Samstag, 14. Januar 2012

2012

Weltuntergang oder Gelduntergang?

Die folgende Graphik zeigt die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von 1951 bis 2011:



Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass das relative Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorjahr über den gesamten Zeitraum hinweg abfällt, von anfänglich bis zu 10% pro Jahr bis nur noch knapp über Null, als gegenwärtig zu erwarten in diesem Jahr. Diesem längerfristigen Abwärtstrend sind periodische Konjunkturschwankungen überlagert, die in den Jahren 1967 („Rezession“), 1975 („1. Ölkrise“), 1982 („2. Ölkrise“), 1994 („Rezession“), 2003 („Zusammenbruch New Economy“) und 2009 („Finanzkrise“) zu einer kurzfristigen Schrumpfung des BIP führten. Dynamisch betrachtet zeigt der längerfristige Abwärtstrend eine Abschwächung, während die periodischen Konjunkturschwankungen an Heftigkeit zunehmen: In den ersten Perioden blieb die Schrumpfung unter -1%; in der „Finanzkrise“ erreichte sie fast -5%.

Was ist 2012 zu erwarten? Dass es bei der Schätzung von "minus 0,1 Prozent bis plus 1,2 Prozent" nicht bleiben wird, sondern die Erwartungen in den nächsten Monaten nach unten korrigiert werden, ergibt sich bereits aus der obigen Graphik und den Erfahrungen zu Beginn des Jahres 2009. Die „Finanzkrise“ wurde in „Staatsschuldenkrise“ umbenannt; darüber hinaus hat die hohe Politik nichts unternommen, um die Krise zu beenden. Dass wir nicht schon längst in Chaos und Zerstörung versunken sind, ist allein den staatlichen „Konjunkturpaketen“ und deren kurzfristige Nachwirkungen zu verdanken, die aber inzwischen verpufft sind, ohne langfristig positive Wirkungen hinterlassen zu haben. Die einzige langfristige Auswirkung ist ein überproportionaler Anstieg der Staatsverschuldung, der von 2009 bis 2010 mit fast 23% in nur einem Jahr deutlich größer war, als in dem Fünfjahreszeitraum davor:




Tatsächlich konnte sich die deutsche Volkswirtschaft immer nur durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung von einem Konjunkturzyklus zum nächsten hangeln! Das gilt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für alle Volkswirtschaften seit dem 2. Weltkrieg. Über dieses als „deficit spending“ bezeichnete Prinzip, welches der „Jahrhundertökonom“ John Maynard Keynes 1935 in seiner „General Theory of Employment, Interest and Money“ („Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“, 1936) vorschlug, ist die hohe Politik des 21. Jahrhunderts noch nicht hinaus. Mit anderen Worten: Außer Schulden machen, haben „etablierte Politiker“ noch nicht viel gelernt!

Dabei wird geflissentlich übersehen, dass die Staatsverschuldung nur einen Teil der Gesamtverschuldung ausmacht, der auf der Kehrseite der Medaille Geldvermögen in mindestens spiegelbildlicher Höhe gegenüberstehen. Es ist prinzipiell unmöglich, die Verschuldung zu begrenzen und gleichzeitig die Vermögen anwachsen zu lassen:


Alles gesparte Geld muss über Kredite zurück in den Geldkreislauf gelangen, anderenfalls bricht die Volkswirtschaft zusammen. Weil aber die Geldvermögen, die sich bei nur wenigen Prozent der Bevölkerung konzentrieren, durch Zins und Zinseszins anwachsen, muss auch die Gesamtverschuldung exponentiell wachsen. Und da der mittelständischen Privatwirtschaft die Schulden bereits „Oberkante Unterlippe“ stehen, muss sich der Staat weiter verschulden, um den Geldkreislauf aufrechtzuerhalten. Wer ernsthaft an eine staatliche „Schuldenbremse“ glaubt, leidet an Realitätsverlust. Eine Reduzierung der Verschuldung bedingt eine spiegelbildliche Reduzierung der Geldvermögen! Sozialistische Bestrebungen, dies durch eine so genannte „Vermögensteuer“ oder gar Zwangsenteignung zu erreichen, sind im 21. Jahrhundert nicht mehr als zivilisiert zu betrachten, abgesehen davon, dass sie nur eine drastische Symptombekämpfung darstellen und die Ursache des Problems gar nicht antasten. Und welcher leistungsbereite Mensch will in einem Staat leben, in dem das, was man sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, immer wieder enteignet wird, sobald es „Big Brother Staat“ nicht mehr in den Kram passt? Die freiheitliche Antwort auf das Problem der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz (Kapitalismus) formulierte der bedeutendste Ökonom der Neuzeit, Silvio Gesell, mit den folgenden Worten:

„Das Geld schafft das Proletariat, nicht weil die Zinslasten das Volk um Hab und Gut bringen, sondern weil es das Volk gewaltsam daran hindert, sich Hab und Gut zu schaffen.“

Bevor wir verstehen können, was damit gemeint ist, machen wir uns erst einmal bewusst, was höchstwahrscheinlich noch in diesem Jahr passieren wird, wenn es nicht gelingt, den exponentiellen Anstieg der Geldvermögen und damit auch der Verschuldung auf friedlichem Wege zu reduzieren. Entscheidend dafür ist das „Vertrauen der Anleger“, welches im Jahr 2009 wenigstens noch in die Staatsanleihen aller führenden Industrienationen bestand, während heute – nach exzessiver Staatsverschuldung in den letzten drei Jahren – nur noch ganz wenigen Staaten ein gewisses Restvertrauen in die mögliche Rückzahlung der Kredite entgegengebracht wird. Deutschland könnte mit letzter Kraft vielleicht noch weitere staatliche „Konjunkturpakete“ in die Wege leiten, aber der „Rest“ von Europa ist dazu nicht mehr in der Lage. Und was hilft es der deutschen Wirtschaft, wenn ihre Exportgüter, von denen ein Großteil in der EU verkauft werden, nicht bezahlt werden können? Davon abgesehen, ist ein Großteil der in letzter Zeit exportierten Güter bis heute nicht bezahlt. Zu erkennen ist das an dem "Target-2-Saldo" der EZB gegenüber der Deutschen Bundesbank auf der einen Seite, und gegenüber den Zentralbanken der schwächeren Mitgliedsstaaten der EU auf der anderen Seite. Auch wenn die Rechnungen der einzelnen Unternehmen bezahlt sein mögen, haftet damit letztlich der deutsche Steuerzahler für die eigenen Exportgüter, solange der Saldo von 465 Milliarden € (aktueller Stand 08/2012: 751 Milliarden €) nicht ausgeglichen ist! Weitere staatliche „Konjunkturpakete“ sind also ausgeschlossen oder könnten in keinem Fall zu einem weiteren Konjunkturzyklus führen. Das heißt, wir befinden uns gegenwärtig am Ende des absolut letzten Konjunkturzyklus!

Was kommt danach?

Der Weltuntergang.

Das erscheint zunächst als ein negativer Ausblick, der jedoch positiv zu werten ist, denn erst wenn der allgemeine Glaube an das (noch) bestehende, kapitalistische System endgültig verloren geht, besteht überhaupt die Chance für einen Neuanfang! Allerdings muss die Phase des bevorstehenden globalen Zusammenbruchs konstruktiv genutzt werden. Ist die Weltwirtschaft erst einmal vollständig zusammengebrochen, wird der Schaden irreversibel. Über 90% aller heute auf diesem Planeten lebenden Menschen müssten innerhalb kurzer Zeit verhungern, und aus den Zivilisationstrümmern würde keine neue Zivilisation entstehen können, denn je höher man auf der Stufenleiter der Arbeitsteilung nach oben kommt ohne eine stabile Makroökonomie, desto tiefer ist der Fall: Der überlebende „Rest“ der Menschheit wäre wieder in der Steinzeit gelandet und müsste die gesamte bisherige kulturelle Entwicklung noch einmal durchlaufen.

Damit kommen wir zurück auf die Weisheit von Silvio Gesell: Der Kapitalismus lässt sich nicht beseitigen, indem „der Staat“ den Reichen etwas wegnimmt („Auge um Auge, Zahn um Zahn“), sondern indem er ausnahmslos allen arbeitswilligen Menschen, die bisher am marktwirtschaftlichen Wettbewerb gehindert oder von ihm ausgeschlossen waren, es durch geeignete wirtschaftliche Rahmenbedingungen ermöglicht, den Reichen Konkurrenz zu machen („…wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.“)!

Leistungslose Kapitaleinkommen auf Kosten der Mehrarbeit anderer (Zinsen, Renditen und private Bodenrenten) können nicht „besteuert“ werden (Das führt lediglich zu einem Anstieg des Kapitalmarktzinses, bis die bereits „versteuerten“ Kapitaleinkommen wieder genauso groß sind, wie zuvor die unversteuerten!), sondern sie dürfen gar nicht erst entstehen und müssen sich durch vollkommenen marktwirtschaftlichen Wettbewerb (monopolfreie Marktwirtschaft) immer wieder eigendynamisch auf Null regeln! Genau das hatte auch Ludwig Erhard im Sinn, nur wusste er selbst nicht genau, wie dieses große Ziel zu erreichen ist. Deshalb arbeitete er mit kompetenten Beratern zusammen, die die Bezeichnung „Wirtschaftsexperten“ noch verdienten:

Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ stammt von dem Freiwirtschaftler Otto Lautenbach, der im Januar 1953 die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM) gründete. In enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard sollte erstmalig eine „freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ verwirklicht werden. Im Juli 1954 verstarb Otto Lautenbach, die ASM zerfiel im Streit (eine Organisation gleichen Namens existiert heute noch, sie verfügt aber über keinerlei makroökonomische Kompetenz mehr). Für die makroökonomische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde ein von der so genannten „katholischen Soziallehre“ beeinflusstes Konzept von Alfred Müller-Armack übernommen, eine „sozial gesteuerte Marktwirtschaft“ (kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem „Sozialstaat“), für die sich später der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ einbürgerte.

Damit es nicht nur für Deutschland wieder eine Zukunft gibt, müssen wir nichts weiter tun, als das nachzuholen, was in den 1950er Jahren versäumt wurde:

www.deweles.de/files/soziale_marktwirtschaft.pdf 

Die echte Soziale Marktwirtschaft ist nichts anderes als die Natürliche Wirtschaftsordnung, die Silvio Gesell bereits 1916 vollständig und widerspruchsfrei beschrieben hatte. Warum ist diese einzige Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens bis heute nicht verwirklicht? Fragen Sie die „heilige katholische Kirche“:

www.deweles.de/files/himmel_auf_erden.pdf 


Stefan Wehmeier, 13. Januar 2012

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