es kann von keinem Menschen erwartet werden, dass er außergewöhnliche kreative Leistungen vollbringt, die letztlich der Allgemeinheit zugute kommen, wenn es keine Möglichkeit gibt, die Erfindungen vor Diebstahl zu schützen. Der verdiente Knappheitsgewinn aufgrund eines Patentes lässt sich auch so verstehen, dass dieser im Unterschied zu unverdientem Knappheitsgewinn aufgrund von Kapitalbesitz den Wettbewerb nicht einschränkt, weil ja das Patent einen neuen Stand der Technik darstellt, der somit einen ganz neuen Wettbewerb in Gang setzt, den es vorher noch nicht gegeben hat.

Für den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt ist es sinnvoll, zwischen „äußeren“ und „inneren“ Konkurrenzbeschränkungen zu unterscheiden.

Wenn jemand eine bestimmte Tätigkeit ausüben will, gibt es zwei Arten von Hindernissen, die sich seiner Absicht entgegenstellen können: Gründe der Außenwelt, zum anderen aber Gründe, die in seiner Person selbst liegen. Handelt es sich um ein Gewerbe, das eine Konzession erfordert, die der Betreffende nicht erlangen kann; oder die Tätigkeit erfordert eine Kapitalausrüstung, die er nicht besitzt; oder die Betätigung verstößt gegen ein Patent; in allen diesen Fällen handelt es sich um Wettbewerbsbeschränkungen teils rechtlicher (Konzession, Patent), teils faktischer Art (mangelnde Kapitalausrüstung). In allen diesen Fällen ist die Konkurrenz – und zwar aus Gründen der Außenwelt – nicht frei, sondern beschränkt, es liegen Monopole vor.

Eine völlig andere Stellung nehmen die in der Person des Wettbewerbers liegenden „inneren“ Konkurrenzbeschränkungen ein. Erfordert die Tätigkeit eine bestimmte Begabung, etwa Musikalität für den Beruf des Klavierlehrers, eine gute Stimme für den des Sängers, die sichere Hand beim Chirurgen, körperliche Kraft beim Lastträger, Schwindelfreiheit beim Seiltänzer, oder sie erfordert eine Vorbildung oder Kenntnisse, die der Bewerber nicht oder nicht in ausreichendem Maß besitzt, ist auch in diesem Fall die Konkurrenz ohne Zweifel beschränkt. Aber diese „inneren“ Konkurrenzbeschränkungen haben kein arbeitsloses Einkommen, keinen Zins, sondern lediglich ein relativ höheres Arbeitseinkommen infolge der auf dem Arbeitsmarkt höher bewerteten Arbeitsleistung zur Folge. Ein solches höheres Arbeitseinkommen für eine Tätigkeit, die eine besondere Begabung oder ein besonderes Können voraussetzt, wird bezeichnenderweise ganz allgemein auch nicht als ungerecht empfunden. Es wäre daher verfehlt, hier von einem „Arbeitsmonopol“ oder einer „Arbeitsrendite“ zu sprechen.

Die verschiedene Abstufung der Entlohnung für unterschiedliche Arbeitsleistungen ist durchaus erwünscht. Sie bewirkt, dass die verhältnismäßig gut bezahlten Beschäftigungen aufgesucht und die schlecht bezahlten gemieden werden. Auf diese Weise stellt die Konkurrenz der Arbeitenden einen Ausgleich der Lohnhöhe her. Das gilt nicht nur für die Entlohnung der unselbständigen Erwerbsarten, sondern auch zwischen diesen und dem Unternehmerlohn. Auch die Arbeit des Unternehmers kann im Verhältnis zur ausführenden Arbeit gut oder schlecht bezahlt sein. Je nachdem dies der Fall ist, wird bei freiem Wettbewerb die Zahl derer, die sich dem Unternehmerberuf widmen, steigen oder sinken. Auf diese Weise wird auch zwischen dem Unternehmerlohn und dem Lohn der ausführenden Arbeit ein richtiges Verhältnis hergestellt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die „inneren“ Konkurrenzbeschränkungen lediglich die Lohnhöhe staffeln, was nur recht und billig ist, während die „äußeren“ Konkurrenzbeschränkungen Monopole darstellen, die einen Zins bewirken. Dabei muss nicht jeder Zins ein unverdienter Knappheitsgewinn und damit für die Allgemeinheit schädlich, sondern kann auch – wie im Falle des Patents – ein verdienter Knappheitsgewinn und damit sowohl für den zeitweiligen Monopolinhaber als auch für die Allgemeinheit nützlich sein.

Der Begriff des freien Wettbewerbs lässt sich wie folgt umschreiben: Der Wettbewerb auf einem Gebiet menschlicher Betätigung ist frei, wenn die Beteiligung an der betreffenden Tätigkeit jedermann zugänglich ist und ist beschränkt, wenn ein Teil derer, die sich beteiligen wollen, aus Gründen der Außenwelt von der Beteiligung ausgeschlossen ist.

Irrtümer um die freie Wirtschaft

Das bisher Gesagte erhellt, dass wir seit jeher nicht in einer freien Wirtschaft, sondern ganz im Gegenteil in einer Wirtschaft der weitestgehenden Unfreiheit leben. Überall beherrschen das Bodenmonopol und das Geldstreikmonopol, das ein Kapitalmonopol nach sich zieht, das Bild der Wirtschaft. Diese unvollständigen Monopole wurden von den Berufsökonomen entweder gar nicht oder nur teilweise erkannt. Man hatte angenommen, weil die Bodenbesitzer untereinander und die Kapitalbesitzer untereinander in Konkurrenz stehen, sei mit der Verwirklichung der Gewerbefreiheit und der Vertragsfreiheit auch die freie Wirtschaft verwirklicht. Das war ein schwerwiegender Irrtum. In Wahrheit besagt der Wettbewerb zwischen den Bodenbesitzern untereinander und den Kapitalbesitzern untereinander lediglich, dass der Wettbewerb auf einen gewissen Personenkreis beschränkt ist. Denn alle Nichtboden- und Nichtkapitalbesitzer sind vom Wettbewerb ausgeschlossen. Wenn jemand sich an einer Tätigkeit, die den Besitz von Boden und Kapital voraussetzt, beteiligen will, ohne diese Voraussetzungen erfüllen zu können, so ist er offenbar aus Gründen der Außenwelt vom Wettbewerb ausgeschlossen, der Wettbewerb also nicht frei.

Daher nehmen auch der Grundbesitzer, der Kapitalbesitzer und der einfache Arbeiter, der weder Boden noch Kapital besitzt, im wirtschaftlichen Wettkampf nicht die gleichen Stellungen ein. Wohl kann der Kapitalbesitzer gegen Verkauf seines Besitzes Boden erwerben und den Beruf eines Landwirtes ausüben, ebenso wie umgekehrt der Bodenbesitzer gegen Verkauf seines Bodens das erforderliche Kapital zur Ausübung des Berufes als Kaufmann, Gewerbetreibender oder Industrieller erwerben kann. Dagegen ist der Arbeiter, der weder Boden noch Kapital besitzt, von diesen Berufen ausgeschlossen.

Grundbesitzer, Kapitalist und Arbeiter nehmen also sehr verschiedene Stellungen im Wettbewerb ein. Die ersteren können wohl mit dem Arbeiter, dieser aber nicht mit ihnen konkurrieren. Von einem freien Wettbewerb kann keine Rede sein. Es ist daher grundfalsch und irreführend, von einem freien Wettbewerb in Gegenwart oder Vergangenheit zu sprechen. Richtig ist vielmehr, dass es noch niemals und nirgends eine freie Wirtschaft gegeben hat. Was man fälschlich als eine freie Wirtschaft bezeichnet und teils zurückwünscht, teils für aufgetretene Missstände verantwortlich macht, entpuppt sich bei näherem Zusehen als ausgesprochen unfreie, von zahlreichen Monopolen bedrängte Wirtschaft.

Praktisch war und ist die Konkurrenz nur auf dem Gebiet der Lohnarbeit und gewisser, ohne Kapital oder auf frei zugänglichem Boden auszuübenden Tätigkeiten (Botengänge, Beerensammeln usw.) wirklich frei. Dies hat zur Folge, dass die allgemeine Monopolisierung sich letzten Endes auf dem Rücken des Lohnarbeiters auswirken muss, mit dem Ergebnis, dass sein Reallohn beschämend niedrig ist, wesentlich niedriger als dem technischen Fortschritt und der Rationalisierung entsprechen würde, zum Teil sogar niedriger als vor Jahrzehnten, ja selbst Jahrhunderten.

Erschwerend macht sich geltend, dass sowohl das Bodenmonopol als auch das Kapitalmonopol die Neigung besitzen, immer drückender zu werden. Beim Bodenmonopol wirkt die dichter werdende Bevölkerung in diesem Sinne, beim Kapitalmonopol die moderne Technik. Die letztere mit ihrer neuzeitlichen Erzeugungsweise der Massenfabrikation vorwiegend durch Maschinen und Großanlagen hat das Erfordernis des Kapitalbesitzes als Voraussetzung für die Beteiligung am Wettbewerb zu ausschlaggebender Bedeutung erhoben. Damit ist der Handarbeiter von der Konkurrenz so gut wie völlig ausgeschlossen. Denn sobald der Preis der maschinell erzeugten Waren unter die Kosten der Handarbeit sinkt, kann der Handarbeiter nicht mehr konkurrieren. Die Handarbeit ist von der kapitalistischen Produktion verdrängt worden.

Als Folge der völligen Verkennung des Charakters unserer Wirtschaft müssen sich Widersprüche zwischen Wirtschaftstheorie und -praxis ergeben. Wenn man die Lehrsätze der Ökonomen, die für eine Wirtschaft der freien Konkurrenz gelten, auf eine Praxis überträgt, die alles andere als eine Wirtschaft der freien Konkurrenz ist, so können sie unmöglich mit der Erfahrung übereinstimmen. Die Berufsökonomen haben irriger Weise eine freie Wirtschaft angenommen, d. h. den freien Wettbewerb für verwirklicht gehalten und diesen Irrtum ganz allgemein zu verbreiten gewusst. Heute wissen wir, dass sich die Wirtschaftswissenschaft tatsächlich geirrt hat. Nicht etwa, dass ihre Schlussfolgerungen nicht gestimmt hätten. Nein, es ist vollkommen richtig, dass eine freie Wirtschaft zu einer dauernden Harmonie von Angebot und Nachfrage, zur Vollbeschäftigung, allmählichen Zinssenkung, ansteigenden Reallöhnen und Wirtschaftsblüte führen muss. Nur die Voraussetzungen bestehen nicht. Was man für eine Wirtschaft der freien Konkurrenz gehalten hat, ist eben keine freie, sondern eine Monopolwirtschaft. Eine solche kann begreiflicherweise die günstigen Auswirkungen, die man von einer freien Wirtschaft mit Recht erwarten darf, nicht erfüllen!

Die schwerstwiegenden Folgen ergaben sich, als die Politik sich des Widerspruchs bemächtigte. Man machte für die üblen Folgen der Monopolwirtschaft, für die wiederkehrenden Wirtschaftsstörungen, Krisen, Dauerarbeitslosigkeit, chronische Unterbeschäftigung, für die sozialen Missstände, die Verarmung der breiten Massen, die Proletarisierung des ehemaligen Mittelstandes usw. die – nicht existierende – freie Wirtschaft verantwortlich. Man warf und wirft der Wirtschaftswissenschaft vor, die von ihr gepriesene und nach ihrer ausdrücklichen Erklärung verwirklichte „freie Wirtschaft“ tauge nichts, habe nicht gehalten, was man sich von ihr versprochen habe und führe, anstatt zur vorausgesagten Wirtschaftsblüte und Harmonie, zu unerträglichen wirtschaftlichen und sozialen Missständen. Das Heil liege in einer staatlichen Planwirtschaft, in einer rigorosen Einschränkung, wenn nicht gar Abschaffung der privaten Unternehmertätigkeit, in einer Abkehr von der „freien“ Wirtschaft. Andere politische Richtungen wieder verweisen auf die zahlreichen Übelstände der staatlichen Planwirtschaft und fordern die „Rückkehr zur freien Wirtschaft“ – die es noch nie gegeben hat -, kurzum: die Begriffsverwirrung ist allgemein.

Die aufgetretenen Missstände dieser so genannten freien Wirtschaft in die Schuhe zu schieben, ist ebenso verkehrt, wie zu ihr zurückkehren zu wollen. Beides ist ein Irrtum. Da es noch niemals eine freie Wirtschaft gegeben hat, ist es ebenso unsinnig, sie zurückzuwünschen, wie es unsinnig ist, sie für soziale und wirtschaftliche Missstände verantwortlich zu machen oder ihr die Nichterreichung des Wirtschaftsideals vorzuwerfen. Was heute als freie Wirtschaft bezeichnet zu werden pflegt, ist bestenfalls eine halbfreie Wirtschaft, eine Mischung von Markt- und Monopolwirtschaft, ein Bruchstück der freien Wirtschaft, mit einem Wort: Zinswirtschaft. Nicht weil die Wirtschaft (angeblich) frei war, hat sie versagt – wie die Anhänger der so genannten Planwirtschaft glauben -, sondern im Gegenteil: weil sie unfrei war und daher ein Instrument der Ausbeutung, musste sie versagen! Nur deshalb zeigten sich die bekannten wirtschaftlichen und sozialen Missstände.

Von der Sklaverei zur Zinswirtschaft

War es früher erforderlich, Sklaven, das heißt persönlich unfreie Menschen, zu halten, um sie auszubeuten, so bringt die Zinswirtschaft das Kunststück fertig, den Menschen sämtliche persönlichen und politischen Freiheiten zu gewähren und sie trotzdem auszubeuten. Obgleich Zinsnehmer und Zinszahler (angeblich) rechtlich einander gleichgestellt und ebenbürtig sind, vermag der eine sich die Früchte der Arbeit des anderen anzueignen. Diese legalisierte Ausbeutung beruht, wie gesagt, auf dem Vorhandensein von Monopolen. An die Stelle des Sklavenhalters ist im modernen Rechtsstaat der Zinsbezieher, an die Stelle des Sklaven der Zinszahler getreten. Die Ausbeutung erfolgt nicht mehr unmittelbar durch die Aneignung der Arbeit des Sklaven, sondern mittelbar durch das Monopol. Es ist begreiflich, dass die Sklaverei für die Ausbeuter uninteressant wurde, seitdem man die wirtschaftliche Unfreiheit der Auszubeutenden – diese einzige Voraussetzung einer jeden Ausbeutung – anstatt durch persönliche Freiheitsberaubung durch die Monopole zu erzielen vermochte.

Das aus Monopolen stammende arbeitslose Einkommen

Der Geldzins
Warum wird für Geld Zins gezahlt? Diese Frage beantwortet die klassische Lehre seit Ricardo dahingehend, für Geld werde Zins bezahlt, weil Sachkapital einen Zins abwerfe und man Sachkapital mit Geld kaufen könne. Die klassische Lehre hält also den Sachkapitalzins für primär und den Geldzins für sekundär. Das ist falsch, wie sofort gezeigt werden soll.

Silvio Gesell hat als erster erkannt, dass der Geldzins das Ergebnis eines eigenen Kapitals – eben des Geldes – darstellt. Das herkömmliche Geld besitzt eine Doppelnatur: es ist Tauschmittel und Schatzmittel (Wertaufbewahrungsmittel) in einem. Das kommt daher, dass das Geld gegenüber Waren und Dienstleistungen eine eigenartige Überlegenheit besitzt. Der Inhaber von Geld, das nicht für den persönlichen Verbrauch, sondern für die Anlage (Investition) vorgesehen ist, kann es, weil es weder verdirbt noch wesentliche Aufbewahrungs- und sonstige Durchhaltekosten verursacht, nach Belieben zurückhalten ohne einen Verlust zu erleiden, im Gegensatz zum Warenbesitzer und Lohnarbeiter, die von der Natur ihrer Waren gezwungen werden, sie anzubieten. Waren und Leistungen stehen somit unter einem „Angebotszwang“, - das Geld jedoch nicht. Es ist daher – Inflationszeiten ausgenommen – gegenüber Waren und Leistungen im Vorteil.

Die Überlegenheit des Geldes gegenüber anderen Vermögensbestandteilen besitzt noch eine andere Seite, auf die John Maynard Keynes ausführlich hingewiesen hat: dem Geld haftet eine besonders hohe „Liquiditätsprämie“ an. Ein jederzeit greifbarer Geldvorrat bietet seinem Besitzer ganz augenscheinlich eine Reihe von Annehmlichkeiten. Der Vorteil, den der Geldvorrat (in bar oder als kurzfristig verfügbarer Geldanspruch auf einem Girokonto) unter Umständen – etwa bei stabiler oder gar sinkender Preisebene – gegenüber einem Warenvorrat bieten kann, hat eine „Vorliebe für Liquidität“, einen Hang zur Hortung zur Folge: das Tauschmittel Geld verwandelt sich im Handumdrehen in das Schatzmittel Geld.

Wenn der Geldbesitzer ein Geld mit Wertaufbewahrungsfunktion, d. h. ein verschatzbares Geld, verleihen soll, dann muss ihm für die zeitweilige Aufgabe der Liquidität ein besonderer Preis – eben der Zins – bezahlt werden. Der Geldzins ist also, wie es Keynes ganz treffend sagt, keine Belohnung für Sparsamkeit, sondern der Preis für das Nichteinsperren des Geldes, eine Belohnung für Liquiditätsverzicht. Silvio Gesell hat den gleichen Gedanken dreißig Jahre vorher in die Worte gekleidet: „Wir bezahlen im Urzins (Geldzins) also weiter nichts als die Tätigkeit der Kapitalisten, die darin besteht, dem Handel Steine in den Weg gewälzt zu haben.“ Der Geldbesitzer vermag, gestützt auf die Überlegenheit des herkömmlichen Geldes gegenüber anderen Gütern, das Geld ungestraft zu horten und die Annehmlichkeit der Liquidität zu genießen. Da das Geld für die Verkehrswirtschaft unentbehrlich ist, kann der Geldbesitzer für seinen zeitweiligen Verzicht auf die Liquidität einen Preis in Gestalt des Zinses erzielen. Diese Erklärung des Geldzinses hat zwei weitere, geradezu umstürzende Erkenntnisse zur Folge.

Die erste Erkenntnis ist, dass ein Geld mit Wertaufbewahrungsfunktion begreiflicherweise nur dann investiert, das heißt in Sachkapitalien angelegt wird, wenn diese Sachkapitalien zumindest eine Verzinsung in der Höhe des Geldzinses versprechen. Steht ein entsprechender Sachkapitalzins nicht in Aussicht, dann unterbleibt die Investition, das Geld wird nicht in Sachkapital umgewandelt, es streikt! Das heißt: Der Geldzins ist primär und der Sachkapitalzins sekundär. Es verhält sich also genau umgekehrt wie von der klassischen Theorie seit Ricardo angenommen wird.

Die zweite Erkenntnis besagt, dass es nur das Vorhandensein eines Geldzinses ist, welches bewirkt, dass der Vermehrung der Sachgüter eine Schranke gesetzt wird. Der Geldzins übt also eine Funktion aus, ähnlich dem Wegesperrgeld, das seinerzeit die Raubritter erhoben haben. Nur was zinst, darf passieren. Da in der arbeitsteiligen Wirtschaft nicht das kleinste Unternehmen ohne Geld gegründet werden kann, muss überall in erster Linie der Zins gesichert sein, bevor investiert wird. Nur wenn der Zinsanspruch befriedigt zu werden verspricht, dürfen sich die Räder der Wirtschaft drehen. Keynes gibt den gleichen Gedanken mit den folgenden Worten wieder: „Es scheint also, dass der Zinsfuß auf Geld eine eigenartige Rolle in der Begrenzung des Niveaus der Beschäftigung spielt, da er einen Standard festsetzt, den die Grenzleistungsfähigkeit eines Kapitalwertes (das ist der Sachkapitalzins) erreichen muss, wenn er neu erzeugt werden soll. Dass dies so sein sollte, ist auf den ersten Blick äußerst verblüffend.“ Das Rätsel des Kapitalzinses, dessentwegen im Laufe der Jahrzehnte soviel Druckerschwärze verbraucht worden war, die Beantwortung der fundamentalen und bisher unbeantwortet gebliebenen Frage „woher und warum der Kapitalist den Zins erhält“ war endlich gelungen. Gesell hatte entdeckt, dass der Zins eine rein geldliche Angelegenheit ist, begründet im Schatzmittelcharakter des Geldes.

Es sind weit reichende Ausblicke, die sich eröffnen, Fragen von Weltbedeutung, die durch die neue Lehre vom Zins beantwortet werden. Da ist zunächst das Geheimnis des Konjunkturzyklus, der wiederkehrenden Wirtschaftsaufschwünge und ruinösen -abstürze, das gelüftet wird. Da ist ferner die nahe liegende Überlegung, dass, wenn die Hortbarkeit des Geldes die Ursache des Geldzinses, dieser wieder die Ursache des Sachkapitalzinses ist, durch eine geeignete Geldreform, welche die Hortbarkeit des Geldes beseitigt, das ganze auf Zinsbezug aufgebaute kapitalistische System aus den Angeln gehoben werden kann, was ungeahnte Möglichkeiten erschließt. Nicht zuletzt widerlegt die neue Lehre vom Zins die Marx'sche Auffassung, Ware und Geld seien Äquivalente. Die Marx'sche Auffassung ist nur bedingt richtig hinsichtlich des Verbrauchsgeldes der großen Masse, die nur eben soviel verdient, wie sie zur Fristung des nackten Lebens ausgeben muss. Hier ist das Geld allerdings der Gegenwert der Ware, steht wie diese unter „Umlaufzwang“. Anders beim Kapitalgeld desjenigen, der mehr einnimmt, als er für persönliche Bedürfnisse auszugeben bereit ist. Hier ist das Geld nicht mehr Gegenwert der Ware, sondern besitzt infolge seiner Vorzüge als Schatzmittel eine Überlegenheit, welcher der Geldzins und auch der Sachkapitalzins ihr Dasein verdanken. Der Marxismus geht also von irrigen Voraussetzungen aus.

Wie jeder Zins, beruht auch der Geldzins auf einem Monopol, d. h. auf einer Beschränkung der Konkurrenz. Diese Beschränkung kommt dadurch zustande, dass das herkömmliche Geld infolge seiner Wertaufbewahrungsfunktion, aber auch wegen der Annehmlichkeiten der Liquidität, die es dem Geldbesitzer bietet, gegenüber den verderblichen, sperrigen und Durchhaltekosten aller Art bedingenden Waren eine Überlegenheit besitzt (Inflationszeiten ausgenommen). Der Kapitalbesitzer wird ein solches Geld nur dann verleihen, wenn ihm dafür neben der selbstverständlichen Sicherheit noch ein entsprechender Preis – eben der Geldzins – geboten wird. Andernfalls „streikt“ das Geld. Ohne Zins - kein Geld! Die Überlegenheit des Geldes gegenüber anderen Vermögenswerten bewirkt, dass die Konkurrenz, die sich die Geldkapitalbesitzer untereinander auf dem Leihgeldmarkt bereiten, dauernd beschränkt bleibt. Infolge dieser Konkurrenzbeschränkung, des Geldstreikmonopols, wird das Angebot an Leihgeld daran gehindert, sich weit genug auszudehnen, um den reinen Geldzins unter die etwa bei drei Prozent liegende „kritische Grenze“ absinken zu lassen. Die Streikfähigkeit des Geldes hält das Angebot an Geldkapital dauernd knapp und verewigt so den Zins. Die Unentbehrlichkeit für die arbeitsteilige Wirtschaft einerseits und die monopolbedingte Knappheit des Leihgeldes andererseits bewirken gemeinsam den Geldzins.

Der Geldzins ist übrigens, wie Gesell eingehend nachweist, eine im Laufe der Jahrtausende fast unveränderliche Größe geblieben. Gesell spricht daher von einer „ehernen Größe“ des Urzinses. Die in der Wirtschaftsgeschichte verzeichneten Schwankungen des Zinsfußes betreffen nach Gesell nicht den reinen Zins, sondern ausnahmslos die übrigen Bestandteile des Bruttozinses: die Risikoprämie und die Hausseprämie. Diese Ansicht hat viel für sich. Da dem Druck auf den Zins einerseits wegen der dem liquiden Geld anhaftenden Überlegenheit gegenüber anderen Vermögensarten eine Grenze gezogen ist, die nicht unterschritten werden kann, weil das Geld sonst streikt, andererseits Urwirtschaft und Tauschwirtschaft als Konkurrenten des Geldes imstande sind, überspitzten Zinsforderungen entgegenzutreten, ist die gleich bleibende Größe des reinen Zinses im Laufe der Geschichte erklärlich.

Der Sachkapitalzins
Durch seine Erkenntnis vom Wesen des Geldzinses hat Gesell auch die Natur des Sachkapitalzinses (Rendite) eindeutig bloßgelegt. Solange die Ebene der erwarteten Rendite über derjenigen des Geldzinses liegt, werden kapitalkräftige Unternehmer angelockt, wird investiert, das heißt Geldkapital in Sachkapital umgewandelt. Jedes derartige der Wirtschaft zusätzlich zur Verfügung gestellte Sachkapital hat aber die Tendenz, die Rendite zu vermindern. Jedes weitere Sachkapital drückt die Rendite herab, weil es den Druck der Konkurrenz verstärkt und dadurch die Spannung zwischen Arbeitskosten und Preis, die vom Sachkapitalzins gebildet wird, verringert. Diese Entwicklung führt aber nur bis zu dem Punkt, wo die Ebene der erwarteten Rendite auf die vom Geldzins gebildete „eherne Grenze“ abgesunken ist. Sobald die Rendite infolge der Vermehrung der Sachgüter die Neigung zeigt, unter die vom Geldzins gebildete Grenze zu sinken, unterbleiben weitere Investitionen, weil der Anreiz für den Investor entfällt. Gestützt auf seine Überlegenheit „streikt“ das Geld, unterbricht weitere Investitionen und damit zugleich auch den Druck der Konkurrenz auf den Sachkapitalzins. Dass die Welt nach verschiedenen Jahrtausenden des Arbeitens und Sparens so arm an Sachgütern ist, muss als unmittelbare Folge des Vorhandenseins eines zinsbasierten Geldes angesehen werden.

Nur die Knappheit der Sachgüter bewirkt also, dass sie einen Zins abwerfen, „und sie werden knapp gehalten wegen des Wettbewerbs um den Zinsfuß auf Geld“, wie Keynes ebenso kurz wie treffend sagt. Die zinsfordernde Eigenschaft unseres Geldes überträgt sich somit automatisch auf die mit seiner Hilfe geschaffenen Sachgüter, die künstlich knapp und daher zinstragend gehalten werden. Das Geldstreikmonopol zieht das Kapitalmonopol zwangsläufig nach sich.

Geld- und Sachkapitalzins stehen zueinander in enger Wechselbeziehung. Einerseits erlaubt das Geld keine Investitionen, die einen Ertrag abwerfen, der niedriger als der Geldzins ist – sonst streikt das Geld. Ebenso wenig kann aber andererseits der Sachkapitalzins dauernd höher als der Geldzins liegen, weil in diesem Fall sofort Investitionen rentabel werden, die auf den Sachkapitalzins drücken und so den Ausgleich schaffen. Der Sachkapitalzins ist also eng an den Geldzins gekettet. Das Geld ist das primäre Kapital, der Geldzins der feste Punkt, um den der Sachkapitalzins pendelt. - Beide Zinsarten sind eine Funktion des Geldes.

Das Sachkapitalmonopol ist - ebenso wie das Geldstreikmonopol, von dem es abgeleitet ist - ein unvollständiges, künstliches und faktisches Monopol, d. h. die Konkurrenz auf dem Kapitalmarkt ist nicht ausgeschlossen, sondern auf den Kreis der Kapitalbesitzer beschränkt; das Monopol ist ferner nicht von Natur aus vorhanden und weder gesetzlich begründet noch verabredet, sondern einfach faktisch gegeben.

Es bleibt noch nachzuweisen, dass das allgemeine Zinsprinzip auch für den Sachkapitalzins Anwendung findet: Wie jeder Zins beruht auch der Zins der Sachgüter auf einem Monopol, einer Beschränkung der Konkurrenz. Diese Beschränkung kommt zustande, indem der Bildung von Sachgütern – den Investitionen - durch den Geldzins eine unübersteigbare Grenze gezogen wird, wodurch sie dauernd knapp gehalten werden. Ihre Knappheit im Verein mit ihrer Unentbehrlichkeit bedingen den Sachkapitalzins. Sobald im Verlauf einer längeren Konjunkturperiode durch vermehrte Investitionen die Sachgüter derart vermehrt worden sind, dass ihr Ertrag, der Sachkapitalzins, durch den Druck der Konkurrenz unter die vom Geldzins gezogene eherne Grenze zu sinken droht, streikt das Geld, werden die Investitionen unterbrochen. Es werden zunächst keine weiteren Sachgüter mehr geschaffen. Der Zufluss neuer Sachgüter hört auf, bevor aller Mangel daran befriedigt ist. Damit hört aber auch der Druck der Konkurrenz auf den Sachkapitalzins auf. Der Prozess der Senkung des Sachkapitalzinses wird abgestoppt, bevor der Preis das Niveau der Arbeitskosten erreicht hat. Da noch Mangel an Sachgütern besteht, bleibt auch die Spannung zwischen Preis und Arbeitskosten bestehen, die vom Sachkapitalzins ausgefüllt wird.

Das Gesagte erhellt zugleich, weshalb die Unternehmer den Preis ihrer Waren, bzw. den Mietpreis ihrer Mietobjekte so hoch zu halten vermögen, dass sich eine Verzinsung des angelegten Sachkapitals ergibt. Das Monopol, das die Sachkapitalbesitzer infolge der strukturellen Knappheit der Sachkapitalien besitzen, gibt ihnen die Macht, als Erzeuger und Händler den Preis ihrer Waren und als Vermieter den Mietzins für ihre Mietobjekte über dem Niveau der Arbeitskosten zu halten, das heißt den Sachkapitalzins im Preis ihrer Waren, bzw. in ihren Mietpreisen zu erheben. Daran ändert auch die Konkurrenz nichts, die sie sich gegenseitig bereiten. Ein Druck auf den Zins kann nur von einer Konkurrenz ausgeübt werden, die über Kapital verfügt. Nur wer Kapital besitzt, kann das Gewerbe eines Erzeugers, Händlers oder Vermieters ausüben. Die Beteiligung an der Konkurrenz setzt also den Kapitalbesitz voraus. Der Nichtkapitalist ist von der Beteiligung an der Konkurrenz ausgeschlossen. Der Kapitalbesitz ist zur Beteiligung an der Konkurrenz unentbehrlich. Dies hat zu Folge, dass immer nur die Kapital-besitzenden Unternehmer untereinander konkurrieren. Nach außen hin sind sie durch die Knappheit der Sachkapitalien vor einer weiteren Konkurrenz geschützt. Die Konkurrenz, die sie sich untereinander bereiten, ist aber nicht stark genug, den Preis auf das Niveau der Arbeitskosten herabzudrücken.

Falls der Unternehmer mit geliehenem Kapital arbeitet, ist er verpflichtet, den Geld-, bzw. Sachkapitalzins an den Kapitaleigentümer abzuliefern. Durch die Verpflichtung zur Ablieferung wird ihm keine Unbilligkeit zugefügt, denn ohne den Besitz des Kapitals wäre er nicht in der Lage gewesen, den Zins zu erheben. Der Sachkapitalzins wurzelt also in der Knappheit der Sachgüter in Verbindung mit ihrer Unentbehrlichkeit. Weil die Sachgüter unentbehrlich sind, entsteht zunächst der Zins, weil sie durch das Geldstreikmonopol dauernd knapp gehalten werden, kann der Zins nicht beseitigt werden. Die Unentbehrlichkeit allein vermag ebenso wenig wie die Knappheit allein den Zins zu begründen. Wären die Sachgüter auch noch so unentbehrlich, sie würden nicht dauernd Zins tragen können, wenn sie in unbegrenzter Menge vorhanden wären. Umgekehrt ist auch bei der größten Knappheit der Sachgüter ein Zinserträgnis undenkbar, sofern die Sachgüter entbehrlich sind.

Der Bodenzins
In ähnlichem Sinne wie das Geld, das unverderblich und unter gewissen Verhältnissen nicht beliebig vermehrbar ist, besitzt auch der Boden Monopolcharakter, nur mit dem Unterschied, dass es sich beim Geldmonopol um ein künstliches, beim Boden aber um ein natürliches Monopol handelt. Der Boden war lange Jahrhunderte hindurch nahezu das einzige Mittel zur Anhäufung von Reichtum und hat als solches, wie manche Forscher annehmen, eine derartig übermäßige Wertschätzung genossen, dass diese sogar die Gütervermehrung behindert hat, ähnlich wie heute die übermäßige Vorliebe für Geld das tut.

Der Bodenzins ist nichts anderes als der für die Nutzung des Bodens erzielbare Preis. Seine Entstehung lässt sich am besten am ländlichen Differentialbodenzins erkennen, der sich folgendermaßen bildet: Es gibt bekanntlich Boden verschiedener Brauchbarkeit. Auf dem brauchbareren Boden sind geringere, auf dem weniger brauchbaren Boden höhere Kosten zur Hervorbringung der Bodenerzeugnisse erforderlich. Da sich auf dem Markt einheitliche Preise bilden, wird auch das auf dem brauchbareren Boden mit weniger Kosten hervorgebrachte Erzeugnis zum gleichen Preis abgesetzt. Der Besitzer desselben spart einen Teil der Kosten, die auf dem am wenigsten brauchbaren Boden aufgewendet werden müssen, es bleibt ihm also ein Gewinn übrig, dem kein Kostenaufwand entspricht. Dieser Gewinn ist der ländliche Differentialbodenzins.

Der Bodenzins ist Differentialzins, solange noch irgendwelcher Boden für den betreffenden Anbauzweck zur Verfügung steht. Dies pflegt fast ausnahmslos der Fall zu sein. Ist hingegen der für den betreffenden Anbauzweck verfügbare Boden vollständig vergeben, dann ist die Konkurrenz absolut begrenzt. Auch auf dem am wenigsten brauchbaren Boden ist eine Ausdehnung der Produktion nicht möglich, mit der Folge, dass auch dieser Boden einen Zins trägt. In diesem Fall spricht man von einem ländlichen Knappheitsbodenzins.

Als ländlicher Knappheitsbodenzins ist zunächst der Zins anzusehen, den der am wenigsten brauchbare Boden abwirft. Da aber auch der Preis des auf dem besseren Boden gewonnenen Erzeugnisses gestiegen ist, wird auch hier der Zins erhöht, und es zerfällt nun der Zins, den dieser Boden trägt, in zwei Teile. Der Teil, der durch die Differenz der Produktionskosten gegeben ist, ist Differentialzins, der Überschuss Knappheitszins. Dem Wesen nach besteht zwischen dem Knappheitszins und dem Differentialzins kein Unterschied. Der Knappheitszins ist nur deshalb nicht Differentialzins, weil es keinen Boden mehr gibt, der noch weniger brauchbar wäre, als der am wenigsten brauchbare. Der ländliche Knappheitszins spielt praktisch fast keine Rolle. Er kommt nur in jenen seltenen Fällen vor, in denen der Boden ein Produkt von ganz besonderer, sonst nirgends vorfindbarer Qualität (z.B. eine bestimmte Sorte Wein) hervorbringt.

Wie jeder Zins beruht auch der ländliche Bodenzins auf einem Monopol. Weil der brauchbarere Boden bzw. der Boden überhaupt begrenzt ist, ist auch die Konkurrenz beschränkt. Denn es kann mit dem Besitzer des brauchbareren Bodens bzw. des Bodens überhaupt nur konkurrieren, wer selbst solchen Boden besitzt. Wäre die Konkurrenz frei, dann würde die Produktion solange erweitert werden, bis der Preis der Bodenerzeugnisse auf die Ebene der Arbeitskosten herabgesunken wäre. Weil die Konkurrenz beschränkt ist, findet diese Erweiterung nicht statt. Es werden weniger Produkte erzeugt als beim Arbeitskostenpreis begehrt werden. Der Preis der Bodenerzeugnisse kann infolgedessen über den Arbeitskosten gehalten werden und es entsteht eine Spannung zwischen Arbeitskosten und Preis, die arbeitsloses Einkommen oder Zins darstellt.

Ob der Eigentümer ländlichen Bodens seinen Grund selbst bebaut oder dessen Bebauung einem anderen durch Verpachtung überlässt, ändert am Zustandekommen des Bodenzinses nichts. Im letzteren Fall erhebt der Pächter an Stelle des Grundeigentümers den Zins im Preis der Bodenerzeugnisse. Er bleibt jedoch nicht in seiner Hand. Wie bei jedem Monopol, das vom Inhaber nicht selbst ausgenützt, sondern anderen zur Ausnützung überlassen wird, muss auch beim Bodenmonopol der Pächter den Ertrag, eben den Zins, an den Bodeneigentümer abliefern. Der Bodeneigentümer kann die Ablieferung fordern, denn wenn er den Boden selbst bebaut hätte, wäre der Bodenzins ihm zugefallen. Dem Pächter wird durch die Verpflichtung zur Ablieferung des Bodenzinses keine Unbilligkeit zugefügt, denn ohne den Besitz des Bodens wäre er nicht in der Lage gewesen, den Bodenzins zu erheben.

Der städtische Differentialbodenzins entsteht nach ähnlichen Grundsätzen wie der ländliche, nur dass anstelle der Ertragsfähigkeit des Bodens seine Lage entscheidend ist. Es wird zunächst der brauchbarste Boden verbaut. Solange Boden der betreffenden Brauchbarkeit noch verfügbar ist, bleibt die Mietgebühr für die erbauten Mietobjekte durch den Druck der Konkurrenz auf der Höhe der normalen Kapitalverzinsung stehen. Dies ändert sich, wenn der Boden dieser Gattung vollständig bebaut ist und nun ein weniger brauchbarer Boden in die Bebauung einbezogen wird. Auch für weniger günstig gelegene Mietobjekte wird jetzt dieselbe Mietgebühr eingehoben, welche die günstiger gelegenen bisher erzielt haben. Dieser Umstand wirkt aber auf die Höhe der Miete dieser letzteren Mietobjekte zurück: Ihre Miete steigt wegen ihrer günstigeren Lage entsprechend an. Sie verzinsen sich höher als zum normalen Zinsfuß. Der Mietertrag übersteigt die normale Verzinsung des Baukapitals. Der Überschuss ist der städtische Differentialbodenzins.

Seiner Zusammensetzung nach ist der städtische Bodenzins der auf dem bestmöglichen Ausnutzungsgrad, der Ausnutzungsart und der Lage eines aufgeschlossenen Grundstücks beruhende Bodenertrag; er ist gleich der erzielbaren Miete für die auf dem Grund und Boden errichteten Gebäude abzüglich der auf die Gebäudebewirtschaftung entfallenden Kosten (Verzinsung des Gebäudekapitals, Abschreibung, Grundsteuer, Betriebskosten usw.). Seinem Wesen nach ist der städtische Differentialbodenzins Miete, und zwar ein Zinsgewinn, der infolge der Beschränkung der Konkurrenz der Mietkapitalien entsteht. Reicht die Zahl der günstiger gelegenen Mietobjekte nicht aus, um die Nachfrage, die bei einem gewissen Stand der Mietzinse herrscht, zu decken, dann erhöhen sich die Mieten. Sie können dauernd über der normalen Kapitalverzinsung gehalten werden, weil eine Vermehrung der günstiger gelegenen Objekte infolge der Beschränktheit des Bodens nicht möglich ist.

Das Kapitalmonopol für sich allein würde nur die normale Kapitalverzinsung sichern. Es schließt die Konkurrenz der Nichtkapitalisten aus, lässt aber die Konkurrenz, die sich die Mietkapitalien untereinander bereiten, bestehen. Weil nun aber das Baukapital eine Bodenfläche als räumliche Unterlage braucht, die nur begrenzt vorhanden ist, erfährt die an und für sich beschränkte Konkurrenz noch eine weitere Beschränkung. Das Bodenmonopol macht sich geltend. Es bewirkt, dass der Ertrag der Mietobjekte über die normale Kapitalverzinsung hinauswächst. Hier steht also ein Monopol – das Kapitalmonopol – unter dem Schutz eines anderen Monopols, des Bodenmonopols. Diese Erscheinung ist öfters zu beobachten. Wenn etwa ein Unternehmen, das durch seinen Kapitalbesitz vor der Konkurrenz nichtkapitalbesitzender Unternehmer geschützt ist, einen durch Patent geschützten Artikel erzeugt, so steht auch hier das Kapitalmonopol unter dem Schutz eines anderen Monopols, nämlich eines rechtlichen Monopols.

Sind der Ausdehnung einer Stadt bestimmte Grenzen gezogen, dann kann auch der städtische Bodenzins als Knappheitszins auftreten. Die Konkurrenz kann sich, sobald der Boden vollständig in die Bebauung einbezogen worden ist, nicht weiter ausdehnen, und die Folge davon ist, dass auch der am wenigsten brauchbare Boden Zins trägt.

Der Zins aus rechtlichen und verabredeten Monopolen
Hierunter fallen Marken-, Muster-, Erfinder- und Autorenschutz, Privilegien, Konzessionen, Kartelle usw. Es handelt sich, genau genommen, in allen diesen Fällen um Monopole in Form eines Vorrechtes, sei es durch Gesetz, sei es durch wirtschaftliche Vormachtstellung. Der aus diesen Vorrechten fließende Zins beruht ausnahmslos darauf, dass man mit Hilfe der erwähnten Monopole imstande ist, das Angebot dauernd knapp und dadurch den Preis über den Arbeitskosten zu halten, wodurch sich ein Gewinn ergibt, der den Zins darstellt. Im Vergleich zum Geld-, Sachkapital- und Bodenzins ist der Zins aus rechtlichen und verabredeten Monopolen von untergeordneter Bedeutung. Manche dieser Monopole haben sekundären bzw. tertiären Charakter, wie Kartelle, Truste und Syndikate. Andere sind entweder aus Billigkeits- oder Zweckmäßigkeitsgründen erwünscht, wie der Marken-, Muster-, Erfinder- und Autorenschutz, oder die Fiskalmonopole. Auch sind manche Vorrechte unentbehrlich, wie etwa das Notenprivileg, oder unter gewissen Voraussetzungen zu empfehlen, wie etwa die Apothekenkonzession.

In die vier Zinsarten: Geld-, Sachkapital-, Boden- und Vorrechtszins lässt sich das gesamte arbeitslose Einkommen, soweit es regelmäßig fließt, einordnen. Es umfasst schätzungsweise mehr als neun Zehntel allen arbeitslosen Einkommens. Das restliche Zehntel - oder weniger - bildet das nicht regelmäßig fließende arbeitslose Einkommen in Gestalt der Differenzgewinne (Spekulationsgewinne).

Kapital, Kapitalismus, Kapitalist

Was ist Kapital? Darüber gingen die Meinungen bisher auseinander. Die Berufsökonomen sind sich wohl nicht ganz darüber einig, welche Sachen als Kapital anzusehen sind; darüber aber, dass das Kapital eine Sache sei, herrscht allgemeine Übereinstimmung. Auch Karl Marx, der dieser „Sache“ ein mehrbändiges Werk gewidmet hat, macht keine Ausnahme. Ist aber das Kapital wirklich eine Sache?

Nach der gewonnenen Erkenntnis, dass jeder Zins in einem Monopol wurzelt, offenbar nicht! Wenn Kapital eine Sache wäre, dann müsste man Kapitalien addieren können, eine doppelte Kapitalmenge müsste dann ganz natürlich auch den doppelten Zinsertrag abwerfen. Das trifft aber, wie wir erkannt haben, absolut nicht zu. Ganz im Gegenteil. Die Sachkapitalien werfen nur deshalb einen Zins ab, weil sie – durch das heutige Geld – dauernd knapp gehalten werden, was eine Konkurrenzbeschränkung und demzufolge einen Zins bewirkt. Nur die Knappheit – im Verein mit der Unentbehrlichkeit – begründet die Kapitaleigenschaft eines Sachgutes. Zwei Fabriken sind nicht immer doppelt so viel wert wie eine, zwei Miethäuser nicht immer doppelt so viel wie eines. Denn je mehr Sachkapitalien hergestellt werden, umso tiefer sinkt – wegen der dann gesteigerten Konkurrenz – ihr Zinsertrag, umso mehr verlieren sie ihre Kapitaleigenschaft. Bei genügender Vermehrung vermag ihr Ertrag sogar auf Null zu sinken, und damit verlieren sie ihre Kapitaleigenschaft gänzlich. Ein Wohnhausblock etwa, der infolge eines Überflusses an Wohnungen keinen Kapitalzins mehr abwirft, hat aufgehört, Kapital zu sein. Praktisch konnte es bisher allerdings zu einer derartigen Kapitalfülle niemals kommen, weil das heutige Geld bei sinkendem Sachkapitalzins die Investition verweigert und auf diese Weise die Sachgüter dauernd knapp und Zins-tragend hält. Kapital ist also „Zins-tragendes Gut“. Seinem Wesen nach ist Kapital also keine Sache, wie man geglaubt hat, es ist überhaupt nichts Greifbares, sondern ein Zustand, und zwar ein Knappheitszustand.

Darum vermag alles, was und solange es knapp ist und zur Erzielung eines Zinses gebraucht werden kann, Kapitaleigenschaft anzunehmen. Aus unserer Definition des Kapitals als eines monopolbedingten Knappheitszustandes lässt sich auch der Begriff des Kapitalismus ableiten, und zwar des Kapitalismus im engeren und weiteren Sinne.

Kapitalismus im engeren Sinne ist eine Wirtschaftsordnung, in der die Knappheit an Leihgeld und Gebrauchsgütern (den Sachkapitalien) den Geld- und Sachkapitalzins bedingt. Kapitalismus in diesem Sinne ist daher als Zinswirtschaft, als Monopolismus, als dauernde Mangel- und Ausbeutungswirtschaft zu übersetzen. Kapitalismus in diesem Sinne ist eine rein geldliche Angelegenheit, begründet im Geldstreikmonopol.

Kapitalismus im weiteren Sinne ist jede auf Monopolen begründete und daher a priori auf Ausbeutung abgestellte Wirtschaftsordnung, sei es, dass sie den durch das natürliche Bodenmonopol verursachten Bodenzins (Grundrente) in private Taschen fließen lässt, sei es, dass sie Wettbewerb und individuelle Wirtschaftsbetätigung durch künstliche Monopole einschränkt oder gar ausschließt. Daraus folgt, dass der Feudalismus der Vergangenheit nicht minder kapitalistisch war als es die totalitären Wirtschaftsformen sind, die den individuellen Wettbewerb zu Gunsten eines allgemeinen staatlichen Wirtschaftsmonopols unterdrücken und damit die Ausbeutung staatlich organisieren. Kapitalismus ist also in jedem Falle zu übersetzen mit Monopolismus.

Wer ist Kapitalist? Kapitalist im Allgemeinen ist jeder, soweit er Zins bezieht. Im engeren Sinne ist darunter der funktionslose Investor zu verstehen, dessen Einkommen ganz oder vorwiegend aus Zins besteht. Im weiteren Sinne zählen auch alle indirekten Nutznießer der Monopole hierher, wie die einflussreichen Politiker und Leiter von Massen-Organisationen, insbesondere in totalitären Staaten, denen ihre Stellung eine außerordentliche Machtfülle und damit die Möglichkeit verleiht, einen relativ großen Teil des Sozialproduktes für sich und ihre Anhängerschaft in Anspruch zu nehmen (Staatskapitalisten, Manager).

Der Einfluss des Geldes

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass jede kulturelle Entwicklung auf der Arbeitsteilung beruht. Erst die Arbeitsteilung schenkt dem Menschen die Muße, sich auch mit anderen Dingen als nur mit der Beschaffung der Lebens-Notdurft zu befassen. Der Vorteil, den die Arbeitsteilung bietet, ist auf der simplen Tatsache begründet, dass man die gleiche Arbeit das zweite und dritte Mal besser und rascher auszuführen vermag als das erste Mal, und dass diese Fertigkeit durch dauernde Übung erheblich gesteigert werden kann. Adam Smith führt als Beispiel den einzelnen Arbeiter an, der im besten Fall 20 Stecknadeln im Tag anfertigt, wenn er alle Arbeitsgänge selbst ausführen muss, während zehn vereinigte Arbeiter, die sich die einzelnen Arbeitsschritte teilen, 48.000 Stück, somit 4.800 Stück je Tag und Arbeiter herstellen können. Die Arbeitsteilung vermag also die Produktivität der Arbeit gewaltig zu steigern, vor allem auch weil sie die Anwendung arbeitssparender Geräte ermöglicht.

Die unbedingte Voraussetzung für die entwickelte Arbeitsteilung ist das Vorhandensein des Tauschmittels Geld. Erst in der Geld- oder Verkehrswirtschaft kann die Produktivität durch weitgehende Arbeitsteilung so gesteigert werden, dass auf dem Nährboden einer gehobenen Lebenshaltung sich ein neues Lebensgefühl und mit ihm eine Kultur zu entwickeln vermag. Darum finden wir in allen Kulturepochen stets auch ein entwickeltes Geldwesen.

Zunächst vollzieht sich als Ergebnis des erleichterten Güteraustausches mit Hilfe des Geldes ein im Vergleich zum primitiven Tauschhandel bemerkenswerter Wirtschaftsaufschwung. Die Arbeitsteilung wächst, Handel und Wandel blühen, die Bevölkerungsdichte nimmt zu, das Gewerbedorf, die Gewerbestadt entstehen. Doch bald zeigt sich der Pferdefuß der Entwicklung. Die Überlegenheit des verschatzbaren Geldes über Waren und Leistungen ermöglicht es dem Geldbesitzer, ungestraft die Annehmlichkeit der Liquidität zu genießen, bei Verleihungen über Risikoprämie und Hausseprämie hinaus den Zins zu erzielen. Die Zins-fordernde Eigenschaft des Geldes überträgt sich auf die Sachgüter. Neben die Grundrente tritt, sie in ihrer Bedeutung als arbeitsloses Einkommen bald erreichend und übertreffend, der Geld- und Sachkapitalzins. Mit dem Zins schiebt sich, so scheint es, ein neues, lebensfeindliches Element in den Gang der Wirtschaft, das sich alsbald in wirtschaftlichen und sozialen Störungen bemerkbar macht.

Die moderne arbeitsteilige Wirtschaft ist ganz auf dem Fundament des Zinses aufgebaut. Der Kaufmann, der Industrielle, der Gewerbetreibende, ebenso der Land- und Forstwirt, alle Unternehmungen des Handels und Verkehrs rechnen mit dem Zins, überall wird Zins bezahlt. Kein Haus, keine Bahnlinie, keine Fabrik, kein Kraftwerk wird gebaut, keine Maschine angeschafft, wenn der Zins dabei nicht herausschaut. Was keinen Zins abzuwerfen verspricht, sich nicht rentiert, hat keine Daseinsberechtigung, wird von vornherein gar nicht geschaffen. Die Höhe des Zinses entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und darüber, ob Arbeiter eingestellt oder entlassen werden. Dabei sind die Zinseinkünfte des Großkapitals viel zu groß, als dass einer allein oder eine Familie mehr als einen geringen Bruchteil davon mit Anstand verzehren könnte. Die angehäuften Zinserträge werden ebenfalls wieder Zins-tragend angelegt und bringen ihrerseits neue Zinsen hervor; das Großkapital wächst automatisch durch Zins und Zinseszins, wächst ins Unendliche.

Ungewollte Arbeitslosigkeit

Eine der bezeichnenden Auswirkungen des Kapitalismus im engeren Sinn bildet die ungewollte Arbeitslosigkeit. Sie wird aus folgender Überlegung als eine unmittelbare Folge der Zinsgeld-Wirtschaft erkennbar: Bei der ältesten Wirtschaftsform, der Natural- oder Eigenwirtschaft, verbraucht der Erzeuger sein eigenes Erzeugnis selbst. Man darf dabei nicht allein an die graue Vorzeit zurückdenken; diese Wirtschaftsform spielt auch heute noch eine gewisse Rolle. Unsere Landwirte z. B. erzeugen einen Teil ihres Bedarfes selbst. Das Bemerkenswerte bei der Eigenwirtschaft ist, dass sie ungewollte Arbeitslosigkeit nicht kennt. Der Landwirt, der für sich und seine Familie Nahrungsmittel anbaut, kann, solange die Produktionsmittel vorhanden sind, durch keine äußeren Umstände in seiner Tätigkeit gehindert, er kann nicht arbeitslos werden. Solange sein Bedürfnis besteht, hängt es vollkommen von seinem Willen ab, ob er es befriedigen will oder nicht. Aus der Eigenwirtschaft ist das Phänomen der ungewollten Arbeitslosigkeit nicht zu erklären. In der nächsthöheren Wirtschaftsform, der Tauschwirtschaft, vollzog sich der Güteraustausch der heutigen Kulturvölker durch lange Zeiträume. Ob nun der Tausch Zug um Zug erfolgte, etwa Tontöpfe gegen Fische oder als Leihgabe, so bleibt die entscheidende Tatsache beim Tausch doch stets die, dass das Angebot der eigenen Ware gleichzeitig die Nachfrage nach einer anderen Ware darstellt. Jeder bietet seine eigene Ware an und fragt damit gleichzeitig fremde Ware nach. Das Gesamtangebot einer Volkswirtschaft ist in diesem Fall gleich der Gesamtnachfrage. Solange sich aber Gesamtangebot und Gesamtnachfrage decken, ist ungewollte Arbeitslosigkeit nicht möglich. Wohl kann es bei der Tauschwirtschaft vorkommen, dass ein Erzeuger am Markt etwas anbietet, das niemand einzutauschen wünscht, sodass sich für sein Erzeugnis kein Abnehmer findet. Aber er ist deshalb für die Zukunft nicht arbeitslos. Er hat nur in der Vergangenheit vergebliche Arbeit geleistet und sich selbst vom Markt ausgeschaltet, weil er die Nachfrage nicht beachtete. Es steht ihm aber frei, in Zukunft solche Güter herzustellen, die nachgefragt werden und sich dadurch wieder in den Güteraustausch einzuschalten. Eine ungewollte Arbeitslosigkeit ist somit aus dem Wesen der Tauschwirtschaft ebenso wenig zu erklären wie aus der Eigenwirtschaft.

Anders in der Geld- oder Verkehrswirtschaft. War beim unmittelbaren Tausch Ware gegen Ware das Angebot stets gleich der Nachfrage, so änderte sich das schlagartig mit der Einführung des Geldes. Das Geld zerlegt den Tausch in zwei Teile: Die eine Hälfte ist der Verkauf des eigenen Erzeugnisses gegen Geld, die zweite der Kauf eines fremden Erzeugnisses gegen Hingabe dieses Geldes. Nur wenn beide Teile, sowohl Verkauf als auch Kauf erfüllt sind, ist der Tausch vollendet, nur dann ist der „vollkommene Tausch“ verwirklicht. Die Aufspaltung des Tausches durch das Geld ermöglicht es nun, dass Angebot und Nachfrage sich nicht mehr immer decken müssen. Mit der Einführung des Geldes ist plötzlich das Angebot nicht mehr zugleich auch Nachfrage. Es ist vielmehr jetzt möglich, dass beide auseinanderklaffen. Dieser Fall muss ganz zwangsläufig dann eintreten, wenn manche Teilnehmer am Tauschverkehr wohl ihr eigenes Erzeugnis verkaufen, ohne indes für den erzielten Gelderlös in angemessener Frist ein fremdes Erzeugnis einzukaufen. Durch ein solches Verhalten der Tauschteilnehmer wird der „vollkommene Tausch“ verhindert, es entsteht eine Tauschstörung und damit ungewollte Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise. Der „vollkommene Tausch“ bedingt eben, dass nicht nur das eigene Erzeugnis verkauft, sondern auch das fremde Erzeugnis gekauft wird. Unerheblich für den „vollkommenen Tausch“ bleibt es, dass der Verkäufer mit dem empfangenen Geld selbst Nachfrage nach fremden Waren hält. Es genügt, wenn er das Geld auf dem Kreditweg (z. B. über eine Bank) einem Dritten zum Ankauf von Gütern zur Verfügung stellt. Entscheidend ist nicht, wer kauft, sondern dass gekauft wird. Denn wenn der Verkäufer mit dem empfangenen Geld weder selbst kaufend auftritt noch es verleiht, dann verhindert er den „vollkommenen Tausch“, unterbricht den Geldumlauf und sperrt dadurch Arbeiter aus. Allgemeine Geldhortung in diesem Sinne muss daher notwendig zu einem Auseinanderklaffen von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage und damit zu ungewollter Arbeitslosigkeit führen. Ungewollte Arbeitslosigkeit ist also nur in der Geldwirtschaft denkbar.

Wie ist dieses Auseinanderklaffen zu vermeiden? Wie schaffen wir eine Wirtschaft des „vollkommenen Tausches“, die keine ungewollte Arbeitslosigkeit kennt? Die Planwirtschafter aller Schattierungen beabsichtigen dieses Ziel zu erreichen, indem sie der Marktwirtschaft mehr oder weniger den Garaus machen und an ihre Stelle die so genannte Bedarfsdeckungswirtschaft einführen. Anstatt dass der Käufer mit dem Geld in der Hand Nachfrage nach eigenem Bedürfnis und Geschmack hält, sollen irgendwelche bürokratische Stellen Erzeugung und Verbrauch regeln. Anstelle des Marktes tritt das Amt, anstelle der Triebkräfte der Wirtschaft der behördliche Zwang, um Erzeugung und Verbrauch gewaltsam in Übereinstimmung zu bringen.

Vom Standpunkt der modernen Wirtschaftswissenschaft sind solch einschneidende Eingriffe keineswegs nötig. Die wünschenswerte Übereinstimmung zwischen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage und damit auch zwischen Erzeugung und Verbrauch, lässt sich viel einfacher erzielen. Es ist nur erforderlich, dem Geld seine heutige Hortbarkeit zu nehmen, d. h. das Geldstreikmonopol zu brechen. Ein solches nicht hortbares Geld erfüllt die erste Forderung, die man an ein ideales Geld stellen muss: Es läuft um! Läuft es aber um, dann kommt es zu allen Arbeitswilligen. Die Gesamtnachfrage wird durch ein unhortbares Geld und durch geeignete sonstige Maßnahmen dauernd dem Gesamtangebot angepasst, mit dem Ziel einer Vollbetriebswirtschaft. Bei dieser Form der Abhilfe bleibt die Marktwirtschaft völlig intakt, ja sie wird dadurch erst zur Entfaltung all ihrer Möglichkeiten gelangen. Die Beseitigung des Geldstreikmonopols ist die erste Voraussetzung, um die Marktwirtschaft aus ihrem heutigen halbmonopolistischen Zustand zu befreien und in erstaunlicher Weise zu wandeln, ihr soziale Züge aufzuprägen und sie in eine echte Soziale Marktwirtschaft hinüberzuführen.

Der Vollbetrieb der Wirtschaft in einer freien Wettbewerbsordnung führt zu allgemeinem Wohlstand und sichert jedem Arbeitswilligen das Recht auf Arbeit, den vollen Arbeitsertrag und ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Freiheit. So wird es zum Beispiel dem Geldbesitzer nach wie vor freistehen, darüber zu entscheiden, was und wo er kauft und auch – mit Hilfe des Verleihs – wann er kauft. Er wird nur nicht mehr, so wie heute, darüber zu befinden haben, ob gekauft wird oder nicht. Indem man dem Geld die Hortbarkeit nimmt, wird erreicht, dass unter allen Umständen gekauft wird. Und damit ist der „vollkommene Tausch“, das heißt der für einen Wirtschaftsvollbetrieb erforderliche regelmäßige Geldumlauf gesichert.


Stefan Wehmeier, 18.02.2013