Donnerstag, 3. Januar 2013

Staatliche Erziehung



Die glänzenden Erfolge der staatlichen Erziehung des deutschen Volkes

Das deutsche Volk, so wie es heute dasteht, ist in der Staatskirche, Staatsschule, Staatsuniversität – lauter Vorschulen der Kaserne – dressiert worden. Alles, was wir heute an diesem deutschen Volk bewundern können, muss als ein Erzeugnis der staatlichen Erziehungskunst angesehen werden. Und zu bewundern finden wir gar Vieles. Die Unterwürfigkeit gegenüber den Vorgesetzten, das entsprechend barsche Benehmen gegenüber den Untergebenen, der Kadavergehorsam, die Disziplin, der Korpsgeist, der Parteigeist, die Standesehe, die erstaunliche Einseitigkeit und Phantasielosigkeit (Produkt der einheitlichen Schule), die Lasterhaftigkeit, die aus der Phantasielosigkeit erwächst, die erschreckende Bedürfnislosigkeit in wissenschaftlicher Beziehung, der hierzu gehörende Autoritätsglaube, der Mangel an Individualität, die Heuchelei, die ungeheure Feigheit des Individuums, über die schon Bismarck klagte und die nur durch den Heldenmut übertroffen wird, womit wir stets von den Spitzen unserer Behörden auf die phänomenalen Erfolge der militärischen Erziehung hingewiesen werden. (Das hier Gesagte gilt natürlich für alle Völker, die den Staatskultus betreiben.)

In welche Gefahr ein Volk geraten kann, wenn es systematisch zur Heuchelei, Ehrlosigkeit, Feigheit, mit anderen Worten zum Autoritätsglauben erzogen wird, das haben uns die Katastrophe von 1914 und die Inflation gezeigt. Von den 100 sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten, die bis dahin die Internationale verherrlicht hatten, muckte nur Karl Liebknecht, von den 10 Millionen Mann, die ausgehoben und in den sicheren Tod getrieben wurden, wagte nicht einer die Frage zu stellen, welchen Sinn dieser Krieg denn habe, und kaum ein paar Dutzend von den 10.000.000 Mann wagten es, getreu ihrer christlichen Einstellung, dem Hauptmann die Mordwerkzeuge vor die Füße zu werfen. Zehn Millionen Mann waren in den Staatskirchen von Staatspfaffen in die Lehre des Christentums eingeweiht worden, 10 Millionen Mann nannten sich öffentlich Christen, bezahlten sogar dafür, 10 Millionen Mann gaben 1914 zu erkennen, dass sie ihr Leben lang geheuchelt hatten. Ehrlos, feige, gemein.

Zu einem albanischen Regiment, das von einem preußischen Hauptmann dressiert werden sollte und aus lauter Analphabeten bestand, schlug einer aus der Reihe den Hauptmann, der ihn etwas unsanft berührt hatte, gleich vor versammelter Mannschaft nieder. Wenn wir in unseren 3000 Regimenten nur je einen solchen Kerl gehabt hätten, der Krieg wäre an der Empörung der Regimenter gleich von Anfang an zusammengebrochen.

Das deutsche Volk ist in die unsägliche Schmach gestürzt worden, weil die staatliche Erziehung den Typus des selbständig denkenden Menschen ausgerottet hat, statt ihn zu fördern. Es wird wohl kaum jemand in der Welt behaupten, dass das deutsche Volk unfähig sei, diesen Typus in der für die Sicherheit des Volkes nötigen Anzahl zu zeugen und zu gebären. Daran liegt es gewiss nicht. Aber die, die geboren werden, werden frühzeitig gekrümmt, nach dem Grundsatz: „Was ein Häkchen werden soll, krümme man beizeiten.“ Und die wenigen, die dann solchen pädagogischen Kunststücken entgehen, wandern als Anarchisten ins Gefängnis oder fliehen, angeekelt, ins Ausland. Und wenn es dann, wie 1914, zum Klappen kommt, dann folgt das Volk blindlings irgendeinem Narren, den die Gnade Gottes an die Spitze gestellt hat. Zwei Millionen Tote allein in Deutschland, 4 Millionen Verwundete, 132 Milliarden Goldmark an Reparationen, Zertrümmerung des wirtschaftlichen Apparates, allgemeine Verarmung, das sind die Erfolge der staatlichen Erziehungskunst, die das Individuum tötet und nichts anderes übrig lässt als Masse, Masse im Reichstag, Masse im Beamtenapparat, Masse bei den Richtern, Masse bei den Wissenschaftlern, Künstlern, Lehrern, Pfaffen, Masse, Masse.

„An den Früchten werdet ihr sie erkennen!“ Wie war es mit der Inflation? Hier treten die glänzenden Erfolge des staatlichen Bildungsmonopols ins volle Sonnenlicht. War es im Heerwesen individuelle Feigheit, die uns ins Unglück stürzte, so handelt es sich hier direkt um Massenblödsinn, Stumpfsinn, unglaubliche Gefühlsrohheit, Gedankenlosigkeit, Hilflosigkeit. Wie eine Herde Schafe, der der Wolf den Leithammel gewürgt hat, und die nun nicht mehr den Weg zum Stall findet, so benahm sich das auf den Staatsinstituten dressierte deutsche Volk. Jeder sah, dass die deutsche Währung von Narren geführt wurde, und wer es nicht sah, der spürte es wenigstens. Und trotzdem duldete das Volk zehn volle Jahre die Luderwirtschaft, ließ sich die Spargelder eskamotieren und unterwarf sich, ohne zu murren, den blödsinnigen wirtschaftlichen Verordnungen. … Alle erwarten von „Oben“ die Rettungsaktion. Der Autoritätsglaube saß so tief verankert, dass jeder ausgelacht wurde, der es versuchte, dem Volk Verständnis für die Währungsfrage beizubringen. Dafür seien ja die Herren Professoren an den Universitäten da! Wenn diese schwiegen, so sei dies der beste Beweis, dass alles in Ordnung sei in der Verwaltung unseres Geldwesens. Der Bürgersmann, der Arbeiter, der Demokrat, der Sozialdemokrat sei da für die Arbeit. Man könne von ihm nicht verlangen, dass er es besser wisse als die von ihm bestellten und bezahlten Behörden.

Unausrottbarer Autoritätsglaube. Noch heute erwartet das Volk alles Heil von der „Regierung“. Es lehnt es glatt ab, durch Studium der öffentlichen Angelegenheiten eine Kontrolle über die öffentlichen Angelegenheiten auszuüben. Schacht (Anmerkung: Hjalmar Schacht, von 1923 bis 1930 und 1933 bis 1939 deutscher Reichsbankpräsident und von 1934 bis 1937 Reichswirtschaftsminister) z. B. macht, was er will. Er treibt Tausende und Tausende von Kaufleuten in den Bankrott, er liefert bewusst zwei Millionen Mann dem Elend der Arbeitslosigkeit aus, er lässt das Volk völlig im Unklaren über seine künftige Politik. Macht nichts. Man gehorcht, keiner muckt. Wie auf dem Kasernenhof. Die staatlichen Erziehungsinstitute haben dafür gesorgt, dass niemand muckt. Wenn diesen Instituten als Ideal der Erziehung der Bürger mit beschränktem Untertanenverstand vorschwebte, dann wahrhaftig, hat man dort mit bewundernswertem Erfolg gearbeitet. Ausrottung des kritischen Sinnes, Ausrottung des Wissenstriebes, des Dranges nach Erkenntnis, des Bedürfnisses nach wissenschaftlicher Klarheit. Es gab eine Zeit, wo die Bürger evangelischer Konfession den Katholiken vorwarfen, dass sie den Verstand durch das Gemüt ersetzten. Wenn es aber einen Unterschied hier gibt, so ist er gewiss nicht auf dem hier erwähnten Gebiet zu finden.

„An den Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Eben sprachen wir vom Untertanenverstand. – Wie steht es mit dem Untertanengemüt? Auch hier wieder zeigte uns die Inflation, wie wenig die staatlichen Institute davon übrig gelassen haben. Das deutsche Volk weiß, wie es mit denen steht, die dem Staat das für ihr Alter, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit oft unsäglicher Mühe gesparte Geld anvertraut hatten. Man weiß es, denn man liest es alle Tage in den Zeitungen, dass die Greise, die Witwen, die Kranken aus Not sich erhängen und vergiften. Tatenlos, wohl nur wegen absoluter Gefühllosigkeit schaut das Volk diesen Ereignissen zu. Und während hier das schreckliche Elend herrscht, ist der Reichstag gewillt, den Fürsten riesige Vermögen in den Rachen zu werfen, und von den 40 Millionen Wählern, die zum Volksbegehr aufgerufen wurden, fanden sich nur 12 Millionen, also knapp ein Drittel, bereit, die dreisten, rohen, gefühllosen Forderungen der Fürsten zurückzuweisen. Zwölf von 40 Millionen, von je drei nur einer! Kann man sich eine größere Rohheit vorstellen?

Von je drei Mann sind in Deutschland zwei Mann bereit, zuzusehen, wie die Greise, denen die Fürsten und ihre Lakaien den Sparschatz unterschlugen, aus Not sich erhängen, während den fahnenflüchtigen Fürsten das Geld zur Bestreitung protzenhaften Luxus’ ausgehändigt wird! Das sind wahrhaftig glänzende Erfolge staatlicher Erziehungskunst. „Staat, du stinkendes Ungeheuer, geh mir aus dem Weg.“

Silvio Gesell, 1926


Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Dummheit des deutschen Volkes noch einmal auf ein bis dahin unvorstellbares Maß gesteigert. Und heute? Es hat sich nichts geändert! Von der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes wird die monokausale Ursache der „Finanzkrise“ (sowie aller anderen Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen), die systemische Ungerechtigkeit der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz, noch immer nicht wahrgenommen, und noch viel weniger will man (oder Frau) begreifen, dass es für diese „Mutter aller Zivilisationsprobleme“ keine wie auch immer geartete „politische Lösung“ gibt, sondern nur genau eine technische Lösung, die wiederum das, was bis heute als „hohe Politik“ bezeichnet wird, überflüssig macht:

Was ist Freiwirtschaft?

Die Freiwirtschaft ist eine menschliche Ordnung, die unter Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Arbeitsteilung keiner behördlichen Eingriffe bedarf, um sich in reibungs-losester Weise in Güterverbrauch und Gütererzeugung selbsttätig auszubalancieren, und die sich dabei auf den Eigennutz des Menschen als allgemeine, nie versagende Triebkraft stützt. Sie steht damit im denkbar schroffsten Gegensatz zum Kommunismus, der die Triebkräfte zur Überwindung der mit der Gütererzeugung verbundenen Mühsal in ausreichender Stärke in so genannten uneigennützigen, altruistischen Trieben vermutet.

In gleich schroffem Gegensatz steht die Freiwirtschaft auch zum Bürokratismus, der mit dem Sozialisten die Wirtschaft nach einem am grünen Tisch ausgearbeiteten Plan mit Hilfe eines Riesenheeres von ehrlichen, pflichttreuen, unbestechlichen, fleißigen, höflichen, menschlich empfindenden, gerecht denkenden, sich vor keinem Bonzen fürchtenden Beamten glaubt führen zu können. Als Freiwirtschaftler ist jeder zu betrachten, der an die Möglichkeit der freien, natürlichen Ordnung glaubt, sofern ihr die im heutigen Bodenrecht und Geldwesen liegenden Vorrechte und Hemmungen aus dem Wege geräumt werden, und der zur Erkenntnis gelangt ist, dass durch die mit „Freiland-Freigeld“ nachfolgend näher gekennzeichneten Reformen die genannten Vorrechte und Hemmungen beseitigt werden können und dass damit alle als Kapitalismus bezeichneten Nebenerscheinungen der heutigen so genannten Wirtschaftsordnung fallen müssen.

Freiland ist die Verwirklichung des Gedankens, dass jedem einzelnen Menschen die ganze Erde gehört. Freiland ist daher ein Teil der Erde, der in niemandes Eigentum steht, auch nicht im Eigentum eines Staates, Volkes oder anderer Zusammenfassungen von Menschen, und über den auch kein Staat Hoheitsrechte ausübt. Freiland ist ein Teil der Erde, dessen Erzeugnisse frei und ungehindert überall hingebracht werden können. Ohne Ausfuhrverbote, ohne Zölle oder ähnliche Benachteiligungen ist jeder Mensch der ganzen Erde in der Lage, sich die Erzeugnisse des Freilands durch Tausch zu eigen zu machen. Umgekehrt werden die Erzeugnisse der übrigen Welt frei in das Freiland hineingelassen (Freihandel).

Freiland ist Grund und Boden (Bergwerke, Seen usw.), den jeder Mensch der ganzen Welt dadurch, dass er in öffentlicher Pachtversteigerung für ihn die höchste Pacht bietet, in Nutznießung nehmen kann, ein Recht, in dem niemand durch Ein- und Auswanderungs-gesetze, durch Pass- oder andere Kontrollvorschriften (ausgenommen Quarantäne) beschränkt ist (Freizügigkeit). Freiland ist Grund und Boden, dessen Pacht gleichmäßig und restlos unter alle Mütter nach Zahl ihrer unmündigen Kinder verteilt wird.

Freigeld ist ein Geld, das mit einem Nennwertverlust belastet ist, der in bestimmten Zeitspannen eintritt und vom jeweiligen Besitzer des Geldzeichens zu tragen ist. Freigeld ist Geld, das von den einzelnen Staaten durch ein Währungsamt in der Weise verwaltet wird, dass der Warendurchschnittspreis (Index) immer derselbe bleibt.

In Übereinstimmung mit obigen Erklärungen und Forderungen kämpft der Freiwirtschaftler

gegen den Kapitalismus – für die Beseitigung aller Ausbeutungsmöglichkeiten;
gegen alle Monopole, auch solche organisatorischer Natur – für den freien Wettbewerb;
gegen Diebstahl und Schwindel – für das aus eigener Arbeit entstandene Eigentum;
gegen Monarchie, Demagogie, Plutokratie – für Herrschaftslosigkeit;
gegen Klassenherrschaft – für die Ausrottung des Klassenstaates;
gegen die Bürokratie – für den Abbau des Staates;
gegen alle behördliche Bevormundung – für die Selbstverantwortung;
gegen Staatsschule – für die vollkommene Privatisierung von Wissenschaft;
gegen jedes nationale Wirtschaftsgebiet – für die Schleifung der Zollgrenzen und für den freien Welthandel;
gegen alle Menschenopfer – für das Lebensglück des einzelnen Menschen;
gegen alle internationale Verhetzung – für den Bürger- und Völkerfrieden;
gegen alle Völkerrechte – für die Erklärung des Menschenrechts;
gegen den auf Völkerrecht sich stützenden Völkerbund – für einen Menschheitsbund d. h. für Gleichberechtigung aller, die Menschenantlitz tragen.

Silvio Gesell, 1924


Der erste Versuch zu einer menschenwürdigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg (der nicht hätte stattfinden müssen, wenn man früher auf Silvio Gesell gehört hätte) in der Bundesrepublik Deutschland unternommen. Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ stammt von dem Freiwirtschaftler Otto Lautenbach, der im Januar 1953 die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM) gründete. In enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard sollte erstmalig eine „freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ verwirklicht werden. Im Juli 1954 verstarb Otto Lautenbach, die ASM zerfiel im Streit (eine Organisation gleichen Namens existiert heute noch, sie verfügt aber über keinerlei makroökonomische Kompetenz mehr). Für die makroökonomische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde ein von der so genannten „katholischen Soziallehre“ beeinflusstes Konzept von Alfred Müller-Armack übernommen, eine „sozial gesteuerte Marktwirtschaft“ (kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem „Sozialstaat“), für die sich später der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ einbürgerte.

Es wurde übersehen, dass der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation, die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft), die Überwindung der Religion, den Erkenntnisprozess der Auferstehung, voraussetzt:



Stefan Wehmeier, 03.01.2013


1 Kommentar:

  1. So lange es noch einen Menschen auf diesem Planeten gibt, der sich diese ungeheure Vergleichs- und Analysearbeit aufbürdet, um vermutlich dafür anschließend aus allen Richtungen und Lagern mehr Ignoranz und Schlimmeres zu ernten als Dank,
    so lange lohnt es sich zu leben.
    Das ist kein Aprilscherz.

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