Sonntag, 13. Oktober 2013

Glaube Aberglaube Unglaube



„Ich bin ein Gegner der Religion. Sie lehrt uns, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen.“

Richard Dawkins (Der Gotteswahn)

„Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde! Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.“

Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra.

Naturwissenschaftler lassen sich eher von der Religion beeinflussen als Philosophen. Das gilt zumindest für solche Philosophen, die in die richtige Richtung denken bzw. dachten. Ganz falsch ist nämlich die Annahme, Religion hätte irgendetwas mit Naturwissenschaft zu tun. Es sollte auch für den Laien offensichtlich sein, dass die Religion die kulturelle und eben nicht die biologische Evolution des Menschen beeinflusst hat. Aus diesem Grund hat sich der Evolutionsbiologe Dawkins mit seinem „Gotteswahn“ nur noch tiefer in die religiöse Verblendung geritten, während es dem Philosophen Nietzsche gelang, sich bereits ein Stück weit daraus zu befreien, indem er auf geniale Art und Weise einen fiktiven Propheten Zarathustra erschuf, der sich über Gott erhoben hatte.

Es ist ein faszinierender Gedanke, sich über Gott zu erheben; ein Gedanke, der einem kirchen- und staatsgläubigen Menschen (Untertan) gar nicht erst in den Sinn kommt; ein Gedanke, von dem aber auch der Science-Fiction-Autor und Futurologe Arthur C. Clarke inspiriert war, als er zusammen mit dem Regisseur Stanley Kubrick das Drehbuch zu „2001“ verfasste und damit die Überlegungen Nietzsches in die Moderne transferierte. Die im Film gezeigten Technologien wurden bis heute nicht verwirklicht – hätten aber verwirklicht werden können, wenn es ab 1968 gelungen wäre, die Religion zu überwinden!

„Mächtiger als Gott“ zu werden, bedeutet nicht, dass einige „Übermenschen“ über den Menschen herrschen. Das ist eine naive Phantasie von Untertanen, die sich in ihrer Machtlosigkeit nichts Besseres vorstellen können, als auch einmal in den zweifelhaften Genuss der Machtausübung über andere Menschen zu gelangen. Sich über Gott zu erheben bedeutet im Gegenteil, die Macht von Menschen über andere Menschen ganz zu beseitigen und damit dem Übermenschen (d. h., dem nun vollständig zivilisierten Menschen) eine ungeahnte Macht über Dinge zu verleihen; eine Macht, die es dem eigenverantwortlichen Kulturmenschen überhaupt erst ermöglicht, nicht nur im Zusammenleben, sondern auch mit der Natur eine vollkommene Harmonie zu erreichen.

Der gläubige Untertan, dessen Hauptsorge es ist, ein Untertan zu bleiben, wird sofort versuchen, dem zu widersprechen, weil er an eine „Moral“ glaubt, an einen Sieg des „Guten“ über das „Böse“. Doch was ist schon eine „Moral“ (unabhängig davon, ob manche sie „Ethik“ nennen) gegen das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz, die endgültige Lösung der Sozialen Frage? Die erstmalige Erkenntnis, wie eine ideale Zivilgesellschaft, in der es automatisch das Beste für alle bedeutet, wenn der Einzelne nur das Beste für sich anstrebt, technisch zu verwirklichen ist – und nichts anderes -, machte den Propheten Jesus von Nazareth zur berühmtesten Persönlichkeit der Welt, auf der bis heute die planetare Zeitrechnung basiert:

(NHC III,5) Der Herr sagte: "Ihr habt alle Dinge verstanden, die ich euch gesagt habe, und ihr habt sie im Glauben angenommen. Wenn ihr sie erkannt habt, dann sind sie die Eurigen. Wenn nicht, dann sind sie nicht die Eurigen."

Wir sollen Jesus also nicht anbeten, sondern ihn – bzw. seine Erkenntnis – verstehen: Wahre Nächstenliebe ist nicht irgendeine „Moral“, sondern das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz! Und „der Herr“ war Jesus für die Urchristen (Gnostiker = Wissende) nicht, weil er etwa aufgrund einer „höheren göttlichen Moral“ Macht über sie hatte (die Macht hatten Geisteszwerge, die sich „Römische Kaiser“ nannten), sondern weil er über ein einzigartiges Wissen verfügte, das einige Wenige in Ansätzen, aber noch niemand ganz verstehen konnte. Für Moralverkäufer ist wahre Nächstenliebe aber eine Horrorvorstellung, denn dann wird die „Moral“ so überflüssig wie eine Taschenlampe (damals noch eine Kerze) bei Sonnenschein. Also hatte die „heilige katholische Kirche“, die sich die „Bildzeitung der Antike“ (die vier biblischen Evangelien) zu ihrem „Neuen Testament“ erkoren und Jesus zum „Gottessohn“ gestempelt hatte, nachdem sie im Jahr 325 zur römischen Staatsreligion geworden war, erst einmal nichts anderes im Sinn, als die originale Heilige Schrift des Urchristentums (Gnosis = Wissen) zu verbrennen und alle Gelehrten, die die Schriften gelesen hatten, zu ermorden. Die römische Armee unterhielt eine Spezialeinheit, um diese „Häresie“ (Gotteslästerung) auszumerzen. Etwas in dieser Art kommt immer dabei heraus, wenn in den naiven Kategorien „gut“ und „böse“ gedacht, bzw. zu denken versucht wird.

Jesus von Nazareth war jener Prophet, der sich als erster Denker über Gott erheben konnte, und den der Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Epos „Also sprach Zarathustra“ erst wieder neu erfinden musste, weil die „Bildzeitung der Antike“ (die Bildzeitung möge mir verzeihen) nur noch Unsinn über ihn verbreitet. Das Genie, wenn auch zum „Gottessohn“ erhoben, wurde von der Kirche zu einem moralisierenden Wanderprediger degradiert. Denn die Kirchenväter suchten sich zielsicher jene Schriften heraus, die sich am besten zum Moralverkauf eigneten, und erklärten alles andere für „Häresie“. Der Katholizismus ist darum nichts weiter als ein Cargo-Kult, wobei es sich beim „Cargo“ noch nicht einmal um eine originale Heilige Schrift, sondern eben um die „Bildzeitung der Antike“ handelt, die nur noch gegenständlich-naive Fehlinterpretationen der originalen Gleichnisse sowie abstruse Dichtungen enthält. Alle, die sich heute „Christen“ nennen, leben in diesem Cargo-Kult – und haben somit kein Recht, sich über irgendwelche Buschmänner lustig zu machen, die eine aus einem Flugzeug gefallene Coca-Cola-Flasche für ein „Zeichen der Götter“ halten.

Die Erkenntnis des Jesus von Nazareth wäre für immer verloren gewesen, wären nicht durch einen glücklichen Zufall im Jahr 1945 die „Heiligen Schriften von Nag Hammadi“ (wieder)-gefunden worden, die im Nachhinein betrachtet darum als wertvollster archäologischer Fund aller Zeiten anzusehen sind, und in denen im Kodex III auch das obige Zitat im so genannten „Dialog des Erlösers“ zu finden ist. Wie das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz zu verwirklichen ist, findet sich im Kodex II in den 114 Logien des Thomas-Evangeliums, welches als einziges Evangelium – zu Recht – von sich behauptet, die authentischen Worte des berühmten Propheten zu beinhalten: „Dies sind die geheimen Worte, die der lebendige Jesus sagte; Didymos Judas Thomas hat sie aufgeschrieben.“ Dennoch hat es bis 2007 gedauert, die Logien (logische Gleichnisse) zu entschlüsseln. Das ist damit zu erklären, dass alle, die sich bis dahin „wissenschaftlich“ damit befasst hatten, voreingenommen waren, d. h., sie haben Jesus für einen moralisierenden Wanderprediger gehalten, sodass sie mit den Gleichnissen nichts anfangen konnten. Die echte Lösung der Sozialen Frage war diesen „Wissenschaftlern“ gänzlich unbekannt. Schlimmstenfalls wurde von einigen versucht, aus Jesus eine Art „Che Guevara der Antike“ zu machen. Ein „guter Kommunist“ darf aber nicht eigennützig sein und hat sich nur um das Gemeinwohl zu kümmern, was natürlich nicht funktioniert. Eine zentralistische Planwirtschaft (das vorantike Ägypten der Pharaonen war eine solche) ist das Gegenteil von Zivilisation und in Wahrheit nichts anderes als Staatskapitalismus, die schlimmste Form der Ausbeutung und das Ende jeder persönlichen Freiheit. Schon zu Lebzeiten des Jesus von Nazareth galt für die Israeliten die Kultur des vorantiken Ägypten als seit über einem Jahrtausend veraltet. Der Unsinn des Marxismus (es soll sogar heute noch welche geben, die an den „Arbeiter- und Bauernstaat“ glauben) ist also nichts weiter als eine „Rückkehr nach Ägypten“. Wir wollen aber in die andere Richtung!

Was im absoluten Gegensatz zu einer zentralistischen Planwirtschaft eine wahre Zivilisation sein soll, findet sich im ersten Buch Mose ab Genesis_2,4b als „Paradies“, und die Ursache, warum die wahre Zivilisation bis heute nicht verwirklicht werden konnte, unter Genesis_3 als „Erbsünde“ mit genialen archetypischen Bildern und Metaphern exakt umschrieben. Der vom Mythos implizit beschriebene Gott Jahwe ist ein seit über drei Jahrtausenden im kollektiv Unbewussten der ganzen halbwegs zivilisierten Menschheit einprogrammierter, künstlicher Archetyp. Dieser macht es allen, die den Schöpfungsmythos zwar gehört oder gelesen, aber ihn nicht verstanden haben, praktisch unmöglich, über „diese Welt“ hinauszudenken. Im „Programm Genesis“, dem Betriebssystem der halbwegs zivilisierten Menschheit, hat der darum noch unbewusste Kulturmensch nur zwei Möglichkeiten: Er kann auf Kosten anderer existieren, oder andere werden auf seine Kosten existieren! Eine dritte Möglichkeit – die eigentliche Definition von Leben – ist im Programm nicht vorgesehen.

Wer die wirkliche Bedeutung der Erbsünde erkennt, die dem Kulturmenschen bis heute das wahre Leben in der wahren Zivilisation verwehrt, ohne bereits zu wissen, wie diese „Mutter aller Zivilisationsprobleme“ zu überwinden ist (zur Zeit des „Auszugs der Israeliten aus Ägypten“ stand dieses Wissen noch nicht zur Verfügung), muss buchstäblich „vom Glauben abfallen“ und kann mit „dieser Welt“ nichts mehr anfangen! Das – und nichts anderes – ist der eigentliche Zweck der Religion, der Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe: das Ausblenden der Erbsünde aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes, damit das, was wir heute „moderne Zivilisation“ nennen, überhaupt entstehen konnte. Daher die Bezeichnung „Schöpfungsmythos“. Allerdings geht es nicht um eine „Schöpfung von Natur“ (das soll der Verblendete glauben, damit er die Erbsünde nicht erkennt), sondern um die Schöpfung von Kultur bzw. Zivilisation als Folge halbwegs entwickelter Arbeitsteilung. Denn kein vernünftiger – nicht religiös verblendeter – Mensch will in einer a priori ungerechten Welt leben, von der er weiß, dass ein nachhaltiges Wirtschaften unmöglich und der nächste Krieg systemnotwendigerweise unvermeidlich ist. Daher die naiven Vorstellungen von „gut“ und „böse“, damit der unbewusste Kulturmensch die zwangsläufigen Auswirkungen der Erbsünde (Massenarmut und Krieg sowie alle anderen Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen) als vermeintliche Auswirkungen einer „Sündhaftigkeit des Menschen“ interpretiert, die durch eine „Moral“ zu verbessern sein müsste. 

Die Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe nennt sich: „der geistige Tod“. Unabhängig von „Glaube“ (Cargo-Kult) oder „Unglaube“ (Ignoranz), sind also alle als geistig Tote (d. h. solche, die in einem Meer von Vorurteilen versunken sind und darum nicht mehr klar denken können) zu bezeichnen, die den elementaren Erkenntnisprozess der „Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion“ noch nicht durchlaufen haben. Die Verwirklichung des Prinzips Eigennutz = Gemeinnutz ist wiederum das, was die Menschheit von der systemischen Ungerechtigkeit der Erbsünde befreit!

Der wahre Glaube (d. h. der Glaube an die Erkenntnis des Jesus von Nazareth) ist also die Hoffnung, diesen Glauben eines Jüngsten Tages durch Wissen ersetzen zu können; der Aberglaube ist die Überheblichkeit, es „besser“ wissen zu wollen; und der Unglaube ist die Dummheit, nicht an die Erbsünde zu glauben, bevor sie überwunden ist.

Allen, die noch nicht wissen, was die Erbsünde ist, mögen die obigen Ausführungen sehr philosophisch erscheinen, um nicht zu sagen: „völlig von der Realität abgehoben.“ Tatsächlich steht aber der Menschheit das konkrete Wissen, wie das Prinzip Eigennutz = Gemeinnutz zu verwirklichen und damit die uralte Soziale Frage zu lösen ist, schon seit über einem Jahrhundert zur Verfügung, und zwar ganz unabhängig von der Heiligen Schrift. Beide Weltkriege hätten nicht stattfinden müssen! Allerdings wurde dieses Wissen bis heute von der Religion unterdrückt, sodass es immer nur von ganz Wenigen verstanden wurde und nie in die breite Öffentlichkeit gelangte, bzw. von dieser akzeptiert wurde, obwohl es „ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht“ – zumindest für ein Genie, das sich nicht zuerst über Gott erheben musste, um durch klares Denken zu erkennen, was absolute Gerechtigkeit ist. Aber es wäre wohl eine groteske Vorstellung, schon seit einem Jahrhundert in allgemeinem Wohlstand auf kaum noch vorstellbarem technologischem Niveau in einer sauberen Umwelt und selbstverständlichem Weltfrieden zu leben und erst heute die Feststellung zu machen: Hoppla, wir leben ja schon im „Himmel auf Erden“!

So verwundert es auch nicht, dass in einer Kritik im „Evangelischen Film-Beobachter“ 1968 die folgende dumme Bemerkung über das Meisterwerk „2001“ zu lesen war: „Beeinträchtigt wird sie („Stanley Kubricks Raumfahrtschau“) dadurch, daß die Autoren ihre Ideen nicht nur der Technik widmeten, sondern auch verworrener Anthropologie und Symbolik. Etwas zu langatmig, aber für Freunde des Genres sehenswert.“

Das ganze Ausmaß der Verworrenheit derer, denen der „liebe Gott“ ihren Restverstand völlig vernebelt hat, wird mit der Überwindung der Religion ersichtlich: Jüngstes Gericht


Stefan Wehmeier, 13.10.2013


Dienstag, 8. Oktober 2013

Cancel Program GENESIS



Die folgenden Weisheiten aus 3000-jähriger priesterlicher Erfahrung werden den Insassen des Programms zum Überleben dringend empfohlen:

01) Jeder Mensch ist sich selbst der Nächste.

02) Der Mensch sorgt sich um den Verlust seiner Habe – nicht seiner Tage.

03) Schmücke zuerst dich selbst, und dann erst schmücke die andern.

04) Lehre deine Zunge zu sagen: "Ich weiß nicht." Denn vielleicht ertappt man dich sonst bei einer Lüge und nagelt dich darauf fest.

05) Eine Lüge, die nicht mit einer Wahrheit anfängt, wird nicht geglaubt.

06) Wer den Kredit verliert, gleicht einem Toten.

07) Leih keinem etwas, der stärker ist als du; wenn du ihm geliehen hast, bist du verloren.

08) Es gibt kein Gutes, das nicht etwas Böses enthielte.

10) Anfangs ist der böse Trieb wie ein Vorbeigehender, dann wie ein Gast, und zuletzt Hausherr.

11) Die Seele braucht die Strafpredigt wie die Erde den Regen.

12) Der Krieg ist in den Augen jener gerechtfertigt, die durch ihn ihre Ziele erreichen.

13) Kommt einer, dich zu töten, so töte ihn zuvor.

14) Wenn du dich einer Stadt näherst, um gegen sie zu kämpfen, biete ihr zuvor den Frieden an.

15) Das Geld verantwortet alles. (Gemeint: Mit Geld kann man alles rechtfertigen.)

16) Der Reiche herrscht über den Armen.

17) Wer Geld in der Hand hat, hat die Überhand.

18) Gib für deine Kleider immer mehr aus als für dein Essen.

19) Armut im Hause ist schwerer zu ertragen als fünfzig Hiebe.

20) Der Arme hat keinen Freund.

21) Das Volk Israel bleibt das Volk Israel, auch wenn es gesündigt hat.

22) Niemals soll einer aus der Gemeinde ausscheiden.

23) Wer seine Zunge hütet, hütet sein Leben.

24) Höre viel und sprich wenig.

25) Brauch bricht Gesetz.

26) Weh dem, der im Recht ist!

27) Geld löst alle Probleme.

28) Für Geld hat man diese und jene Welt.

29) Silber und Gold machen Bastarde ohne Makel.

30) Auf drei Sachen steht die Welt: auf Geld, auf Geld und auf Geld.

31) Der Reiche hat überall die maßgebliche Meinung.

32) Geld heilt alle Plagen.

33) Wenn Gott einem das Geld nimmt, nimmt er ihm auch den Verstand.

34) Ein Armer gleicht einem Toten.

35) Aus demselben Holz macht man eine Schaufel und ein Kruzifix.

36) Ein Geschwür ist eine gute Sache – unter dem Arm eines andern.

37) Von Unbestechlichkeit wird man nicht reich.

38) Ehrlich ist beschwerlich.

39) Wer einen Dieb bestiehlt, geht straflos aus.

40) Frag den Feind um Rat – und tu das Gegenteil.

41) Die beste Ware der Welt ist Bargeld.

42) Der Heilige erwirbt sich viel leichter die Hölle als der Böse das Paradies.

43) "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde": von der Zeit an sitzt der Reiche im Himmel und der Arme liegt auf der Erde.

44) Ein Jude wird ein Buch eher schreiben als kaufen.

45) Ein Nichtjude ist klein, wenn er klein ist, und groß, wenn er groß ist. Bei einem Juden ist es umgekehrt.

46) Mit der Wahrheit hat noch keiner die Welt erobert.

47) Er neigt sich zur Erde, darum tritt man ihn auf den Kopf.

48) Die eigene Schande verdeckt man am besten mit Frechheit.

49) Es gibt kein Tor, das sich einem goldbeladenen Esel nicht öffnen würde.

50) Viel Verstand macht alt, viel Geld jung.

51) Ein Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben.

52) Ein Huhn ist gut zu zweit zu essen – ich und das Huhn.

Quellen: ISBN 978-3548234922 und 978-3921695838


Ja, so sind sie wirklich, die Bewohner dieses kleinen blauen Planeten am Rande der Galaxis, und zwar nicht nur die jüdischen, sondern alle. Die verschiedenen so genannten Religionen (es hat auf dem Planeten früher ein paar Christen gegeben, die aber von den Katholiken, die sich heute "Christen" nennen, wieder vernichtet wurden) unterscheiden sich lediglich im Grad ihrer Verlogenheit, wobei die jüdischen Bewohner noch die ehrlichsten sind, weshalb wir deren Weisheiten hier betrachten wollen (die frauenfeindlichen Weisheiten wurden herausgenommen, um keinen allzu schlechten Eindruck zu hinterlassen), damit wir die halbwegs zivilisierte Menschheit in ihrem beginnenden 21. Jahrhundert charakterisieren können. Selbstverständlich gilt im bereits zivilisierten Bereich der Galaxis die Doktrin der Nichteinmischung in noch unterzivilisierte Kulturen, sodass wir abwarten müssen, bis es der Menschheit gelingt, das selbst für ihre primitiven Verhältnisse längst veraltete "Programm Genesis" zu löschen, bevor sie sich selbst auslöscht. Wie uns allen aus schmerzlicher Erinnerung an die graue Vorzeit noch bekannt sein dürfte, hat jeder Insasse dieses verflixten Programms nur die Möglichkeit, auf Kosten anderer zu existieren (Zinsgewinner), damit andere nicht auf seine Kosten existieren (Zinsverlierer), womit sich diese so genannten Weisheiten eigentlich von selbst erklären – immer natürlich unter der Voraussetzung, dass auf diesem Planeten die richtige Musik gehört wird:


Sind die Basis allen menschlichen Zusammenlebens (die Makroökonomie, insbesondere die Bodenordnung) und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung (das Geld) fehlerhaft, ist alles fehlerhaft, was das menschliche Zusammenleben im weitesten Sinne betrifft. Angebot und Nachfrage sind nicht im Gleichgewicht, es entstehen Konjunkturen und Krisen, systemische Ungerechtigkeit, der Zwang zur Lüge, Bürger- und Völkerkriege, Umweltverschmutzung und -zerstörung, Terrorismus, Kriminalität, materielle und geistige Massenarmut, Fehlernährung – bis hin zur genetischen Degeneration.

Was Zivilisation sein soll, findet sich ab Genesis_2,4b als "Paradies", und die Ursache, warum die Menschheit bis heute nicht zivilisiert ist, unter Genesis_3 als "Erbsünde" mit genialen archetypischen Bildern und Metaphern exakt umschrieben. Der in "diese Welt" Hineingeborene hält die Gesellschaft für "normal" (solange er keine echte prophetische Musik hört, bleibt ihm ja nichts anderes übrig) und erkennt die zahlreichen Negativsymptome der "Mutter aller Zivilisationsprobleme" nicht als deren zwangsläufige Folgen, sondern interpretiert sie als vermeintliche Folgen einer "Boshaftigkeit des Menschen" – die wiederum durch eine "Moral" zu verbessern sein müsste.

Die irrationalen, jedoch vom "Normalbürger" als "vernünftig" (auch hier bleibt ihm ja nichts anderes übrig, solange er keine echte prophetische Musik hört) gedachten Moralvorstellungen bestimmen die Entwicklung von Kulturen über Jahrhunderte und Jahrtausende und führen letztlich dazu, dass die wahre Zivilisation nicht nur allgemein unverstanden bleibt, obwohl sie nach dem tatsächlichen Stand des Wissens längst verwirklicht sein müsste, sondern die "Moral" von der "etablierten Wissenschaft" sogar als "entscheidender Vorteil" des Menschen in der gesamten Evolution angesehen wird.

Unterstützt wird die "Moral" von der Religion, deren ursprünglicher Zweck es war, die Erbsünde – solange noch niemand wusste, wie sie zu überwinden ist – aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes auszublenden, damit das, was heute "moderne Zivilisation" genannt wird, überhaupt entstehen konnte; denn kein vernünftiger – nicht religiös verblendeter – Mensch wäre dazu bereit, in einer a priori fehlerhaften Arbeitsteilung zu arbeiten, wenn er weiß, dass ein nachhaltiges Wirtschaften unmöglich und der nächste Krieg systemnotwendigerweise unvermeidlich ist.

Damit wurde der Krieg zum "Vater aller Dinge", was er jedoch nur solange sein konnte, wie es noch keine Atomwaffen gab! Das heißt nun nicht, dass ein "Frieden durch ultimative Abschreckung" möglich wäre. Um die ganze "moderne Zivilisation" – von einem Tag auf den anderen – auszulöschen, ist es nicht erforderlich, dass irgendein wahnsinniger Präsident den "roten Knopf" betätigt – es reicht schon aus, wenn die Menschheit gar nichts macht.

In der Heiligen Schrift heißt das Ende der Arbeitsteilung "Armageddon"; die Untertanen haben irgendwas von "Finanzkrise" gehört; und wer etwas von Makroökonomie versteht (in Verdummungsanstalten indoktrinierte "Wirtschaftsexperten" und vom kollektiv Unbewussten gewählte "Spitzenpolitiker" gehören nicht dazu), nennt diese größte anzunehmende Katastrophe der Weltkulturgeschichte - nach J. M. Keynes - globale Liquiditätsfalle:



"Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen."

Friedrich Schiller

Das Fatale an der Religion ist, dass sie verstandesmäßig nur von Einzelnen durchschaut wird, während die Mehrheit (oder die Masse nach Le Bon) in religiöser Verblendung verbleibt – bis es nicht mehr anders geht. Die Religion ist ein System, eine Programmierung des kollektiv Unbewussten zum Erhalt von Machtstrukturen – oder, wenn man so will, einer primitiven Hackordnung -, solange noch keine absolute Marktgerechtigkeit besteht, die das negative Prinzip "Macht ausüben" durch das positive Prinzip "Kompetenz beweisen" ersetzt. Selbst wenn den religiös Verblendeten nicht nur einmal,…

(Jesus von Nazareth, ohne Garantie, weil – die Bildzeitung möge mir verzeihen – aus der "Bildzeitung der Antike" zitiert) "Ihr habt gehört, dass gesagt ist: "Auge um Auge, Zahn um Zahn." Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei." 

…sondern zweimal erklärt wird, was Gerechtigkeit ist,…

(aus "Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld", garantiert unwiderlegbar) "Man sagt es harmlos, wie man Selbstverständlichkeiten auszusprechen pflegt, dass der Besitz der Produktionsmittel dem Kapitalisten bei den Lohnverhandlungen den Arbeitern gegenüber unter allen Umständen ein Übergewicht verschaffen muss, dessen Ausdruck eben der Mehrwert oder Kapitalzins ist und immer sein wird. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, dass das heute auf Seiten des Besitzes liegende Übergewicht einfach dadurch auf die Besitzlosen (Arbeiter) übergehen kann, dass man den Besitzenden neben jedes Haus, jede Fabrik noch ein Haus, noch eine Fabrik baut."

…glauben sie noch immer an eine "Moral"…


…und können sich Eigennutz = Gemeinnutz (wahre Nächstenliebe) nicht vorstellen.


Eine Moral kann nur in einer dörflichen Urgemeinschaft wirksam sein, die aus nicht mehr als etwa 150 menschlichen Individuen bestehen darf, denn nur bis zu dieser Grenze können sich alle noch gegenseitig kennen. Wird die Gemeinschaft größer, weil die natürlichen Ressourcen (Nahrungsangebot) in der Umgebung das erlauben, fällt die Gemeinschaft in zwei benachbarte Gruppen auseinander, weil das menschliche Gehirn nicht in der Lage ist, die komplexen sozialen Verhaltensmuster von mehr als 150 Mitmenschen zu verarbeiten. Auf dieser Entwicklungsstufe (Urkommunismus) lebte der Homo sapiens über einen Zeitraum von etwa 150.000 Jahren, während die Arbeitsteilung – und damit auch die kulturelle Entwicklung – auf jeweils 150 Menschen beschränkt blieb.

Erst in den letzten – etwa 5 bis 10 – Jahrtausenden kam es zu einer nennenswerten Kulturentwicklung, nachdem der Mensch gelernt hatte, sich andere Menschen untertan zu machen. Dabei ist es allein eine Frage der Sichtweise, ob der Kulturmensch die Götter oder die Götter den Kulturmenschen erschufen, so wie es allein eine Frage der Sichtweise ist, ob der Homo sapiens die Werkzeuge oder die Werkzeuge den Homo sapiens erfanden. Beides bedingte sich gegenseitig, denn es ist nicht zu erwarten, dass dörfliche Urgemeinschaften, die noch aus Jägern und Sammlern bestehen, sich ab initio zur echten Sozialen Marktwirtschaft entwickeln können. Es sind Zwischenschritte erforderlich, in denen der Kulturmensch seine – wenn auch schmerzlichen – Erfahrungen sammeln muss, um eine funktionierende Arbeitsteilung nicht nur zwischen 150, sondern zwischen vielen tausend, vielen Millionen, einigen Milliarden Menschen aufzubauen. Begreiflicherweise wird das Zusammenleben dann nicht mehr von einer "Moral", sondern von den elementaren Regeln einer makroökonomischen Grundordnung, auf die sich alle einigen müssen, bestimmt.

Die kulturellen Zwischenschritte waren der Ursozialismus bzw. Staatskapitalismus (z. B. das vorantike Ägypten der Pharaonen oder die Maya in Südamerika) und nach dem "Auszug der Israeliten aus Ägypten", der Weiterentwicklung der menschlichen Kultur von der zentralistischen Planwirtschaft ohne liquides Geld zur freien Marktwirtschaft (Paradies) mit Geldkreislauf (Baum des Lebens), die kapitalistische Marktwirtschaft (Zinsgeld-Ökonomie), in der sich die halbwegs zivilisierte Menschheit bis heute aufhält. Für beide Zwischenschritte bedurfte es der Religion (Rückbindung auf künstliche Archetypen im kollektiv Unbewussten), um den Kulturmenschen jeweils "wahnsinnig genug" für das Unternehmen "Arbeitsteilung mit Konstruktionsfehlern" zu machen.

Das "Programm Genesis" holte den Kulturmenschen aus der unbewussten Sklaverei des Ursozialismus, ließ aber dem "Normalbürger" wiederum die systemische Ungerechtigkeit des Privatkapitalismus (Erbsünde), der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz, sowohl innerhalb der Nationalstaaten als auch zwischen den Staaten, nicht erkennen (er glaubt ja noch immer, Zinsen und Renditen müssten wohl auf "Apfelbäumchen" wachsen und nicht durch die Mehrarbeit anderer), sodass der Kulturmensch zwar halbwegs selbständig, aber auch zu einem selbstsüchtigen Raubtier wurde, das sich seine Freiheit auf Kosten anderer erbeutet. Das erkannte schon ein berühmter Philosoph, der sich für Volkswirtschaft nicht interessierte und noch weit davon entfernt war, die Programmierung auch seines eigenen Unterbewusstseins zu verstehen:


Für die Mehrheit wird das nutzlose Programm noch solange bestehen bleiben, bis nach dem altbewährten Prinzip "wer nicht hören will, muss fühlen" die reale Angst vor Armageddon insgesamt größer wird als die seit Jahrtausenden eingebildete Angst vor dem "Verlust" der Religion (die größte Sorge des Untertanen ist es, ein Untertan zu bleiben), während wenige mit Verstand gesegnete bereits wissen: Was ist schon der Glaube an einen "lieben Gott" (künstlicher Archetyp Jahwe = Investor) in einer verlogenen Welt, verglichen mit der Einsicht eines ehrlichen Kaufmanns, der eine ehrliche Welt beschreiben konnte:

(Silvio Gesell, Vorwort zur 3. Auflage der NWO, 1918) "Der Kurzsichtige ist selbstsüchtig, der Weitsichtige wird in der Regel bald einsehen, dass im Gedeihen des Ganzen der eigene Nutz am besten verankert ist."


Stefan Wehmeier, 08.10.2013


Dienstag, 1. Oktober 2013

Wohlstand für alle



„"Wohlstand für alle" und "Wohlstand durch Wettbewerb" gehören untrennbar zusammen; das erste Postulat kennzeichnet das Ziel, das zweite den Weg, der zu diesem Ziel führt.“

„Der Markt ist besser als der Staat.“

Ludwig Erhard

Auch wenn der angebliche „Vater der sozialen Marktwirtschaft“ (der echte war der Freiwirtschaftler Otto Lautenbach, der leider zu früh verstarb) nicht wusste, wie die echte Soziale Marktwirtschaft (nicht eine kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem „Sozialstaat“, sondern eine freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, die den Sozialstaat zur Finanzierung kapitalismusbedingter Massenarbeitslosigkeit gar nicht nötig hat, weil sie prinzipbedingt und unabhängig vom jeweiligen Stand der Technologie für natürliche Vollbeschäftigung sorgt) zu verwirklichen ist, kannte er immerhin den Weg…


…und das Ziel:


Dass die seitdem immer weiter auf dem Holzweg gewandelten „Spitzenpolitiker“ das längst verlorene Ziel heute aus eigener Kraft finden, kann ausgeschlossen werden; denn je höher die „gesellschaftliche Position“ in einer a priori fehlerhaften (kapitalistischen) Marktwirtschaft, desto geringer ist in der Regel das Begriffsvermögen des jeweiligen Patienten gegenüber dem eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation, der freien Marktwirtschaft (klassisch: Paradies) ohne Privatkapitalismus (klassisch: Erbsünde) - in der generell das negative Prinzip „Macht ausüben“ durch das positive Prinzip „Kompetenz beweisen“ ersetzt wird.

Wir sehen also, dass sich Machtausübung (über andere Menschen, nicht über Dinge) und Kompetenz gegenseitig ausschließen; und die klassischen Bedeutungen in den Klammern entlarven die Religion (Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor) als eine Institution zum Machterhalt – und damit zum Erhalt längst unnötiger Inkompetenz, die aus den Bewohnern dieses kleinen blauen Planeten das gemacht hat, was wir heute sind:

We made the mountains shake with laughter
As we played hiding in our corner of the world
Then we did the demon dance and rushed to nevermore
Threw away the key and locked the door

Oh they say that it's over
And it just had to be
Yes they say that it's over
We're lost children of the sea

Ja, liebe Kinder, echte prophetische Musik findet sich immer dort, wo die Moralverkäufer sie am wenigsten erwarten, denn was ist schon die „Moral“ gegen Eigennutz = Gemeinnutz (wahre Nächstenliebe):

„Heute, unter der Herrschaft der Monopole, widerstreitet die Betätigung des Eigennutzes oft genug dem gemeinen Wohl. Daher die gut gemeinten Ratschläge der Moralisten und Ethiker, den Eigennutz zu bekämpfen. Sie haben nicht begriffen, dass der Eigennutz an und für sich durchaus am Platze ist, und dass es nur einige rein technische Mängel unserer Wirtschaft sind, derentwegen der Eigennutz so häufig zu Ungerechtigkeiten führt. In einer monopolbefreiten Wirtschaft hingegen, in der es nur eine Art des Einkommens, den Lohn, geben wird, laufen Eigennutz und Gemeinnutz dauernd parallel. Je mehr die Einzelnen dann, ihrem Eigennutz gehorchend, arbeiten, umso besser werden sie den Interessen der Allgemeinheit dienen.
    Der heutige endlose Widerstreit zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen ist eine ganz zwangsläufige Folge des herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols. Eine von diesen beiden Monopolen befreite Wirtschaft entzieht diesem Widerstreit für immer die Grundlage, weil in ihr der Mensch aus Eigennutz stets so handeln wird, wie es das Gemeininteresse erfordert. Die seit Jahrtausenden von Religionsgründern, Religionslehrern, Philosophen, Moralisten usw. aufrecht erhaltene Lehre von der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur wegen ihrer Eigennützigkeit findet damit ein für allemal ihr Ende. Es ist keineswegs notwendig, dass wir, diesen Lehren folgend, uns durch Äonen hindurch abmühen, um uns selbst zu überwinden, um eines Tages vielleicht doch noch gemeinnützig zu werden – sondern wir können schon jetzt, heute, in dieser Stunde, die Verbrüderung der bisherigen Widersacher Eigennutz und Gemeinnutz vollziehen. Es ist dazu nicht erforderlich, dass wir den Menschen reformieren, es genügt vielmehr, wenn wir das fehlerhafte Menschenwerk, unser Geldwesen und Bodenrecht, ändern.“

Otto Valentin (Die Lösung der Sozialen Frage, 1952)

Wie können wir also glauben, dass die berühmteste Persönlichkeit der Welt, auf der bis heute die planetare Zeitrechnung basiert, nicht schon wusste, was wahre Nächstenliebe ist – doch bekanntlich reitet ja der zweite der vier apokalyptischen Reiter (galoppierende Gedanken) auf einem feuerroten und der dritte auf einem schwarzen Pferd (die Musik). Dass die Apokalypse (altgr.: „Enthüllung“) oft mit „Katastrophe“ verwechselt wird, ist aus der eingetrübten Sicht all jener verständlich, denen die Auflösung des Machterhalts ihre jeweilige „gesellschaftliche Position“ bzw. ihre nicht durch Kompetenz sondern in der Regel durch Lug und Betrug erschlichene Machtposition entzieht; daher die Bezeichnung Jüngstes Gericht.

Also werden wir mal erwachsen, indem wir erkennen, dass „die da oben“ nicht aus „bösem Willen“ handeln, sondern gar nicht wissen, was sie tun - und dass es die Aufgabe derer ist, die sich frühzeitig auf den Erkenntnisprozess der „Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion“ einlassen, diesen Patienten zu erklären, was sie tun sollen.

Um die freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus allen verständlich zu machen, habe ich eine hervorragende Schrift komplett überarbeitet und – ohne den Sinngehalt zu verändern – auf die heutige Zeit angepasst, die ursprünglich im Jahr 1916 unter dem Titel „Die Befreiung von der Geld- und Zins-Herrschaft“ erschien, verfasst von Georg Blumenthal, der als einer der ganz wenigen Zeitgenossen und Anhänger des Genies Silvio Gesell das Wesen des Geldes wirklich verstanden hatte und diese grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung mit einfachen und klaren Worten sehr gut beschreiben konnte.

Alle Textabschnitte, die sich auf den damals noch üblichen „Goldstandard“ beziehen, habe ist weggelassen, weil wenigstens dieser Unsinn heute nicht mehr behandelt werden muss, auch wenn die so genannte „Österreichische Schule der Nationalökonomie“ - die gedanklich irgendwo im erzkapitalistischen „Wilden Westen“ des 19. Jahrhunderts stecken geblieben ist und das für „Liberalismus“ hält - bis heute nicht begriffen hat, dass es einen „inneren Wert“ des Geldes nicht gibt, sondern es allein darauf ankommt, seine Kaufkraft zu stabilisieren, indem der regelmäßige Umlauf des Geldes unabhängig vom Zinsfuß gemacht wird (konstruktiv umlaufgesicherte Indexwährung). Ansonsten werden in der folgenden Schrift alle grundlegenden volkswirtschaftlichen Probleme, mit denen sich vom kollektiv Unbewussten gewählte „Spitzenpolitiker“ und indoktrinierte „Wirtschaftsexperten“ seit jeher vergeblich abmühen, logisch aus unserer a priori fehlerhaften Geldordnung heraus erklärt – und es werden die grundsätzlich geänderten Verhältnisse klar und deutlich beschrieben, sobald das Geld nicht mehr Ausbeutungs- und Spekulationsmittel, sondern reines Tauschmittel ist:


1a) Das Geld als Kulturfaktor

Geld und Zins! Gibt es ein trockeneres und nüchterneres Thema als dieses? Das Gebiet, auf das uns die nachfolgenden Untersuchungen führen, steht allgemein in dem Ruf, dass es keinerlei Spielraum für die Phantasie und das Gemüt bietet; nur verstandesgemäßes, folgerichtiges Denken hat hier Raum und kann zur Lösung der Fragen führen, die das Geld- und Zinsproblem uns stellt. Dass wir uns hier eine sozialpolitische Beleuchtung des bisher noch ziemlich dunklen Gebietes zur Aufgabe stellen, dürfte dazu beitragen, den eisigen Vernunfthauch, der von ihm ausgeht, etwas zu mildern. Die so nüchternen, nackten Tatsachen sollen hier in das wärmere Licht der sozialen Gerechtigkeit gerückt werden. Aber das anfangs erwähnte Urteil behält trotzdem eine gewisse Berechtigung, und dies ist wohl auch ein Grund, weshalb man bisher das Studium des Geld- und Zinsproblems so arg vernachlässigt hat.

Seit einiger Zeit ist dies anders geworden. Bedenkliche Erscheinungen, die sich seit Jahren bemerkbar machen, haben dahin gewirkt, dass sich nun auch diejenigen Kreise der Bevölkerung, denen sonst das Studium dieser Materie gänzlich fern liegt, in zunehmendem Maße mit den Fragen des Geldwesens beschäftigen. Man begreift allmählich, dass das Geldwesen eine überaus wichtige - ja, vielleicht die wichtigste - kulturelle Einrichtung ist, die wir haben. Man kann getrost und ohne Übertreibung sagen, dass das Geld der Träger aller materiellen Interessen des Kulturmenschen ist.

Wie so oft, ist auch hier der Volksmund der wissenschaftlichen Erkenntnis vorausgeeilt: „Geld regiert die Welt“ ist ein gebräuchliches Sprichwort unserer Zeit geworden, und man will dadurch die große Macht und Bedeutung des Geldes zum Ausdruck bringen. Und doch stößt man bei Unkundigen immer wieder auf Zweifel. Der naive Verstand sträubt sich zunächst dagegen, die Herrscherstellung des Geldes nicht nur in der Volkswirtschaft, sondern auch mit Bezugnahme auf unsere gesamte Kulturgestaltung, anzuerkennen. Welche übermächtigen Kräfte, so fragt sich zunächst jeder, können denn in diesen bedruckten Papierstückchen, die so geräuschlos ihre Dienste verrichten, stecken? Sicher, wenn wir diese Zettel in der Hand halten, so fühlen wir uns als Herren und können nach Belieben mit ihnen schalten und walten - wohl verstanden, wenn wir sie im Besitz haben. Ganz anders aber gestaltet sich die Sache, wenn sie uns fehlen; nicht nur, dass unser Selbstbewusstsein sofort erheblich herabgemindert wird, auch unsere lieben Mitmenschen sehen niemanden für voll an, von dem sie nur im geringsten ahnen, dass er nicht über ein gewisses Quantum dieser Zettel verfügt, mag er sonst auch der ehrenhafteste und wertvollste Mensch sein. Er ist in allem seinem Tun und Lassen, in allen seinen Unternehmungen gehemmt und beschränkt, sobald ihm das nötige Geld fehlt.

Wir sehen also hier schon, dass der Mensch und seine Geschicke in hohem Maße vom Geld abhängig sind. Wie es aber dem Einzelnen hinsichtlich des Geldes ergeht, so ergeht es auch ganzen Völkern. Aufstieg und Verfall ganzer Kulturepochen stehen in engsten Beziehungen zu ihrem jeweiligen Geldwesen. Es mangelt durchaus nicht an geschichtlichen Beweisen, dass z. B. das römische Weltreich in erster Linie an den Mängeln seines Geldwesens zugrunde ging.


Um die Macht und den ungeheuren Einfluss des Geldwesens auf die jeweilige Kulturgestaltung zu verstehen, müssen wir bedenken, dass das Geld die Voraussetzung der Arbeitsteilung und somit auch unserer hochentwickelten Technik ist. Wir müssen uns darüber klar sein, dass der größte Teil unserer heutigen Kulturvölker wiederum nur der Arbeitsteilung und der durch sie ermöglichten hohen Technik der Produktion und des Verkehrs überhaupt die Daseinsmöglichkeit verdankt. Ohne die Arbeitsteilung könnte z. B. das heutige Europa kaum den zehnten Teil seiner Bevölkerung ernähren, und auch dieser Rest würde nur ein kümmerliches und elendes Dasein gleich Wilden führen können. Denken wir uns also das Geldwesen und somit die Arbeitsteilung und die auf ihr beruhende hochentwickelte Technik hinweg, so wäre eine Katastrophe vorauszusehen, wie sie die Welt kaum jemals gesehen hat, und wenige Jahrzehnte würden bestimmt genügen, um die Überreste einst stolzer Kulturvölker um Jahrtausende zurück in die Barbarei zu schleudern.

Die so hochentwickelte Arbeitsteilung beruht eben nur auf der Austauschmöglichkeit der Waren, Produkte und Leistungen. Und diesen millionenfach verschlungenen Austausch vermittelt einzig und allein das Geld! In der Urproduktion, wo jedermann alle Dinge, die er für sein primitives Leben gebrauchte, selbst herstellte und auch selbst verbrauchte, bedurfte es keines Geldes. Aber bereits bei den ersten Kulturanfängen stoßen wir auch sofort auf irgendein mehr oder weniger entwickeltes Geldwesen, welches allerdings je nach Land und Leuten verschieden war.

1b) Das Geld als Tauschmittel

Die gewaltige Bedeutung des Geldes liegt im Wesen der Arbeitsteilung begründet. Die Arbeitsteilung unterscheidet sich von der Urproduktion vor allem dadurch, dass sie „Ware“ hervorbringt, d. h. Produkte und Güter, die eigens für den Austausch und den Handel (also für den „Markt“) erzeugt werden, ihren Herstellern selbst aber in der Regel nutzlos sind. Die Waren, welche durch die Arbeitsteilung hervorgebracht werden, dienen also den Produzenten nur als Mittel, um sich durch Austausch in den Besitz anderer Waren und Produkte zu bringen, die sie zum Leben gebrauchen, aber selbst nicht herstellen können. Denn in der Regel fehlen das Rohmaterial oder die nötigen Kenntnisse für den betreffenden Produktionszweig, und zudem sind sie in ihrem jeweiligen Spezialfach voll beschäftigt. Ebenso verlangt die Arbeitsteilung Teilarbeit und Leistungen, die denen, die sie tun, gleichfalls nichts nutzen können, sondern ebenfalls nur zur Erlangung all der verschiedenen Dinge dienen, die jeder einzelne für sich gebraucht. Wir sehen also, dass die Arbeitsteilung vor allem auf der Austauschmöglichkeit all der unendlich verschiedenen Produkte, Waren und Leistungen beruht, dass aber alle diese Leistungen und Gegenleistungen nur mit Hilfe des Geldes ausgetauscht, nach Geld bemessen, mit Geld „bezahlt“ werden können. Die Geldsumme, die jeder für seine Teilarbeit, für seine Ware oder für seine Leistungen erhält, entscheidet zugleich darüber, wie viel er seinerseits auf dem Markt des Landes an Leistungen oder Produkten verlangen kann – also über „Mein und Dein". Das Geld ist demnach nicht nur das unentbehrliche Tauschmittel, sondern, soweit es durch die Währung zugleich die Grenzen von Mein und Dein schützt, auch ein zuverlässiger Maßstab für die Güterverteilung auf der Grundlage des Privateigentums. Ohne das Geld wäre es einfach unmöglich, die millionenfach verschiedenen Waren und Produkte, die bis ins kleinste gehende Teilarbeit, die teils unwägbaren und unmessbaren Leistungen untereinander abzuschätzen und miteinander auszutauschen. Wie wollen z. B. ohne Zuhilfenahme des Geldes ein Eisendreher, ein Bäcker, ein Landwirt, ein Postbote und ein Lehrer ihre Produkte und Leistungen untereinander wechselseitig austauschen? Eine kurze Überlegung wird jedem ohne weiteres die absolute Unentbehrlichkeit des Geldes zum Bewusstsein bringen.

Würde das Geld diese seine Aufgabe des Güteraustausches und zugleich die der Güterverteilung immer in befriedigender Weise erfüllen, so wäre es die vorzüglichste Einrichtung und über alle Kritik erhaben. Aber ebenso müssen sofort unheilvolle Folgen entstehen, wenn das Geld seine Funktionen nicht erfüllt, wenn, wie wir dies in zunehmendem Maße beobachten, allerlei Störungen, unberechenbare Stockungen und Verschiebungen des Geldumlaufs eintreten. Die unheilvollen Wirtschaftskrisen, der ständige Wechsel der Konjunkturen, die unheimlichen Preissteigerungen usw. – dies alles lenkt in zunehmendem Maße die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Geldwesen und lässt uns vermuten, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Es empfiehlt sich also, dass wir bei allen volkswirtschaftlichen Untersuchungen in erster Linie vom Geldwesen ausgehen, dass wir unser Augenmerk vor allem auf die Frage richten: Erfüllt das Geld seine Aufgabe in zuverlässiger Weise, d. h. vermittelt es ununterbrochen, gleichmäßig und unter allen Umständen den Austausch der Güter und Leistungen und entscheidet es wirklich einwandfrei über „Mein“ und „Dein“, über „Soll“ und „Haben“, also über die Güterverteilung im privat- und volkswirtschaftlichen Sinne? Wir werden jedoch sehen, dass unser aus dem grauen Altertum überkommenes Geldwesen nicht diesen Anforderungen entspricht.

1c) Wert oder Preis?

Über die Ursache der Störungen in der Volkswirtschaft ist von Berufenen und Unberufenen seit jeher viel nachgeforscht und nachgedacht worden. Aber entweder drangen alle bisherigen Forscher überhaupt nicht bis zum Geldwesen vor, oder aber ihre Untersuchungen verliefen trotzdem ergebnislos. Der Sumpf, in den sie hineingeraten, ist die so genannte „Lehre vom Wert“, der „Wertgedanke“. Das ist die Vorstellung, dass allen Waren, und namentlich dem Geld selbst, ein so genannter „Wert“ innewohnt resp. innewohnen müsse. Es ist viel über den „Wert“ geschrieben worden, die besten und widerstandsfähigsten Köpfe sind an diesem unbegreiflichen Begriff - richtiger wäre, an diesem Phantom - gescheitert. Zur Klarheit darüber ist bisher keiner gelangt. Und obwohl man in den Kreisen der Fachgelehrten bereits so weit gekommen ist, den „Wert“ als etwas „Subjektives“ d. h. in unserer eigenen Anschauung - nicht aber in den Dingen selbst liegendes - zu betrachten, haben sich die Wertgläubigen doch bisher nicht von diesem Spuk losmachen können. Wohl sterben sie nach und nach aus, aber zu bekehren waren sie nicht. Ich will hier nur das Eine sagen: so lange wir von der „Wertlehre“ befangen sind, stehen wir machtlos dem Geld gegenüber und dadurch auch allen Wirkungen etwaiger Fehler desselben.

Es war namentlich Silvio Gesell, der durch sein Werk „Die neue Lehre von Geld und Zins“ Licht in dies bis dahin dunkle Gebiet brachte. Im Gegensatz zu anderen Theoretikern ging er bei seinen Untersuchungen nicht vom Wertgedanken, d. h. nicht von dem „festen inneren Wert“ aus, der irgendwelchen Gütern, Waren oder dem Geld innewohnt oder als Eigenschaft anhaften soll, sondern er ging lediglich aus von dem Verhältnis, welches durch Angebot und Nachfrage zwischen Geld und Ware bzw. Arbeitsmarkt besteht. In bisher unwiderlegter Beweisführung zeigt er uns, dass die ganze Wertlehre von einer Einbildung - von einer Illusion - ausgeht, von der bei näherem Zusehen nichts übrig bleibt, als der Preis. Der Preis tritt bei Gesell’s Untersuchungen an die Stelle des so genannten Wertes, der also niemals als feste „innere“ Eigenschaft dem Geld oder der Ware innewohnt. Im Preis aber drückt sich immer nur ein Verhältnis aus, und zwar das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zwischen Geld und Ware. Der Preis ist das einzige Reale, das Wirkliche, worauf es ankommt, womit wir zu rechnen haben. Gesell ersetzt deshalb die bisherige Theorie des Wertes durch die Theorie des Preises. Mit dem Gegenstand der Wertlehre können wir im praktischen Leben nichts anfangen, alles dreht sich nur um den Preis. Preise müssen wir bezahlen und Preise können wir erzielen. Was man auch aus den Umschreibungen der Wert-Theoretiker heraus als „Wert“ aufzufassen versuchen mag - es wird durch die tatsächlichen Preise, wie sie sich aus Angebot und Nachfrage ergeben, illusorisch und überflüssig gemacht; selbst im Falle seiner Realität könnte der „Wert“ immer nur im Preis mit einbegriffen sein! Unsere weitere Untersuchung wird die Haltlosigkeit der Wert-Lehre auch denen klar machen, die noch immer von diesem Aberglauben befangen sind. Und den Marxisten wird endlich die Erkenntnis aufklaffen: Karl Marx meint mit dem so genannten „Wert“ lediglich den vom arbeitslosen Einkommen (Mehrwert) befreiten Preis. Wenn alle Preise nur aus Löhnen bestehen, ist das Problem gelöst, mit dem Marx sich vergeblich abmühte. Ich stütze mich also in meinen weiteren Ausführungen lediglich auf die Theorie Gesell’s und wir treten damit in eine völlig neue Betrachtung der volkswirtschaftlichen Probleme ein.

1d) Angebot und Nachfrage

Das natürliche Gesetz der Volkswirtschaft ist der Austausch materieller und intellektueller Güter und Leistungen. Dieser volkswirtschaftliche Güteraustausch hat aber zur Voraussetzung das Angebot und die Nachfrage, d. h. die auszutauschenden Güter müssen sich anbieten und das Geld muss die Nachfrage für sie vertreten und ihren Austausch vermitteln. Verschiebt sich nun aus irgendeinem Grund das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, so verschieben sich natürlich auch die Preise entsprechend. Wird z. B. die Nachfrage nach Waren (also das Geldangebot) größer, so werden die Warenpreise steigen, und die „Kaufkraft" des Geldes (also der mit Waren gemessene Preis des Geldes) wird entsprechend sinken. Wird umgekehrt das Geldangebot, d. h. die Nachfrage nach Waren kleiner, so sinken die Warenpreise und der Preis (also die Kaufkraft) des Geldes steigt. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt also immer den Preis.

Dieselbe Wirkung hat natürlich auch eine Veränderung im Angebot von Waren, d. h. die aus dem Warenangebot bestehende Nachfrage nach Geld. Schrumpfen aus irgendeinem Grund (z. B. durch Krieg, Spekulationsmanöver und dergl.) die Warenbestände oder das Angebot derselben zusammen, während das Geldangebot unverändert bleibt oder gar vergrößert wird, so steigen demgemäß die Warenpreise, während der Geldpreis sinkt, d. h., man erhält für eine bestimmte Warenmenge eine größere Geldsumme als bisher.

Sind aber Angebot und Nachfrage auf beiden Seiten dauernd gleich, so ergeben sich aus diesem Verhältnis auch feste Preise, worauf ja die Währung hinzielt. Ein dauernd festes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist also die Voraussetzung jeder zuverlässigen, wirklichen Währung, d. h. die Preise sollen „währen“. Und die Vorbedingung für dieses dauernd feste Verhältnis besteht wiederum in dem volkswirtschaftlichen Gleichgewicht zwischen Ware und Geld, also in einem gleichgroßen und gleichstarken Angebotsdrang dieser beiden Faktoren. Wird dieses Gleichgewicht gestört, d. h. ist einer der beiden Faktoren in der Lage, sein Angebot oder die Nachfrage gegenüber dem anderen Faktor einzuschränken oder zu verweigern (z. B. das Geld die Nachfrage nach Ware), so stockt der Warenaustausch und weiterhin auch die Produktion. Je nach Dauer und Umfang solcher Stockungen wird dadurch unter Umständen die ganze Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen und stillgelegt (Krise).

Nicht in der Stockung, in der Zurückhaltung und der Anhäufung auf einer oder der anderen Seite, liegt aber das Heil der Arbeit und der Volkswirtschaft, sondern im allseitigen Angebot und allseitiger Nachfrage - im glatten Austausch - in der Zirkulation! Es verhält sich damit, wie mit dem Kreislauf des Blutes: Die Zirkulation ist Gesundheit und Leben; - die Stockung aber Krankheit und Tod.

Da die Waren und Leistungen sich nicht unmittelbar austauschen lassen, sondern dazu der Vermittlung des Geldes bedürfen, stehen sich auf dem „Markt“, d. h. beim Austausch (Kauf und Verkauf, Handel, Arbeitsmarkt usw.) zunächst immer Ware (Arbeit) und Geld als Angebot und Nachfrage gegenüber. Es vertritt - wie wir noch deutlich sehen werden - Ware und Arbeit notgedrungen stets in stärkerem Maße das Angebot, als es etwa das Geld resp. die Besitzer ersparter Geldüberschüsse (Banken, Börsen, Kaufleute und sonstige Kapitalisten) tun. Wir haben uns bereits an die jahrtausende alte Regel gewöhnt, dass das Angebot von Waren und Arbeitskräften stets dringender und größer ist, als das Angebot von Geld. Auch das Geld bietet sich zwar an, indem es seinerseits Nachfrage nach Waren und Arbeitskräften hält, soweit dies die persönlichen Bedürfnisse der Geldbesitzer erfordern. Aber ein volkswirtschaftliches Geldangebot, d. h. ein Geldangebot, welches nicht nur auf den unmittelbaren Bedürfnissen der Konsumenten beruht, sondern aus dem Umlauf und der Anlage ersparter Überschüsse besteht, findet überhaupt nur unter ganz bestimmten Bedingungen statt. Warum dies so ist - und welcher Art die Bedingungen sind, von deren Erfüllung das Geld seinen Umlauf und somit die volkswirtschaftliche Nachfrage nach Arbeitsprodukten und Arbeitskräften abhängig macht - soll im Folgenden klar und deutlich gezeigt werden.

1e) Die Ausnahmestellung des Geldes in der Volkswirtschaft

Alle Waren, Produkte und Arbeitsleistungen unterliegen naturgemäß einem Angebots-Zwang, also dem natürlichen Gesetz des Austausches, dem sie sich wohl gelegentlich auf kurze Zeit, nie aber dauernd entziehen können. Die Waren und alle sonstigen Produkte der menschlichen Arbeit verderben, veralten, bedürfen fortwährend allerlei weiterer Aufwendungen und müssen daher zur Vermeidung von Verlusten und Kosten aller Art seitens ihrer Besitzer beständig dem Markt, dem Austausch gegen Geld, zur Verfügung gestellt werden. Ebenso muss jeder Arbeiter - egal, ob er mit der Hand oder mit dem Kopf arbeitet - seine Arbeitskraft und seine Leistungen täglich und stündlich anbieten; wer das nicht tut, erleidet einen entsprechenden Verlust. Nicht so das Geld!

Das Geld besitzt, im Gegensatz zu allen anderen Gütern, mit denen es in Austausch zu treten, resp. deren Austausch es zu vermitteln hat, gewisse Vorzüge, die seinem volkswirtschaftlichen Umlauf und damit seinem Angebot geradezu entgegenwirken.

Die Absicht, Geldscheinen durch einen Aufdruck (10, 100 oder 1000 Mark) gewissermaßen einen unveränderlichen „Wert“ zu verleihen, gelingt den Zentral-Geldinstituten bis auf den heutigen Tag nicht; ihnen allen fehlt die wissenschaftliche Grundlage für eine wirklich zielbewusste Währungspolitik. Einen „festen inneren Wert“ gibt es eben nicht, sondern immer nur das relative Verhältnis, welches sich beim Geld in seiner „Kaufkraft“ oder richtiger, in seinem Preis den Waren gegenüber, ausdrückt. Will man aber die so genannte Kaufkraft des Geldes (also sein Tauschverhältnis zu den Waren) kontrollieren, so muss man sie an der für eine bestimmte Geldsumme käuflichen Warenmenge messen. Man kann dann den „Preis“ des Geldes mit Bezug auf die Ware - oder den Preis der Ware mit Bezug auf das Geld - als „hoch“, „niedrig“ oder „unverändert“ bezeichnen. Die „Währung“ hat also in einem unveränderlichen Tauschverhältnis zwischen Geld und Ware zu bestehen; alles andere ist Unsinn.

Da nun aber mangels einer sicheren Währung die Preise allgemein schwanken, so ist auch der „Preis“ des Geldes schwankend: Sinken die Warenpreise, so ist das Geld „teuer“, d. h. man muss viel Ware für wenig Geld hergeben; wird das Geld „billig“, so braucht man nur wenig Waren für viel Geld zu geben, d. h. die Waren sind dann teuer und der „Preis“ des Geldes ist gesunken. Die Inschriften unserer Münzen und Banknoten sind also im Sinne einer wirklichen Währung rein nominell, von Unveränderlichkeit, von Währung keine Spur.

Obwohl es nicht gelungen ist, vom Geld alle Einflüsse des Marktes fern zu halten, so ist es doch dem Zahn der Zeit entrückt und hat auch sonst noch soviel Vorzüge, dass von einem volkswirtschaftlichen Angebotszwang beim Geld keine Rede sein kann. (Ich erinnere hier daran, dass es sich beim „volkswirtschaftlichen Geldangebot“ nicht um das für den täglichen Verbrauch bestimmte Geld der Konsumenten handelt, sondern um die kaufmännisch und kapitalistisch angelegten Geldüberschüsse und Ersparnisse (Großkapital), von deren volkswirtschaftlicher Zirkulation es aber abhängt, ob die Taschen all der kleinen Konsumenten leer oder gefüllt sind. Auch hier - wie überall in der Welt - beherrscht das Große das Kleinere, der große Geldumlauf der Kapitalisten den kleineren der Arbeiter und Konsumenten.) Das Geld lässt sich selbst in großen Mengen leicht transportieren und aufbewahren, es verdirbt nicht, wird nicht unmodern, rostet nicht, braucht keine großen Lagerräume usw. Außerdem behält das Geld auch eine immergleiche gesetzliche Zahlkraft (nicht zu verwechseln mit Kaufkraft), d. h., man kann jede eingegangene Verbindlichkeit (Schulden, Pacht, Miete, Gehalt, Wechsel, Hypotheken usw.), die z. B. laut schriftlicher Vereinbarung 1000 Mark nominell beträgt, auch mit der nominellen Geldsumme selbst nach langer Zeit „bezahlen“, was man mit einem entsprechenden Quantum aufgespeicherter Waren nicht könnte.

Schwankt also zwar die „Kaufkraft“ des Geldes den Waren gegenüber, so bleibt doch seine „Zahlkraft“ eingegangenen Verbindlichkeiten gegenüber „fest“; ein Umstand, der wohl zu der Selbsttäuschung einer tatsächlichen Währung geführt haben mag. In Wirklichkeit kann sowohl für den Gläubiger als auch für den Schuldner, je nach der Marktlage, ein Vorteil oder ein Nachteil dabei eintreten, trotz der nominell festgelegten gesetzlichen Zahlkraft des Geldes, weil ja die „Kaufkraft", d. h., das Preisverhältnis des Geldes zur Ware oder umgekehrt - das der Waren zum Geld - durch diese gesetzliche „Zahlkraft“ gar nicht berührt wird.

Wenn man aber den Umstand, dass auch der Preis des Geldes im Hinblick auf die jeweils dafür erhältliche Warenmenge schwankt, zu dem Einwand benutzen will, dass das Geld demnach denselben Nachteilen ausgesetzt sei wie die Waren, so ist dies unzutreffend. Die Waren unterliegen ja außerdem - wie bereits erwähnt - einem Zersetzungsprozess, der durchaus nicht schwankt, sondern ständig - bis zur völligen Auflösung der Ware - fortschreitet. Für diesen Zersetzungsprozess gibt es keinen Ausgleich; keinerlei Konjunkturmöglichkeit gibt dem Warenbesitzer eine Entschädigung für den Verlust, der ihm aus diesem Grund beständig erwachsen und ihn zum Bettler machen würde, wenn er die Warenvorräte etwa ebenso dauernd vom Angebot zurückhalten wollte, wie dies mit ersparten Geldvorräten möglich ist. Wer das Geld in der Hand hat, weiß immer, dass er damit jederzeit seinen Verbindlichkeiten in voller Höhe des nominellen Geldbetrages, der ihm zur Verfügung stellt, nachkommen kann. Er ist gegenüber dem Warenbesitzer, der seine Waren erst zu Geld machen muss und nicht weiß, wann und zu welchem Preis ihm dies gelingen wird, ganz entschieden im Vorteil. Geld ausgeben kann bekanntlich jeder Dummkopf, nicht aber Geld erwerben.

Obwohl also auch das Geld den Einflüssen des Marktes unterliegt und sein Preis schwankt, was auf einer Veränderung seiner Menge, seiner Umlaufgeschwindigkeit, wie auch auf vermehrtem oder vermindertem Warenangebot beruhen kann, ist die Möglichkeit von Nachteilen und Verlusten jedoch für den Geldinhaber nie so groß, wie für den Warenbesitzer. Die aus einer etwaigen „Entwertung“, d. h. aus einem Preisfall des Geldes hervorgehenden Verluste können nie bis zur gänzlichen Vernichtung des Besitzes führen, was bei den Waren sehr wohl möglich ist, denn ihnen haftet eben infolge ihrer stofflichen Beschaffenheit die Verderblichkeit, d. h. der natürliche Zersetzungsprozess an, der beim herkömmlichen Geld nicht in Frage kommt.

Ein besonders wichtiger Vorzug des Geldes liegt aber in seiner allgemeinen gesetzlichen und volkswirtschaftlichen Anerkennung als Tausch- und Zahlungsmittel, wodurch es - obwohl selbst ein Arbeitsprodukt, eine Ware - eben zu „Geld“ wird. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Ware, kann man mit der Überware „Geld“ unmittelbar, also direkt, alle anderen Waren und Leistungen eintauschen (kaufen), also sowohl Bedürfnisse befriedigen, als auch Verpflichtungen damit erfüllen, was mit keiner anderen Ware oder Leistung möglich ist. Biete ich z. B. zwecks Befriedigung meiner Bedürfnisse unter Umgehung des Geldes eine Arbeitsleistung oder Ware an, so wird es die Regel sein, dass der Besitzer derjenigen Dinge, die ich gerade nötig gebrauche, seinerseits durchaus keinen augenblicklichen oder keinen so großen Bedarf an den von mir angebotenen Waren oder Leistungen hat. Biete ich jedoch Geld an, so weiß mein Partner, dass er sich damit jederzeit alles beschaffen kann, dessen er seinerseits bedarf, und er wird mir seine eigenen Waren gern und willig überlassen. Das Geld ist also, wie wir gesehen haben, eine Universal-Ware, und noch dazu eine solche von unbegrenzter Dauerhaftigkeit, für die es nie an Abnehmern fehlt; was zur Folge hat, dass es nicht über den unmittelbaren persönlichen Warenverbrauch seines Besitzers hinaus angeboten zu werden braucht.

(Anmerkung: Der im letzten Abschnitt mit einfachen Worten erklärte Sachverhalt ist genau das, was 20 Jahre später der Ökonom John Maynard Keynes in seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ sehr viel komplizierter – um nicht zu sagen: sinnlos kompliziert - als „Liquiditätspräferenz“ bzw. Liquiditätsvorteil des Geldes gegenüber den Waren beschrieb und daraus seine Liquiditätstheorie des Zinses ableitete.)  

Der natürliche Angebotszwang, dem die Waren unterliegen, weil man sie nicht beliebig lange aufspeichern kann, fehlt dem Geld, und damit fehlt auch die volkswirtschaftliche Voraussetzung für einen glatten Austausch von Geld und Waren, also für das volkswirtschaftliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Auf diese Weise ist es erklärlich, dass das Angebot von Waren und Arbeitsleistungen immer stärker und dringender ist, als das Angebot von Geld. Mit unserem herkömmlichen Geld, welches den Waren gegenüber infolge seiner Vorzüge mit einem erdrückenden Übergewicht ausgestattet ist, lässt sich weder eine gesicherte Währung noch ein dauerndes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erzielen.

Der dem Geld fehlende Angebotszwang und seine Eigenschaft als Universal-Ware (also seine Vorzüge) verhindern es, dass das Geld sich über den persönlichen Bedarf hinaus mit der gleichen Dringlichkeit anbietet, wie Ware und Arbeit es allezeit tun müssen.

1f) Das Geld als Ur-Kapital

Die Ausnahmestellung, die das Geld in der Volkswirtschaft einnimmt, stört das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, bewirkt die Preis- und Konjunkturschwankungen, stößt die Währung um und bringt „Mein“ und „Dein“ zwischen Gläubigern und Schuldnern durcheinander. Aber es beruht auf derselben Ursache auch noch eine viel gewaltigere Erscheinung, die für die Volkswirtschaft von entscheidender und grundlegender Bedeutung ist: nämlich die Kapitaleigenschaft des Geldes, die sich - wie wir weiter sehen werden - auch auf alle anderen volkswirtschaftlichen Güter (Waren, Produktionsmittel, Häuser, Transportmittel usw.) überträgt. Schon Ferdinand Lassalle nannte das Geld sehr treffend das „Capital par excellence“, während wir es als das „Ur-Kapital“ bezeichnen.

Das Geld - soweit es nicht der Befriedigung der unmittelbaren, persönlichen Bedürfnisse seiner Besitzer dient - kann „warten“; kann warten ohne Schaden zu leiden, bis die dadurch hervorgerufene Stockung des Güteraustausches und der Produktion die Warenbesitzer (Kaufleute, Unternehmer, Fabrikanten) betreffs weiterer Produktion zurückhaltend - und die produktiv Arbeitenden betreffs ihrer Lohnforderungen nachgiebig und „bescheiden“ macht. Und je länger dies „Warten“ andauert, je günstiger gestaltet sich die Position des Wartenden; desto ungünstiger aber die Position desjenigen, der es eilig hat und nicht „warten“ kann. Mit anderen Worten: Im praktischen Leben hat der Besitzer von ersparten, überschüssigen, also nicht für seinen persönlichen Verbrauch bestimmten Geldmitteln, gegenüber dem Besitzer von Waren (die ja auch nicht dem persönlichen Verbrauch ihres Besitzers dienen), immer den längeren Atem. Da also der Geldbesitz dem Warenbesitz überlegen ist, so hat er dadurch auch die Warenproduzenten (Arbeiter, Angestellte usw.) in seiner Gewalt, die natürlich nur Arbeit finden, wenn die Kaufleute, Unternehmer und Fabrikanten es nicht für geboten erachten, mit ihren Aufträgen und Unternehmungen ebenfalls zu „warten“ und die Produktion einzuschränken oder aufzugeben. Und weil dies so ist, verlangt das Geld, welches sich aus den Ersparnissen des ganzen Volkes in den Händen der Sparkassen und Banken oder durch den Handel in den Händen der Kaufleute und Kapitalisten ansammelt, eine Extra-Entschädigung dafür, dass es nicht „wartet“, sondern sich gnädig der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt und sich nicht etwa infolge privater „Schatzbildung“ einfach gänzlich aus dem Verkehr zurückzieht.

Man stelle sich demgegenüber einmal eine Schatzbildung in Arbeitskraft oder doch wenigstens in Waren vor, etwa aus Kartoffeln, Mehl, Fleisch, Kleidern, Geräten oder sonstigen Arbeitsprodukten bestehend. Die einen würden binnen Jahresfrist restlos oder doch teilweise verdorben sein, die andern viel Spesen, Lagerkosten usw. verursachen, unbrauchbar und unmodern, von Rost, Motten, Ratten, Dieben und Fäulnis gefressen werden oder nutzlos zerfallen. Selbst größere Vorräte von Rohstoffen können höchstens in Einzelfällen und vorübergehend (etwa zu Handels- oder Spekulationszwecken), also nicht als „Schatz“, angelegt werden. Man bedenke nur die Räumlichkeiten, Behandlung, Risiko im Preis, Absatzmöglichkeit usw. Wie bequem, sicher und jederzeit verfügbar ist da doch bares Geld gegenüber solchem Ballast. Nicht umsonst heißt es: „Bares Geld lacht.“

Es war ein Fehler, das Tauschmittel (Geld) begehrenswerter zu gestalten als alle die Dinge sind, deren Austausch es doch dienen soll. Die Folge kann doch nur sein, dass jeder danach strebt, alles in Geld oder Geldforderungen umzuwandeln und möglichst viel von diesem, für die Volkswirtschaft doch unentbehrlichen Tauschmittel in seinen Besitz zu bringen. Das bedeutet aber im praktischen Leben, dass ein Jeder seinerseits zwar möglichst viel verkaufen, aber möglichst wenig kaufen (also Geld „ersparen“) will. Es wird immer das Bestreben bestehen, das gesamte eigene Arbeitsprodukt oder den gesamten eigenen Warenbestand zu verkaufen, dagegen nur einen Teil des Gelderlöses für die Arbeitsprodukte und Leistungen der anderen auszugeben, oder kurz: für 100 zu verkaufen, aber nur für 50 zu kaufen. Auf diese Weise würde das Angebot von Waren und Arbeitsleistungen, in Zahlen ausgedrückt, stets 100, das Geldangebot (also die Nachfrage) jedoch nur 50 oder noch weniger betragen, wenn die ersparten Gelder nicht auf irgendeine Weise wieder in Umlauf gesetzt werden.

Dieses Missverhältnis zwischen Geldangebot und Warenangebot bewirkt, dass die das Geldangebot übersteigenden Waren entweder unverkäuflich sind, oder mit Schaden verkauft werden müssen, oder aber in Zukunft gar nicht produziert werden dürfen. Das Geld kann also dadurch, dass es sein volkswirtschaftliches Angebot zurückhält, sowohl den Handel als auch die Produktion unterbinden und hat somit die Macht, die ganze Volkswirtschaft zu erdrosseln, die Existenz von Millionen Menschen unmöglich zu machen.

Angesichts dieser Macht des Geldes gibt es für die Volkswirtschaft außer der Rückkehr zum Tauschhandel nur den Ausweg, das ersparte Geld durch die vorhin erwähnte „Extra-Entschädigung“ wieder in den Verkehr zu locken. Und diese „Extra-Entschädigung“, dieser regelrechte Tribut, den das Geld als Bedingung dafür stellt, dass es überhaupt, über den persönlichen Verbrauch seiner jeweiligen Besitzer hinaus, umläuft, d. h. nach den für Sparzwecke und als Schatzmittel qualitativ immer „minderwertigen“ Waren und sonstigen Gütern Nachfrage hält, ihre Herstellung erlaubt und ihren Austausch auf dem Wege des Handels vermittelt, ist der Zins.

Die Ware nehmen alle nur vorübergehend in Besitz; seinen dauernden Besitz, soweit er die direkten persönlichen Bedürfnisse übersteigt, sucht jeder in Geld oder - da dies nicht gut möglich ist - doch wenigstens in Geldforderungen anzulegen. Wer aber erspartes Geld aus der Hand gibt, indem er es verleiht, es in die Industrie, den Handel, in Bauten oder sonstige Unternehmungen steckt, tut dies nur unter der Bedingung einer sicheren und regelmäßigen Verzinsung. Der Zins ist die Voraussetzung für den gesamten volkswirtschaftlichen, also heute „kapitalistischen“ Geldumlauf. Und von diesem großen Geldumlauf hängt wiederum - wie bereits erwähnt - auch der kleine Geldumlauf der einzelnen Produzenten und Konsumenten ab, d. h., ob alle die Millionen von Arbeitern, Handwerkern, Beamten, Unternehmern, Landwirten, Wissenschaftlern usw. Arbeit und Verdienst finden oder nicht. „Keinen Zins - kein Geld“, heißt es bei den Geldbesitzern und Geld-Beherrschern im ganzen weltumspannenden Bereich des modernen Kapitalismus. „Kein Geld – keine Nachfrage – kein Absatz – kein Handel – keine Aufträge – keine Produktion – keine Arbeitsgelegenheit“, - bedeutet dies für die Volkswirtschaft. Also Arbeitslosigkeit, Hunger, Bankrott, Not, Entvölkerung wären die Folgen einer Verweigerung des volkswirtschaftlichen Geldumlaufs. Und dass die Beschaffenheit des Geldes seinen Besitzern und Beherrschern eine derartige, willkürliche Verweigerung ermöglicht, dass seine Beschaffenheit es zum Spar- und Schatzmittel geeigneter macht, als die Waren und alle sonstigen Arbeitsprodukte es sind, darauf beruht die Übermacht des Geldes in der Volkswirtschaft und somit seine „Kapital-Eigenschaft“. Und weil das Geld diese seine Eigenschaft auf alle anderen volkswirtschaftlichen Güter überträgt, weil es die Ursache ist, dass auch sie Zins abwerfen und somit „Kapital“ sind, bezeichnen wir das Geld als das Ur-Kapital. („Kapital“ bedeutet „Hauptstück“, im Hinblick auf den Zins, der das „Nebenstück“ darstellt.)

1g) Die Arbeitsprodukte als Real-Kapital

Ein „Kapital" ist ein Zins tragendes Gut. Und wir haben bisher immer betont, dass das Geld nur infolge gewisser Vorzüge, die es den Waren und allen anderen Arbeitsprodukten gegenüber besitzt, ein solches Zins tragendes Gut, also Kapital ist. Demgegenüber erscheint es zunächst sehr merkwürdig, dass aber nicht nur das Geld, sondern auch alle anderen Arbeitsprodukte (also Häuser, Schiffe, Waren, Produktionsmittel usw.), soweit sie nicht dem direkten persönlichen Verbrauch des Eigentümers dienen, ebenfalls Zins abwerfen, also Kapital sind. Und da dies Kapital - im Gegensatz zum Geldkapital - aus sog. „realen“ d. h. wirklichen Wirtschaftsgütern besteht, wird es als „Real-Kapital“ bezeichnet.

Auf den ersten Blick scheint hier ein Widerspruch vorzuliegen, denn wenn die Arbeitsprodukte gleichfalls Zins abwerfen - sei es im Handel als Waren, sei es in Form von Häusern, Produktionsmitteln usw. -, so hat es allerdings den Anschein, als träfe unsere Behauptung von der Übermacht des Geldes nicht zu. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich aber auf folgende, bereits angedeutete Weise: Die Zins tragende Eigenschaft des Real-Kapitals, also der Waren und sonstiger Arbeitsprodukte (auch Häuser und Fabriken sind solche) beruht darauf, dass dieselben nur mit Einwilligung des Geldkapitals, unter der Bedingung der Verzinsung, entstehen können.

Kein Geldbesitzer (Kapitalist) steckt sein Geld in die Warenproduktion, in den Häuserbau, in die Einrichtung von Fabriken oder irgendwelcher Betriebe, wenn es sich nicht verzinsen würde; er würde es sonst lieber „einschließen“, also zur „Schatzbildung“ greifen. Die Beschaffenheit des bisherigen Geldes ermöglicht dies ja. Man könnte hier einwenden, dass kleinere Kapitalisten ihr Geld deshalb in eigenen Unternehmungen anlegen, um sich selbst eine Arbeitsgelegenheit, eine selbstständige Existenz, zu schaffen. Dies beweist aber nur, dass infolge der Zinsrate ihres Unternehmens ihr Einkommen größer ist, als es bei gleichen Arbeitsleistungen in einer unselbstständigen Stellung als Lohnarbeiter sein würde. Auch hier ist also der Zins die Ursache der Kapitalanlage. Infolgedessen gestattet das Geldkapital immer nur die Entstehung von Waren, Produktionsmitteln, Häusern usw. bis zu einem Grade, dass nicht etwa durch allzu großes Angebot die übliche Verzinsung in Frage gestellt wird, sei es durch Verbilligung der Preise, sei es durch die infolge starker Nachfrage nach Arbeitskräften eintretende Lohnsteigerung der Produzenten. Sobald auch nur die Möglichkeit einer solchen Gefährdung des Zinses (der so genannten Rentabilität) vorliegt, streikt das Geld, verlangsamt oder verringert es seinen Umlauf und damit die Nachfrage nach Waren, Arbeitsprodukten und Arbeitskräften (Krise).

Erst wenn durch diese Unterbrechung der Produktion ein Mangel an Wohnungen, Waren oder sonstigen Gütern fühlbar wird, wenn ihr Zins zu steigen beginnt, ist die Zeit gekommen, wo der Kapitalist sein Geld wieder für den Bau von Häusern, Fabriken usw. hergibt. Wir sehen also, dass die Zins tragende, d. h. die „Kapital“-Eigenschaft, sich nur als Folge willkürlicher Geldsperre vom Geld auf das Real-Kapital (Waren und Arbeitsprodukte) überträgt, dass letztere also sozusagen nur die Büttel des Geldes sind, die den Zinstribut zwar erheben, jedoch nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern nur mit Ermächtigung des Ur-Kapitals (des Geldes), in seinem Auftrag und für seine Rechnung.

Das Geld hat dadurch nur seine Zirkulationsbahn und damit sowohl seinen Machtbereich als auch sein Zinsgebiet erweitert, im Übrigen bleibt seine Macht auch dem sogen. „Real-Kapital“ gegenüber unvermindert bestehen. Der Zins der Dinge, die man als Real-Kapital bezeichnet, beruht nur auf der Macht des Geldes, die ihnen die Vorbedingung für die Verzinsung schafft. Dieser Zins fällt deshalb immer an das Geld, resp. an den Geldgeber zurück; er ist demnach überhaupt nur ein Geldzins, der mit Hilfe der Güter erhoben wird. Diese Güter selbst sind an sich nur Arbeitsprodukte wie alle anderen und könnten, da sie beliebig vermehrbar sind, aus eigener Kraft keinen Zins erheben. Alle Arbeitsprodukte (Produktionsmittel, Häuser, Maschinen, Waren usw., kurz das gesamte, so genannte Realkapital) unterliegen nämlich, ähnlich wie die Arbeitskraft, dem ununterbrochenen Angebotszwang, sobald sie einmal da sind. Sie würden sonst ungenutzt zerfallen, verderben; sie könnten ihr Angebot nicht nachträglich von der Verzinsung abhängig machen, sind also an sich nicht „Kapital“. Darum wacht das Ur-Kapital (Geld), das sie ins Leben ruft, über sie, wie eine Mutter über ihre Kinder, damit sie sich nicht „gemein“ machen und sich nicht etwa infolge ungehinderter Vermehrung dem besitzlosen „Pöbel“, den Proletariern, den Nichtkapitalisten aller Art umsonst, d. h. ohne Zinstribut (Mehrwert) zur Verfügung zu stellen brauchen. Die Sicherung seiner Zinsansprüche veranlasst das Geldkapital also gleichsam zu einem „Gebärstreik“ hinsichtlich des Realkapitals; es hat die unsinnige, unnatürliche Tendenz, die Güterproduktion dauernd in gewissem Grade einzuschränken, also gleichsam eine „chronische Krise“ aufrecht zu erhalten, die sich immer bis zur „akuten“ Krise entwickelt, sobald es geboten erscheint, die Einschränkung zur Sicherung des Zinses zu verschärfen. Auf diese Weise ist es dem Ur-Kapital (dem Geld) möglich, alle Produktionsmittel, Häuser, Betriebe aller Art, Waren usw. dauernd in dem Zustand von Zins tragendem Kapital zu erhalten.

(Anmerkung: An dieser Stelle sei wieder an die Weisheit der originalen Heiligen Schrift erinnert. In der ursprünglichen Umschreibung der Erbsünde lesen wir in Genesis_3,16: „Und zur Frau (Finanzkapital) sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder (neue Sachkapitalien) gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann (Sachkapital) sein, aber er soll dein Herr sein.“ Die Bedeutung von Genesis_3,14-19 und damit auch die Ursache, warum die eigentlich einfach zu verstehende „Übertragung des Urzinses auf das Sachkapital“ von studierten - d. h. im Kapitalismus indoktrinierten - „Experten“ bis heute nicht verstanden wird, habe ich ausführlich in meinem Artikel Adam und Eva beschrieben. Die „heilige katholische Kirche“ hat wirklich ganze Arbeit geleistet, indem sie die Erbsünde als „dem Menschen angeboren“ erscheinen ließ.)

Während nach den Erklärungen der bisherigen Theoretiker das Kapital aus greifbaren Dingen, aus Sachgütern besteht, die vermöge ihrer eigenen Beschaffenheit Kapital sind, erblicken wir im „Kapital“ lediglich eine Eigenschaft, die auf einem, durch das herkömmliche Geld geschaffenen, volkswirtschaftlichen Zustand beruht. Karl Marx erkannte allerdings bereits, dass der „Mehrwert“ keineswegs durch die Sachgüter („konstantes Kapital“) entsteht, sondern er verlegte die Quelle des Mehrwertes in den „in Arbeitskraft umgesetzten“ („variablen“) Teil des Kapitals, aber immerhin in den Produktionsprozess.

Wir haben jedoch bereits gesehen. dass der Mehrwert (Kapitalzins) in der Zirkulation, also im Güteraustausch entsteht, genau gesagt, infolge der Behinderung dieser Zirkulation durch das Geld. Nur das Geld ist vermöge seiner eigenen Beschaffenheit Kapital, d. h. ein Zins tragendes Gut; aber es schafft im Interesse seiner Verzinsung einen Zustand, durch den sich seine eigene Kapital-Eigenschaft auch auf alle anderen Wirtschaftsgüter übertragt und sie dadurch zu Zins tragenden Gütern, d. h. zu Kapital macht. Und diesen Zustand, den wir als „Kapitalismus“ bezeichnen, führt das Geld dadurch herbei, dass es eben die Entstehung solcher Wirtschaftsgüter planmäßig einschränkt, damit das Angebot immer soweit hinter der Nachfrage zurückbleibt, dass diese Güter nur unter der Bedingung des Zinsertrages zur Verfügung gestellt zu werden brauchen.

Die Produktionsmittel und alle sonstigen volkswirtschaftlichen Güter sind in diesem, durch das Geld geschaffenen und aufrecht erhaltenen „kapitalistischen“ Zustand zwar Kapital, sie brauchen es aber nicht immer und ewig zu sein. Sobald dem Ur-Kapital, also dem Geld, seine Übermacht, seine Vorzüge, genommen werden, verliert es nicht nur selbst die Fähigkeit des Zinsertrages, also seine Kapital-Eigenschaft, sondern mit ihm verliert dann auch das gesamte sogen. Realkapital seinen Kapital-Charakter. Dieses kann dann beliebig vermehrt werden und infolgedessen ebenfalls keinen Zins mehr erheben und hört ebenso wie das Geld auf, Kapital zu sein; statt des „Kapitals“ haben wir dann einfach Wirtschaftsgüter. Das ganze „Kapitalismus“ ist demnach nichts weiter, als ein durch das überlieferte Geldwesen geschaffener volkswirtschaftlicher Zustand, in welchem das Geld – und durch dieses auch alle anderen Wirtschaftsgüter – Zins abwerfen.

1h) Der Kapitalzins als Vorbedingung des volkswirtschaftlichen Kredites und als Ursache der Massenarmut

Eine allgemeine Begleiterscheinung des modernen Kapitalismus bildet die Armut greller Volksmassen, bei gleichzeitiger Aufhäufung riesiger Reichtümer in den Händen einzelner. Während die einen trotz aller Arbeit immer arm bleiben, vermehrt sich der Reichtum der anderen schließlich sogar ohne eigene Arbeit. Nachdem es durch die Beschaffenheit des Geldes ermöglicht wurde, die Arbeit beim Austausch ihrer Produkte mit einem beständigen Tribut (Zins) zu belasten und es sich zur Sicherung dieses Tributes als zweckmäßig erwies, die Gütererzeugung außerdem willkürlich zu hemmen und zu beschränken, musste sich die Massenarmut als notwendige Folge einstellen. Aber diese Millionen Besitzloser können als Kulturmenschen nicht mehr wie Wilde leben. Bei Urwirtschaft, d. h. ohne Arbeitsteilung und ohne die hochentwickelte Technik, die riesiger „Kapitalanlagen“ bedarf, würde zudem Europa kaum den zehnten Teil seiner heutigen Bevölkerung ernähren, und selbst dieser Bruchteil müsste - wie bereits erwähnt - ein kümmerliches Dasein führen.

Infolge der immerwährenden Unterbrechung und Einschränkung, die der volkswirtschaftliche Produktions- und Tauschprozess durch das „Sparen“ seit jeher erleidet, kann dieser Prozess heute nur noch auf der Grundlage des Kredites stattfinden, den die „Sparer“ (Geldbesitzer) der Volkswirtschaft gewähren, indem sie gegen Zins ihr erübrigtes Geld der Produktion und dem Güteraustausch zur Verfügung stellen. Da aber einerseits kein Krösus so reich ist, dass er alle Dinge, die der Kulturmensch gebraucht, selbst besitzt, da ferner der größte Teil der Bevölkerung aller Kulturstaaten aus „Proletariern“, d. h. Besitzlosen besteht, so beruht die ganze heutige Volkswirtschaft auf einem allgemeinen Kreditverhältnis. Dem gemäß tritt auch der Zins in allen seinen Formen als ein „Darlehenszins“ in Erscheinung, d. h. es liegt ihm immer ein persönliches oder ein volkswirtschaftliches Kreditverhältnis zugrunde.

Hat der einzelne Besitzende nicht alles, so haben die besitzlosen Proletarier überhaupt nichts weiter, als ihre beiden Arme und notgedrungen den guten Willen zur Arbeit, um sich und ihre Familien zu ernähren. Dazu gebrauchen sie aber - außer dem Erdboden - sowohl Wohnhäuser als auch Produktionsmittel, d. h. Fabriken, Verkehrsmittel, Maschinen, Rohstoffe, Bergwerke, landwirtschaftliche Anlagen usw. Alle diese Dinge sind aber, wie bereits nachgewiesen wurde, unter der Herrschaft des herkömmlichen Geldwesens „Kapital“. Und alle, die kein eigenes Wohnhaus, keine eigenen Produktionsmittel besitzen, diese aber gebrauchen, weil sie als Kulturmenschen nicht unter freiem Himmel wohnen, sich nicht mit ihren bloßen zehn Fingern ernähren können, müssen sich dies „Kapital“ daher „leihen“, indem sie die Wohnung in einem Haus, das ihnen nicht gehört, „mieten“ , indem sie „Arbeit suchen“, um mit Maschinen, Rostoffen usw., die ihnen nicht gehören, arbeiten und sich ernähren zu dürfen, indem sie Waren kaufen, die ihnen das Kapital des Kaufmanns zur Verfügung stellt. Die Besitzlosen müssen also ständig bei den Besitzenden „Kredit“ nachsuchen, Nachfrage nach „Kapital“ halten. Aber auch die Besitzenden untereinander müssen ihre Kredite gegenseitig in Anspruch nehmen und sie sich gegenseitig verzinsen, weil eben niemand im Besitze aller Dinge ist (z. B. Schiffe, Bahnen usw.), die der Kulturmensch gebraucht, oder weil das eigene Kapital nicht ausreicht.

„Kapital - Kapital!“ - Das ist der große volkswirtschaftliche Hunger der Kulturmenschheit! Und das „Kapital“ sorgt dafür, dass dieser Hunger nie gesättigt wird, denn sobald er wirklich gesättigt wäre, d. h. sobald das Angebot von Kapital ebenso groß oder größer wäre, als die Nachfrage, hört das „Kapital“ als solches auf, zu existieren. Wenn - um es recht deutlich zu machen - neben jeder Fabrik eine zweite, neben jeder Schiffswerft eine zweite und dritte, neben jedem Bergwerk, jedem Hause usw. je ein zweites entstehen würde, ohne dass die Bevölkerung und ihre Nachfrage sich in gleichem Umfang vermehrt hat, wo sollte da noch die übliche „Verzinsung“ herausgewirtschaftet werden? Dies „Realkapital“ könnte - wie sich noch zeigen wird - den bisherigen Zinstribut nicht mehr beanspruchen; es müsste infolge seines vermehrten Angebotes schließlich seine „Kredite“, d. h. sich selbst, unentgeltlich zur Verfügung stellen, also gegen bloße Abnutzungsentschädigung oder bloße Rückgabe des geliehenen Gutes. Der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt würde also zu „zinsfreien Darlehen“ führen, oder wie Proudhon es nannte und erstrebte, zur „Unentgeltlichkeit des Kredites“.

Es ist ein Irrtum, wenn Karl Marx und durch ihn die meisten Sozialisten der Ansicht sind, dass das Privateigentum des Kapitalisten an den Produktionsmitteln diese zu Ausbeutungs-Instrumenten gegenüber den Arbeitern mache. Was wohl auf den Grund und Boden zutrifft, ist beim „Kapital“ durchaus unzutreffend. Das mit dem Privateigentum an Grund und Boden verbundene arbeitslose Einkommen - also die Grundrente - beruht sowohl auf natürlichen Vorzügen einer Bodenfläche, wie auch auf der Bevölkerungsdichte und der allgemeinen kulturellen und wirtschaftlichen Entwickelung. Es kann sich deshalb bei der Grundrente nie darum handeln, sie - wie den Kapitalzins - zu beseitigen, sondern immer nur darum, sie so zu verteilen, dass sie der ganzen Bevölkerung gleichmäßig zugute kommt. Die „Ausbeutung“ liegt hier nicht im Vorhandensein der Grundrente, sondern darin, dass sie immer nur den jeweiligen Eigentümern des Erdbodens zufällt und nicht der Allgemeinheit, die sie doch erzeugt und auch das gleiche Anrecht auf die natürlichen Vorzüge des Bodens hat. Mit Bezug auf den Grund und Boden ist also das Privateigentum insofern die Ursache der Ausbeutung, als es einer gerechten Verteilung der Grundrente im Wege steht.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem aus Arbeitsprodukten bestehenden Kapital. Nicht das Privateigentum, sondern das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage macht die Produktionsmittel zu Ausbeutungsinstrumenten, also zu „Kapital“. Sobald das Geld es gestattet, lässt sich das gesamte Realkapital beliebig vermehren, bis das bestehende Missverhältnis ausgeglichen ist. Und da ein Ausgleich von Nachfrage und Angebot auf dem Kapitalmarkt zur „Unentgeltlichkeit des Kredites“ führt, so kann dann trotz des fortbestehenden Privateigentums kein Unternehmer die Arbeiter „ausbeuten“; sein „Kapital“ wird sich nicht mehr „rentieren“, denn er muss den Arbeitern seine Fabrik, seine Maschinen usw. unentgeltlich, d. h. nur gegen Erstattung der Abnutzung, zum Gebrauch überlassen.

Aber gerade auf den Zinstribut, auf dies mühe- und arbeitlose Einkommen hat es ja der Kapitalist abgesehen: Der Zins ist nicht nur der Zweck jeder Kapitalanlage, sondern auch die Voraussetzung des volkswirtschaftlichen Kredites. Demgemäß sorgt das Ur-Kapital (Geld) dafür, dass sich auf dem Kapitalmarkt Angebot und Nachfrage nie ausgleichen, sondern dass die Nachfrage nach Kapital stets größer ist, als das Angebot. Daher kommt es z. B. auch, dass die Betriebe und Arbeitsgelegenheiten nie ausreichen, um alle, die arbeiten wollen, vollauf zu beschäftigen. Es muss also immer eine „Arbeitslosen-Reservearmee“ vorhanden sein, damit nicht infolge von Knappheit an Arbeitern die Löhne so hoch steigen, dass dadurch der Zins („Mehrwert“) gefährdet und das Real-Kapital in die Zwangslage versetzt werden könnte, seine Kredite unentgeltlich gewähren zu müssen. Die besitzlosen Arbeiter müssen also (im Hinblick auf die mit Zins belastete Lebenshaltung) durch eine beständige Unterentlohnung den Zinstribut für alle Produktionsmittel und sonstigen Kapitalanlagen aufbringen, die sie nur „leihweise“ benutzen. Ihr Lohn als Produzenten ist immer so bemessen, dass der Preis, den sie und auch alle anderen Konsumenten zu zahlen haben, die übliche Zinsrate für alles Kapital verbürgt, welches von der Entstehung des Produktes an, bis zu seinem endgültigen Konsum durch den Verbraucher, beteiligt war.

Die Arbeiter erhalten also immer so viel Lohn zu wenig, wie die Verzinsung des gesamten Kapitals ausmacht, dessen sie zur Arbeit und bei ihrer Lebenshaltung bedürfen. Aber auch alle anderen Erwerbsklassen, die in irgendeiner Form „Kapital“ benutzen, das ihnen nicht gehört, das sie sich also „leihen“ müssen, haben zur Verzinsung des gesamten Anlage- und Betriebskapitals beizutragen. Ob wir uns durch Arbeitsvertrag Produktionsmittel leihen (arbeiten), ob wir uns durch Mietsvertrag eine Wohnung leihen (mieten), ob wir uns durch eine Fahrkarte die Bahn oder ein Schiff leihen (reisen), oder ob wir als Konsumenten das Kapital des Kaufmanns, seines Lieferanten und seines Hauswirtes in Anspruch nehmen  - auf Schritt und Tritt sind wir alle Zinssklaven des Kapitals.

Schadlos halten können sich nur diejenigen, deren eigenes Zinseinkommen mindestens ebenso groß bis unverhältnismäßig größer ist, wie die Zinsrate, die sie selbst durch ihre Lebenshaltung oder ihren Betrieb an andere Kapitalisten zahlen müssen. Die große Masse jedoch wird durch den ständigen Zinstribut, den sie bei gehemmter Produktion zu leisten hat, einerseits überhaupt erst in so hohem Grade kreditbedürftig gemacht, andererseits wird diese einmal erlangte Kreditbedürftigkeit dauernd dadurch aufrechterhalten, dass der volkswirtschaftliche Kredit, ohne den wir wie Wilde leben und wieder in die Barbarei zurücksinken müssten, überhaupt nur unter der Bedingung des Zinses gewährt wird.

1i) Die indirekten Schädigungen der Volkswirtschaft durch den Kapitalzins

a) Unterproduktion an Realkapital. Wie das Geld den Zins nur dadurch erheben kann, dass es sich durch willkürliche Verweigerung seines Umlaufs gewissermaßen in Widerspruch zu seiner eigentlichen Bestimmung setzt, so muss sich auch die ganze Volkswirtschaft nicht nur zeitweilig, sondern in gewissem Grade dauernd um des Zinses willen in Widerspruch zu ihrem Zweck und ihrer Bestimmung setzen. Nur auf der Grundlage einer planmäßigen Hemmung der Volkswirtschaft mittels jeweiliger Geldsperre, kann ja das Geld seinen Raubzug mit Erfolg ausführen. Der hierdurch verursachte indirekte Schaden dürfte kaum geringer sein als die direkten Zinslasten. Die Mittel, deren das Geld zur Erhebung seines Zinstributes bedarf, sind vielleicht noch schädlicher als der Tribut selber. Es wurde bereits nachgewiesen, dass die Kapital-Eigenschaft der Produktionsmittel und sonstiger volkswirtschaftlicher Güter (also des sogen. Realkapitals) darauf beruht, dass das Geld ihre Entstehung und Vermehrung ganz nach Maßgabe der Zins-Interessen einschränkt und verhindert, also eine beständige Unterproduktion an Realkapital erzwingt. Sobald infolge andauernder Arbeit das Angebot von Real-Kapital soweit steigt, dass die übliche Differenz zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt sich verringert und somit die Rentierungsaussichten für das Geld-Kapital ebenfalls geringer werden, ist der Zeitpunkt gekommen, wo dieses der Arbeit „Halt“ gebietet (Krise). Ist z. B. infolge reger Bautätigkeit das Angebot von Wohnungen so groß, dass die erzielbaren Mieten das Baukapital angesichts der erreichten Höhe der Arbeitslöhne nicht mehr sicher mit 4 bis 5 Prozent verzinsen, so zieht es sich vom Baumarkt zurück, d. h. es stellt die Nachfrage nach Baumaterial, nach Baumeistern, Unternehmern und Arbeitern ein und diese müssen untätig bleiben (Baukrise), bis die Nachfrage nach Wohnungen wieder soweit gestiegen ist, oder die Lohnansprüche der Arbeiter und die Preise der Materialien soweit gesunken sind, dass sich das Baukapital, d. h. das für den Häuserbau bestimmte Geld, wieder sicher in gewohnter Höhe verzinst.

„Wenn der Proletarier besondere Anstrengungen macht und in der Hochkonjunktur mit Überstunden arbeitet, wenn die Sparkassenbücher sich zu füllen beginnen, dann fällt ihm auch schon der Geldbesitzer in den Arm: Halte an, Unseliger! Wir haben genug von deinen Produkten! Sieh doch, wie als Folge deines verfluchten, proletarischen Fleißes die Zahl der Mietshäuser sich vermehrt hat, wie die Mieten zu sinken beginnen und dadurch der Zins des hier angelegten heiligen Geldkapitals gefährdet ist! Deine ungezügelte, lasterhafte, schreckliche „Bauwut“ verwandelt sich für unser Kapital in eine „Baupest.“ Schluss mit der Arbeit, Schluss mit dem Bauen! Und der schaffensfrohe, sparsame, vorwärts strebende Arbeiter, der sich und die Seinen befreien will von dem Fluch der Armut und des Proletariertums, muss auf Befehl des Geldkapitals (das sich vom Markt zurückzieht) feiern, muss seine Ersparnisse wieder aufzehren.
    Vielleicht reichen sie gerade bis zum Ende der „Krise.“ Dann kann er den Versuch wiederholen, den seine Vorfahren seit jetzt schon 3000 Jahren immer wieder und immer wieder mit demselben Misserfolg gemacht haben.“

Silvio Gesell

Und wie hier ein einzelnes Gewerbe im Interesse des Zinses stillgelegt werden kann, so wird nach Zeiten reger Konjunktur oft das ganze Wirtschaftsleben im gleichen Interesse für längere oder kürzere Zeit stillgelegt (akute Wirtschaftskrise). Daher der Wechsel der Konjunkturen, das Auf und Ab! Um ein Sinken des Kapitalzinses zu verhüten, muss das Geld also zeitweilig seine Nachfrage auf dem Markt einstellen und periodisch Wirtschaftskrisen hervorrufen. Ob die Arbeiter inzwischen hungern - ob die Waren inzwischen infolge so genannter „Überproduktion“ (!) verderben und das Nationalvermögen empfindlich geschädigt wird - hat wenig zu besagen; Hauptsache ist immer der Zins!

Aber selbst in Zeiten geregelten Geschäftsganges übt das Geld-Kapital eine ständige Kontrolle über die gesamte Volkswirtschaft aus, schränkt es die Produktion dauernd ein, um überhaupt erst die Vorbedingungen für den Zins zu schaffen und den Markt ständig in einem solchen Zustand zu erhalten, dass er nie das Zinsjoch abschütteln kann, sondern stets so beschaffen ist, dass alle Güter, welche ihn überhaupt passieren, Kapitalform annehmen und Zinsertrag liefern müssen. Daher erlaubt das Geld nie die volle Entfesselung aller wirtschaftlichen Kräfte, nie die restlose Heranziehung der Arbeitslosen-Armee zur Produktion, zur Gütererzeugung. Es schaltet immer - selbst in Zeiten der Hochkonjunktur, wo dem Zins noch keine Gefahr droht - einen Teil der produktiven Kräfte von der Betätigung aus, um ein Steigen der Löhne und ein Sinken des Zinses möglichst lange zu verhindern. Die völlige Entfesselung der Volkswirtschaft und die daraus hervorgehende natürliche Zunahme des Volkswohlstandes, also auch des sogen. Real-Kapitals, sind eben mit den kapitalistischen Interessen, denen das Geld dient, unvereinbar! Mit Rücksicht auf den Zins hindert es die Arbeiter an der Schaffung von Gütern und Reichtümern, überantwortet es sie durch Arbeitslosigkeit dem Nichtstun und der Armenpflege. Und das alles, weil sonst der Kapitalzins in einem Überfluss, in einem Meer von Kapital ersäuft würde!

Das Geld als Kapital erweist sich somit als ein Hemmschuh, als ein Hindernis für die freie Entwicklung und die Entfaltung aller Kräfte. Wie es selbst seinen eigentlichen Zweck zugunsten seiner Kapital-Eigenschaft absichtlich hintenan stellt, so überträgt es auch auf den gesamten Kapitalmarkt dasselbe Prinzip. Nicht dem volkswirtschaftlichen Bedürfnis und der Befriedigung der Nachfrage dienen deshalb die Produktionsmittel in erster Linie, sondern von dem Gesichtspunkt des Zinses, den sie abwerfen, hängen allein ihre Entstehung und ihr Angebot ab. Aber nicht um des Geldes und des Zinses willen arbeiten wir doch, sondern um der Produkte und Güter willen, die wir zum Leben gebrauchen! Das Geld hat nur den Zweck, den wechselseitigen Austausch dieser Produkte zu ermöglichen. Und diesen Zweck erfüllt es eben bisher nur unter fortwährender Tyrannisierung der Volkswirtschaft, unter unaufhörlicher Zinserpressung.

Außer den direkten Zinslasten haben wir also auch folgende indirekte Schädigungen der Volkswirtschaft festgestellt, die auf dem herkömmlichen Geldwesen beruhen: Um den Zinsertrag der Produktionsmittel und sonstiger Wirtschaftsgüter auf üblicher Höhe zu erhalten, verhängt das Geld-Kapital je nach Bedarf akute (vorübergehende) Wirtschaftskrisen, indem es sich vom Angebot zurückzieht. Um diesen Gütern aber überhaupt erst Kapital-Eigenschaft verleihen zu können und die Vorbedingungen zu schaffen, auf Grund derer sie im Dienst des Geldes Zins erheben können, muss die Volkswirtschaft außerdem auch dauernd eingeschnürt und gehemmt, in einer chronischen (immerwährenden) Krise erhalten werden. Auf diese Weise erzwingt das Geld eine ständige Unterproduktion an Realkapital und verhindert dadurch, dass sich Angebot und Nachfrage jemals ausgleichen können. Wer will den Schaden berechnen, den der Volkswohlstand auf diese Weise seit Einführung des Geldwesens erlitten hat und noch erleidet? Viele Milliarden an Gütern werden alljährlich auf diese Weise am Entstehen gehindert.

(Anmerkung: Diese auch als „Rentabilitätshürde des Urzinses“ bezeichnete und in der originalen Heiligen Schrift mit der Metapher „Berg“ umschriebene Ursache für die künstliche Knappheit des Sachkapitals verhindert - bis zur Überwindung des Kapitalismus durch eine freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform - z. B. die heute in der Bundesrepublik Deutschland gewünschte Energiewende. Die landschaftsverschandelnden Windräder ermöglichen eine etwas höhere Rendite für das Finanzkapital, als wenn dieses für wirklich umweltfreundliche Solarzellen oder gar – und eigentlich vernünftigerweise – für Solarzellen mit Akkumulatorpufferung eingesetzt würde. Die von der „hohen Politik“ mit blindwütigem und übereifrigem planwirtschaftlichem Aktionismus betriebene „Energiewende“ dient, solange unsere Volkswirtschaft noch kapitalistisch ist, nur dazu, höhere Renditen an Sparer und Großsparer zu zahlen, die wiederum mit staatlichen Subventionen gefördert und somit von der Gesamtheit aller arbeitenden Menschen (Zinsverlierer) über zusätzliche Steuern (so genannte „Energieumlage“) aufgebracht werden müssen. Noch sinnloser und uneffektiver kann eine „Energiepolitik“ nicht sein. Im Unterschied dazu wird sich nach der Verwirklichung der echten Sozialen Marktwirtschaft die nach heutigem Stand der Technik vernünftigste Energieversorgung (dezentrale Solarenergie mit Akkumulatorpufferung) durch Privatinitiative und ohne staatliche Zwangssubventionierung von allein durchsetzen.)   

b) So genannte „Überproduktion“ an Waren. Wie auf allen anderen Gebieten, so übt das Geld auch auf dem eigentlichen Warenmarkt - wie bereits erwähnt - seinen beherrschenden Einfluss aus. Es kann weder eine Ware erzeugt noch gehandelt werden, ohne dem Kapital, dem sie ihr Dasein und ihren Austausch verdankt, den üblichen Tribut einzubringen. Schon bei der Produktion bereitet das Geld den Waren den Markt vor, damit auch sie „Kapital“ sind und den Zins einbringen können; es stellt sich der Warenproduktion und dem Warenaustausch (Handel) eben nur soweit zur Verfügung, dass nicht etwa eine „Überschwemmung“ des Marktes durch die Waren - eine so genannte „Überproduktion“ - stattfinden kann. Eine solche ist nun zwar, vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus, nie zu befürchten, solange es Menschen gibt, die ihre Bedürfnisse bei weitem nicht befriedigen können, weil sie unterentlohnt werden, weil der Zinstribut die Hälfte ihres Arbeitsertrages auffrisst, oder weil ihnen das Kapital nicht gestattet, zu arbeiten - und sie daher auch nicht als Abnehmer für Waren in Betracht kommen. Vom Standpunkt des Zinses jedoch herrscht eine „Überproduktion“, sobald die Warenproduktion und der Handel sich im Hinblick auf die erzielbaren Preise und die Höhe der Arbeitslöhne nicht mehr in gewohnter Weise „rentiert“, d. h. verzinst.

Um dies zu verhüten, wird die Produktion - wie wir gesehen haben - von vornherein immer in zweckmäßigem Umfang eingeschränkt. Und selbst in Zeiten der Hochkonjunktur, wo fortgesetzte Preissteigerungen hohe spekulative Gewinne versprechen und die Geldzirkulation deshalb aufs Höchste gesteigert wird, stellt sich das Geld-Kapital der Warenproduktion und dem Handel nur so lange zur Verfügung, wie die allgemeine Preissteigerung und die vermehrte Kapital-Anlage nicht auf den Kapitalzins drückt. Sobald dieser Fall eintritt, schränkt das Geld auch seine Nachfrage und seine Aufträge für Waren wieder entsprechend ein. Die Einwirkung des Zinses auf die Konjunktur wird zwar vielfach durch Preisbewegungen gestört, die sich aus dem spekulativen Geldumlauf (Börsenspiel) ergeben, aber ebenso wenig wie das Auf und Ab der Meereswogen Ebbe und Flut aufheben kann, können jene Störungen die tiefenständigen Einwirkungen des Zinses aufheben. Die so genannte „Überproduktion“, die ja eigentlich während der ganzen Hochkonjunktur stattfindet, wird immer erst als überhaupt vorhanden und gefährlich empfunden, wenn die Hochkonjunktur (Hausse) in eine Krise (Baisse) umschlägt. Den während der Hochkonjunktur (wo alle Preise beständig steigen) in fieberhafter Arbeit erzeugten Waren fehlt dann plötzlich der Absatz, den soeben noch vergrößerten Betrieben fehlen die Aufträge, die Arbeiter, die bis dahin sogar mit Überstunden arbeiten mussten, werden entlassen usw. Die unmittelbare Veranlassung zu diesem Umschwung bildet das Abflauen der Preisbewegung infolge verringerten Geldumlaufs oder auch, weil der Geldumlauf das Höchstmaß erreicht hat und keine weiteren Preissteigerungen mit entsprechendem Gewinn mehr zu erwarten sind.

Aber über alle diese nächstliegenden Einzelursachen hinweg entscheidet letzten Endes der Kapitalzins über den gesamten Geldumlauf - und damit auch über die Preisbewegung des Warenmarktes. Solange der Zins des angelegten Kapitals hoch ist, wird der Geldumlauf groß sein oder doch nicht wesentlich geringer werden. Dadurch bleibt die Volkswirtschaft in Vollbetrieb, die Nachfrage stark und die Warenpreise im allgemeinen hoch, wenngleich sie auch aus einem der obigen Gründe nicht weiter steigen, in einigen besonders hochgetriebenen Geschäftszweigen sogar sinken können. Fällt aber der Zinsertrag der Kapitalanlagen, so stockt auch der gesamte Geldumlauf und die Preise sinken dann auf allen Gebieten der Volkswirtschaft.

Volkswirtschaftlich betrachtet ist es überhaupt ein Unsinn, von „Überproduktion“ zu reden, solange die Tatsache des Zinses uns klipp und klar beweist, dass auf keinem Gebiet der Volkswirtschaft die Nachfrage nach Kapital gesättigt ist, solange daher nicht jedermann die Möglichkeit hat, sich durch Arbeit die Dinge, die ihm so nötig fehlen, zu erwerben, durch seinen Konsum also der „Überproduktion“ abzuhelfen. Dies könnte jedoch - wie bereits aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich ist und auch weiterhin nachgewiesen wird - nur durch eine entsprechende „Überproduktion“ an Realkapital erreicht werden. Aber — infolge beständiger Unterproduktion an Realkapital — empfängt heute keiner den vollen Ertrag seiner Arbeit als Lohn, und so ist auch keiner in der Lage, ebensoviel zu konsumieren, als er durch seine Arbeit erzeugt, selbst wenn er auf jegliches Sparen verzichten würde.

Nun konsumieren zwar die Empfänger des arbeitlosen Einkommens (also die Grund- und Zinsrentner), die doch als solche keinerlei Güter erzeugen, ihrerseits anstelle der Arbeiter einen großen Teil der Arbeitsprodukte. Und wenn dieser Konsum auch die beständige Ausbeutung der Arbeitenden zur Voraussetzung hat, also auf deren Kosten vor sich geht, so dürfte es immerhin nicht zu eigentlichen Absatzstockungen (so genannter Überproduktion) und darauf beruhender Arbeitslosigkeit kommen. Selbst die, von den Rentnern und Kapitalisten aus erübrigtem Zins und Zinses-Zins gemachten Rücklagen müssten, da sie zu neuer Kapitalbildung dienen, das Kapitalangebot vermehren und deshalb eher zu einer Vermehrung der Produktion und des Warenabsatzes führen - wenn das vorhandene Geld-Kapital immer uneingeschränkt angeboten würde. Jedoch den Ast, auf dem er sitzt, sägt niemand selbst ab: die Möglichkeit der Ausbeutung der Arbeitenden und somit das unverdiente Zinseinkommen der Kapitalisten beruht ja gerade auf der Macht, mit Hilfe der Geldsperre die Produktion je nach Gutdünken einzuschränken oder zeitweilig ganz zu verhindern. Der Ausfall an Zins bedeutet ja ein kleines Opfer, welches der Kapitalist bringt, um sich den weiteren üblichen Zinsbezug zu sichern; aber dies Opfer ist nötig und wird reichlich aufgewogen durch die umso größere Arbeitswilligkeit der Arbeiter und deren bescheidene Lohnforderungen bei Beendigung der „Überproduktion". Die kleine Einschränkung, die sich der Kapitalist vorübergehend auferlegt, bedeutet ja für den Arbeiter Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend und macht ihn auch für weniger kritische Zeiten ängstlich und gefügig.

Volkswirtschaftlich gibt es überhaupt keine Grenze für den Umfang der Produktion und den Absatz der Produkte; diese Grenze wird allein durch die Bedürfnisse der Menschen, durch ihre Leistungsfähigkeit und ihre Arbeitswilligkeit bestimmt. Wenn alle Arbeitswilligen ununterbrochen ihre Kräfte anspannen dürften, um zu produzieren, so wären sie auch sehr bald in der Lage, ihre Produkte wechselseitig, je nach Maßgabe der persönlichen Arbeitsleistung, zu konsumieren; die erarbeiteten und ersparten Überschüsse aber in Form zinsfreier Kredite in Anspruch zu nehmen.
Nur vom privat-wirtschaftlichen Gesichtspunkt des Zinses und der Spekulation herrscht jemals „Überproduktion“. Und dass diese dem Zins nicht gefährlich werden kann, dafür sorgt immer rechtzeitig die Macht des Geldes. Höchstens der Warenbesitzer, der seine Vorräte nun nicht los wird, könnte von Überproduktion sprechen; aber im Hinblick auf die gierigen und sehnsüchtigen Blicke der Arbeitslosen, die ihm - wenn sie Arbeit und Lohn hätten - gern seine Ware abkaufen würden, wird er nicht von „Überproduktion“ faseln, sondern einsehen, dass es sich um eine willkürliche Verhinderung der Produktion zum Schutz der Zinsinteressen des Kapitals und daraus hervorgehender Unterkonsumtion - also um eine Stockung des Geldumlaufs - handelt.

c) Erschwerung und Verteuerung des Handels. Ebenso willkürlich, wie das Geldkapital mit der Produktion umspringt, verfährt es auch mit dem Austausch der Produkte — mit dem Handel. Auch dem Handel stellt sich das Geld nicht aus volkswirtschaftlichen, menschenfreundlichen oder sonstigen Gründen zur Verfügung, sondern auch hier besteht die Bedingung, dass sich das im Handel angelegte eigene oder geborgte Geld (Handelskapital) verzinst. Das Angebot von auszutauschenden Waren kann noch so groß und dringend sein — das kümmert das Handelskapital nicht im geringsten. Soweit der Handel nicht außer den kaufmännischen Gehältern und den gewöhnlichen Spesen und Kosten auch den regelrechten Zins abwirft, unterbleibt er eben, das heißt, das sonst für den Handel bestimmte Geld stellt seine Nachfrage nach Waren ein, erteilt keine Aufträge an die Fabrikanten usw. Und da der gesamte Warenaustausch auf den Handel, also auf die Vermittlung des Geldes, angewiesen ist, so hat auch das Geld in den Händen der Kaufleute und Banken die Macht, die Preise sowohl bei den Produzenten als auch für die Konsumenten durch entsprechende Zurückhaltung des Geldangebotes, d. h. der Nachfrage und der Aufträge für die Warenerzeugung, immer so zu gestalten, dass sich der Handel rentiert.

Die Waren müssen somit stets durch den Handel in ihrem Preis die übliche Zinsrate aufbringen für alles Kapital, dessen sie sowohl bei der Produktion als auch beim Austausch bedürfen, bis sie in die Hand des Verbrauchers gelangen. Anderenfalls unterbleibt ihre Erzeugung und die Arbeiter dürfen nicht arbeiten. Indem das Geld nicht nur die Entstehung von Produktionsmitteln und sonstigem Realkapital beherrscht, sondern auch die Produktion der Waren und ihre Preisbildung durch den Handel, und da alle Zweige der Volkswirtschaft miteinander in Wechselwirkung stehen, so ist damit der eherne kapitalistische Ring geschlossen, den das Geld um die ganze Volkswirtschaft legt. Und dass sich nichts seiner Macht entziehen kann, drückt sich in dem gleichen Zinsertrag aller Kapitalanlagen aus. Sobald nun aber der Kaufmann von einem Geldbesitzer zu einem Warenbesitzer geworden ist, befindet er sich (obwohl in beiden Fällen „Kapitalist“) doch in einer gänzlich veränderten Lage. Während er bisher als Geldinhaber und Auftraggeber der Überlegene war, befindet er sich nun als Warenbesitzer dem Geld gegenüber in ähnlicher Situation, wie vorher die Produzenten und die Ware ihm gegenüber. Es gilt nun für ihn, seinerseits den Widerstand des Geldes zu überwinden. Und obwohl auch er als Geldbesitzer mit dafür gesorgt hat, dass keine „Überproduktion“ von Ware eintreten kann, so ist es doch immerhin schwierig, das im Interesse des Zinses gebotene Maß richtig zu beurteilen, da sich das Handelskapital ja privatwirtschaftlich in vielen Händen befindet und die Kontrolle der Gesamtproduktion daher erschwert ist. Beurteilt auch der einzelne Kaufmann die Marktlage richtig, so können doch andere sich irren und der einzelne würde privatwirtschaftlich das Opfer des Irrtums der anderen werden, indem vielleicht durch unvorsichtiges Disponieren die gesamten Waren-Abschlüsse doch größer werden, als sie im Hinblick auf die Rentabilität des Handelskapitals sein sollten. Es besteht dann die Gefahr, dass die Preise infolge der nunmehrigen Zurückhaltung des Handelskapitals sinken (Handelskrise). Bei sinkenden Preisen kann aber der Kaufmann nur mit Verlust arbeiten, die Verkaufspreise können unter die Einstandspreise zu stehen kommen, und dies will und muss natürlich jeder für sich vermeiden, denn sind die Preise einmal in Bewegung nach abwärts, so weiß niemand, wie weit es geht. Der Kaufmann ist dann in Gefahr, nicht nur den auf seinen Warenbestand entfallenden Kapitalzins zu verlieren, indem er ihn nicht beim Verkauf seiner Waren erheben kann, sondern auch sein in Waren angelegtes Geld - sein Vermögen - kann er teilweise, unter gewissen Umständen sogar ganz einbüßen.

All diesen Gefahren sucht der Handel dadurch zu entgehen, dass er seinerseits nun nicht wartet, bis seine Abnehmer ihm ihr Geld ins Haus bringen und damit seine Warenbestände kaufen, sondern der Handel, soweit er im Besitz von Waren ist, geht dem Geld entgegen; er schickt Vertreter und Reisende mit Proben und Mustern zu den Abnehmern, denn jeder will sich aus einem Warenbesitzer wieder in einen Geldbesitzer verwandeln, abgesehen von der jedesmaligen Differenz. Also auch hier wieder dasselbe Bild: das Warenangebot ist (trotz der z. B. durch Krieg geschaffenen Ausnahme) dringender, eiliger als das volkswirtschaftliche Geldangebot, es geht dem Geld entgegen, trotzdem der Markt durch die Kaufleute schon so vorbereitet ist, dass die Waren in der Regel zu einem Preis verkauft werden, der außer dem Einstandspreise und den sonstigen Spesen, vor allem auch den Zins für das im Handel angelegte Geld einbringt.

Aber keiner will der letzte sein; Zeit ist Zinsverlust, Zeit ist Risiko, Zeit ist verderblich für die Waren: darum unterhält der Handel ein Heer von Agenten, Vertretern und Reisenden an allen Orten der Welt. Darum wendet er Millionen auf für Reklame, um die Käufer anzulocken, um seinen Warenbesitz immer wieder so schnell als möglich in Geldbesitz umzuwandeln, um das Widerstreben des Geldes, sich gegen Ware einzutauschen, zu überwinden. Auf all die Schwierigkeiten des Warenaustausches ist es zurückzuführen, dass die zur Überwindung dieser Schwierigkeiten nötigen Aufwendungen, die bloßen Handelsspesen, im Durchschnitt etwa 40 Prozent des Preises ausmachen, bevor die Ware in die Hände der Verbraucher gelangt, was soviel heißt, dass auf je 6 Mark Arbeitslohn 4 Mark Spesen (Handelsspanne) aufgeschlagen werden.

Wenn wir uns nun zum Schluss noch vorstellen, welcher Ausfall an Volksvermögen und Gütern aller Art dadurch entsteht, dass die große Zahl der Rentner, Kapitalisten und sonstigen Zinsempfänger, sowie das Riesenheer der im Handel und bei der Reklame beschäftigten Personen, der produktiven Arbeit entzogen ist, so haben wir ein Bild von den Schäden, die das herkömmliche Geldwesen verursacht. Das bisher Gesagte dürfte jedenfalls genügen, um die ganze Verderblichkeit des auf dem übermächtigen Geld, als dem Ur-Kapital, sich aufbauenden kapitalistischen Wirtschaftssystems zu offenbaren. Die Massenarmut, die sich überall als Kehrseite der kapitalistischen Kultur zeigt, hat ihre gesetzmäßige, automatisch wirkende volkswirtschaftliche Ursache vor allem in den Vorzügen, die das herkömmliche Geld als Spar- und Schatzbildungsmittel gegenüber allen anderen Arbeitsprodukten hat.

Dadurch ist nicht nur eine systematische, immerwährende Ausbeutung der Arbeit durch den Besitz ermöglicht, sondern auch die volle Entfaltung und Betätigung der produktiven Kräfte wird dauernd verhindert, um des Zinses willen. Damit das mühe- und arbeitslose Einkommen nicht Schaden leidet, wird die ganze Volkswirtschaft dauernd geschädigt. Die Übermacht des Geldes, die sich im „Zins“ ausdrückt, ist die Ursache dafür, dass die Reichen ohne eigenes Verdienst immer reicher werden – und die Armen ohne Schuld immer arm bleiben, dass die Arbeiter dazu verurteilt sind, ewig armselige Proletarier zu sein.

Die ganze so genannte „Soziale Frage“, soweit sie volkswirtschaftlicher Natur ist und es sich auch nicht um die Wirkung des Privatgrundbesitzes handelt, ist nur eine Geldfrage!

1j) Die Unterschätzung der Macht des Geldes

Bei oberflächlicher Betrachtung des Geldwesens könnte es leicht so scheinen, als ob die Menge des vorhandenen Bargeldes (Zentralbankgeld) im Verhältnis zu dem riesigen Organismus der Volkswirtschaft doch wohl viel zu gering ist, um so gewaltige Wirkungen hervorzubringen, wie es hier dargelegt wird. Jeder Harmlose - und das sind in diesen Fragen die allermeisten - wird auf die realen Güter hinweisen und demgegenüber den Einfluss des baren Geldes als bedeutungslos ansehen. Er wird weiter in den Geldsurrogaten (Wechsel, Schecks, Kreditbriefe) sowie in der beständigen Zunahme des Kredites und der bargeldlosen Verrechnungsweise (Clearing und Girokonten) eine ebensogroße Abschwächung der Macht und Bedeutung des baren Geldes erblicken. Aber - man denkt dabei falsch!

Die Einrichtung all dieser „Erleichterungen“ des Zahlungsverkehrs ist erst die Folge der Erschwerung, die das überlieferte Geldwesen der Volkswirtschaft bereitet; sie ist außerdem nur ermöglicht und aufgebaut auf dem Vorhandensein und dem Umlauf des baren Geldes. Zieht sich das bare Geld zurück, stockt sein Umlauf, so verlieren auch alle jene Einrichtungen und Erleichterungen ihr Fundament, ihre Sicherheit und versagen gerade dann, wenn sie am nötigsten wären. Alle Kredite, Guthaben, Wechsel, Schecks, Verrechnungen und dergleichen sind ja - trotzdem sie zeitweilig bares Geld ersetzen - letzten Endes nichts weiter, als Geldforderungen, sie lauten sämtlich auf bares Geld, die Banknoten (und Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken), dem „gesetzlichen Zahlmittel“. Das bare Geld muss also immer erreichbar und greifbar vorhanden sein, damit die Geldforderungen nicht „leer“ sind, sondern immer rechtzeitig realisiert werden können. Der ganze Aufbau an Krediten, Stundungen, Wertpapieren, Staatsschulden, Hypotheken, Wechseln, Geldsurrogaten und Verrechnungskonten, ja - einschließlich der realen Güter -, der sich auf der Zentralbank-Geldmenge erhebt, gleicht einer auf die Spitze gestellten Pyramide! Je größer der Bau ist, der sich auf dem kleinen Fundament erhebt, umso größer ist die Wirkung der geringsten Verschiebung dieser kleinen Grundfläche, um so gefährlicher sind alle Vorgänge, die das bare Geld betreffen, für die Volkswirtschaft; um so wichtiger das Fundament.

(Aus dem ungeheuren Missverhältnis zwischen dem überhaupt vorhandenen baren Geld und den bestehenden Geldforderungen lässt sich eigentlich schon erkennen, dass der einzelne Staatsbürger nur ein Recht auf die Benutzung des Geldes als Tausch- und Zahlmittel - nicht aber ein Eigentumsrecht auf das Geld selbst haben kann. Wo bleibt da übrigens der „feste innere Wert“ des Geldes?)

Ebenso falsch wie die hier widerlegte Meinung über die Macht und Bedeutung des Geldes ist seit jeher die über die Natur des Zinses verbreitete. Hat man doch Jahrhunderte hindurch allen Ernstes versucht, den Zins einfach zu verbieten! So sehr auch das feine Empfinden für soziale Gerechtigkeit, welches sich z. B. in dem Zinsverbot der katholischen Kirche ausdrückt, anzuerkennen ist, so wirkungslos, ja schädlich, sind alle derartigen Angriffe auf den Zins bisher gewesen. Und wenn heute wieder durch ein Gesetz der Zins verboten würde, so könnte sich morgen jedermann davon überzeugen, dass unser aus dem grauen Altertum stammendes Geld sich ganz und gar nicht zum modernen Tauschmittel eignet. Es würde sich sofort auf seine Vorzüge als Spar- und Schatzmittel besinnen und sich vom Markt und aus dem Verkehr zurückziehen, die Volkswirtschaft aber ihrem Schicksal überlassen.

Wer hätte denn auch nach Fortfall des Zinses noch ein Interesse daran, seine Ersparnisse oder seine sonstigen Geldüberschüsse aus der Hand zu geben; im Gegenteil würde jeder bemüht sein, alle Guthaben und Forderungen möglichst bald einzukassieren, das in seinen Besitz gelangte Geld dann aber nicht wieder in Form von Darlehen oder Kapitalanlagen aller Art in Umlauf zu setzen, sondern es festhalten, einschließen - also einen „Schatz“ anlegen. Die Funktionen der öffentlichen Sparkassen und der Banken als Kreditinstitute würden aufhören, denn die Sparer hätten ebenso wenig Veranlassung, ihr Geld in Umlauf zu setzen, wie heute ein Grundbesitzer den Boden, den er nicht persönlich benutzen kann, anderen ohne Entgelt überlässt. Und die Kreditinstitute hätten ja auch keine Veranlassung, Spargelder und Depositen anzunehmen, an denen sie nichts verdienen können, denn ihre Existenz beruht ja nur auf der Differenz des Zinssatzes, den sie selbst den Sparern zahlen und demjenigen, den sie ihrerseits für Darlehen, Wechselkredite usw. verlangen. Karl Marx nennt es „abgeschmackt und inhaltlos, wollte man vermittels eines Umweges denselben Geldwert gegen denselben Geldwert austauschen.“ („Das Kapital", 6. Aufl., S. 110), und fährt fort: „Ungleich einfacher und sicherer bliebe die Methode des Schatzbildners, der seine 100 Pfund Sterling festhält, statt sie der Zirkulationsgefahr preiszugeben.“ Hier verwischt Marx die Natur des Zinses, indem er ihn von der Zirkulationsgefahr ableitet. Diese Gefahr findet jedoch in der „Risikoprämie“ des jeweiligen Zinsfußes ihren Aufdruck, die absolut nichts mit dem eigentlichen Zins (den Gesell „Urzins“ nennt) zu tun hat.

(Anmerkung aus Der Zins - Mythos und Wahrheit: Der Kreditzins, den Unternehmer für Investitionskredite an die Geschäftsbanken zahlen, besteht aus der Bankmarge und dem Guthabenzins, den die Geschäftsbanken an die Sparer zahlen. Die Bankmarge minus Risikoprämie (Kreditausfall-Versicherung) minus Personal- und Sachkosten ist der Gewinn der Geschäftsbanken vor Steuern, und der Guthabenzins der Sparer ist die Liquiditätsverzichtsprämie (Urzins) plus Knappheitsaufschlag plus Inflationsaufschlag. Der Realzins (Sparer-Gewinn) ist der Guthabenzins minus Inflation.)

Aber es erübrigt sich, die Folgen eines Zinsverbotes hier weiter auszumalen. Ein derartiges Gesetz wird niemals kommen, denn jeder Staat, der bei dem heutigen Geldwesen etwas Derartiges unternehmen wollte, würde sich selbst zugrunde richten. Wir haben gesehen, dass sogar im Krieg die mächtigsten Staaten der Welt den Zins respektieren. Die Zins erzeugende Macht des Geldes hat sich noch immer stärker erwiesen als alle sonstigen Gewalten. Und wenn man auch ohne weiteres voraussetzen dürfte, dass man von Seiten etwaiger zinsfeindlicher Gesetzgeber mit aller Vorsicht zu Werke gehen und z. B. Umfang und Frist für die Kündigung von Guthaben festlegen würde, um statt eines plötzlichen Zusammenbruchs einen allmählichen Abbau zu erzielen, so würden die oben angedeuteten Wirkungen trotzdem ebenso sicher eintreten.

Was vor vielen Jahrhunderten selbst der damals allmächtigen katholischen Kirche nicht gelang, obwohl damals das Kreditsystem noch wenig entwickelt war und die Volkswirtschaft noch in den Kinderschuhen steckte, das wird im Zeitalter des modernen Kapitalismus noch viel weniger gelingen. Das Zinsverbot der Päpste (z. B. Clemens V. auf dem Konzil zu Vienne 1311) prallte wirkungslos an der Macht des Geldes ab, d. h., es wurde zwar kein Zins gefordert -, es war aber auch kein nennenswerter, volkswirtschaftlicher Geldumlauf vorhanden, weil eben niemand das in seinen Besitz gelangte Geld zinsfrei anbot.

Das so genannte Mittelalter stand infolgedessen im Zeichen einer Jahrhunderte andauernden Wirtschaftskrise, wodurch die ganze Kulturentwicklung gehemmt wurde. (Die kulturelle und wirtschaftliche Rückständigkeit der mohammedanischen Länder scheint mir zum großen Teil ebenfalls auf dem für die Mohammedaner bestehenden Zinsverbot zu beruhen, obwohl hier auch noch andere Ursachen mitwirken.) Erst die Entdeckung Amerikas und das von dorther kommende Silber (als Geldstoff!) gab einen neuen, gewaltigen Anstoß für die Geldwirtschaft und die Arbeitsteilung, für Handel und Verkehr, der nur so mächtig werden konnte, weil die großen Handelshäuser (z. B. die Fugger, Welser u. a.) sich einfach nicht mehr um das päpstliche Zinsverbot kümmerten. Und dieser Macht des Geldes sind sich die Geldinhaber und -Beherrscher aller Zeiten bewusst gewesen und sind es noch heute. „Geld bringt Zinsen“, lautet ihre sehr einfache Weisheit; aber sie genügt, um dem, der über eine gewisse Geldsumme verfügt, ein Leben ohne Arbeit auf Kosten anderer zu verschaffen. Und solange das Geld sich als Spar- und Schatzmittel besser eignet, als alle anderen Dinge, so lange wird es sich diese Überlegenheit, diese Ausnahmestellung nutzbar machen und nur unter der Bedingung des Zinses seinen Zweck des Warenaustausches erfüllen.

Aber weil man nach dem Vorbild des aus dem grauen Altertum überlieferten Geldes, eine „Über-Ware“, ein Spar- und Schatzmittel zum Tauschmittel gemacht hat, deshalb sind alle anderen Waren, ebenso wie die Arbeitskraft, ihm gegenüber immer im Nachteil, immer seiner Willkür, seinen Zins-Interessen, schutzlos preisgegeben. Da es - wie wir gesehen haben - die Produktion und den Austausch aller Güter absolut beherrscht, so hat dieses Geld auch die Macht, allen Anfeindungen zum Trotz auf seinen Tribut zu bestehen und jeden Angriff auf seinen Sprössling - den Zins - an der Volkswirtschaft zu rächen. Es wäre also ein ganz vergebliches Bemühen und obendrein sogar ein gefährliches Unterfangen, den Zins mit irgendwelchen Gewaltmitteln, Gesetzen und Verboten bekämpfen zu wollen.

(Anmerkung: Ein Zinsverbot ist nichts anderes als Scheinheiligkeit; und angesichts der alles überragenden Bedeutung im negativsten Sinne, die der Urzins in der bisherigen Kulturgeschichte gespielt hat, ist ein Zinsverbot wohl die Scheinheiligkeit schlechthin. Sicher, die „heilige katholische Kirche“ wusste und weiß nicht, was sie tut - und sobald sie es weiß, hört sie auf zu existieren; das gilt ebenso für den Islam und das Judentum. Weil sich die katholische Kirche aber auf Jesus von Nazareth beruft, wäre es eigentlich ihre Aufgabe, die Natürliche Wirtschaftsordnung zu verwirklichen und sich damit selbst aufzulösen. In jedem Fall wäre das für alle aktiv daran Beteiligten unvergleichlich vorteilhafter, als sich vom ohnehin Unvermeidlichen überrollen zu lassen und als Letzte zu begreifen, dass der „Himmel auf Erden“ – nach der gesetzlich verbindlichen Ankündigung einer freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform in der Bundesrepublik Deutschland – schon verwirklicht ist. Sich vorher noch rechtzeitig aus dem Staub zu machen und zurückzutreten, kann im Nachhinein auch nicht mehr als Ruhmestat gewertet werden: Offene Briefe) 


2a) Die Voraussetzungen für die Reform des Geldwesens

Wer meinen Ausführungen bis hierher gefolgt ist und die Bedeutung der Zinsfrage begriffen hat, der wird - sofern er nicht selbst am Zins interessiert ist und er dieses Interesse höher einschätzt als sein Gerechtigkeits-Bedürfnis - ebenso ein Feind des Zinses sein, wie wir es sind. Allerdings glaubt vielleicht mancher, am Zins interessiert zu sein, weil er 100 oder gar 500 Mark Zinsen im Jahr aus seinen Ersparnissen bezieht. Dies ist ja aber gerade das Erschwerende, dass das Kapital mit solch kleinen, elenden Bestechungsgeldern auch diejenigen ködert und vor seinen Wagen spannt, die es bei alledem mehr schädigt, als es ihnen nutzt. Das privatwirtschaftliche Interesse für oder gegen den Zins ist zwar kaum zahlenmäßig zu berechnen; aber ein jeder, der heute den größten Teil seines Einkommens durch körperliche oder geistige Arbeit verdient, kann nur gewinnen, wenn der Zins aus der Volkswirtschaft verschwindet.

(Anmerkung: Der Kapitalismus – die Erbsünde – wird eben nicht von den Zinsinteressen der wenigen echten Zinsgewinner aufrechterhalten, sondern von der Religion. Im „Programm Genesis“, dem bisher noch nicht allgemein gelöschten Betriebssystem des gegenwärtigen Kulturmenschen, will jeder – auch wenn es noch so aussichtslos ist - aus seinem Unterbewusstsein heraus auf Kosten anderer existieren (Zinsgewinner), damit andere nicht auf seine Kosten existieren (Zinsverlierer), denn eine dritte Möglichkeit – die eigentliche Definition von Leben – ist im Programm nicht vorgesehen. Erst nach der geistigen bzw. gedanklichen „Rückkehr ins Paradies“, d. h. der bisher von der Religion unterdrückten Wiederherstellung der Unterscheidungsfähigkeit zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus, wird der eigentliche zivilisatorische Normalzustand, in dem niemand einen unverdienten Knappheitsgewinn auf Kosten der Mehrarbeit anderer erzielen bzw. sich an der „Frucht vom Baum der Erkenntnis“ bedienen kann, für die Allermeisten überhaupt „denkbar“. Wäre es anders, müssten alle Zinsverlierer – also 90 Prozent – sich sofort von der Natürlichen Wirtschaftsordnung überzeugen lassen, und der Kapitalismus wäre längst überwunden.)

Der Zins kann aber nicht bekämpft werden, wenn das herkömmliche Geldwesen, auf dem er beruht, weiter bestehen bleibt. Dies eben war der verhängnisvolle Irrtum all derjenigen, die es bisher versucht haben, dem Zins beizukommen. Niemand - außer Silvio Gesell - hat bisher die Ursache des Zinses richtig erkannt und darum hat auch keiner ein wirksames Mittel zu seiner Bekämpfung gefunden! Sie alle, von den Päpsten bis zu den Sozialisten, richteten ihr Augenmerk immer nur auf die Wirkung (den Zins), anstatt auf die Ursache (das Geld). Wollen wir aber die Wirkung nicht haben, so müssen wir die Ursache beseitigen, dann fällt die Wirkung von selbst fort.

Wir haben gesehen, dass die Ursache des Zins-Unfugs darin besteht, dass das kapitalistische Geld infolge seiner Ausnahmestellung und Beschaffenheit sich nicht für seinen Zweck, den Güteraustausch, eignet. Indem es zugleich als Spar- oder Schatzmittel missbraucht werden kann, dient es in erster Linie dem Zins - also der Erlangung eines unverdienten, arbeitlosen Einkommens - seitens seiner Besitzer und Beherrscher. Unter Beeinträchtigung und Schädigung seines volkswirtschaftlichen Zweckes, der einzig und allein im glatten Güteraustausch zu bestehen hat, dient es somit privatem Missbrauch. Soll aber der Austausch der Güter (Waren und Arbeitsleistungen) glatt, d. h., ohne irgendwelches „Aufgeld“, ohne jede „Extra-Entschädigung“ schnell, sicher und ohne Unterbrechung vor sich gehen, so müssen wir dem Geld eben seine Ausnahmestellung nehmen. Und da dieselbe wiederum auf den Vorzügen beruht, die das herkömmliche Geld durch seine Beschaffenheit gegenüber den Waren und der Arbeitskraft hat, so müssen wir diese seine Beschaffenheit dahin abändern, dass es seine bisherigen Vorzüge einbüßt. Denn jeder Vorzug beim Geld ist ein Nachteil für die Ware - und für die sie erzeugende Arbeit.

Um die Volkswirtschaft von der Tyrannei des Geldes ein für allemal zu befreien, müssen wir das Geld auf die Rangstufe von Ware und Arbeit herabsetzen, damit es sich ebenso dringend und beständig anbieten, sich der Produktion und dem Güteraustausch ebenso bereitwillig zur Verfügung stellen muss, wie Ware und Arbeit es ihrerseits auch aus Gründen ihrer natürlichen Beschaffenheit tun müssen. Einen Tyrannen können wir nicht als Vermittler des Austausches unserer Produkte und Leistungen gebrauchen! Die ganze Volkswirtschaft beruht auf der Gegenseitigkeit des Austausches, alle müssen sich gegenseitig dienen, um ihre Bedürfnisse wechselseitig befriedigen zu können: Wo aber alle dienen, soll da das Geld herrschen? Wenn das Geld seinen Zweck als Tauschmittel zuverlässig und einwandfrei erfüllen soll, ohne die Interessen der Arbeit zu schädigen, so kann und darf es nicht zugleich auch als Spar- und Schatzmittel zu gebrauchen sein, denn dadurch wird es zum Ausbeutungs- und Erpressungsmittel.

Als Tauschmittel müssen wir vom Geld den beständigen gleichmäßigen Umlauf unter allen Umständen verlangen! Wir haben aber gesehen, dass es als Spar- und Schatzmittel ein entgegengesetztes Bestreben hat, denn nur auf der Möglichkeit einer Sperrung seines Umlaufs beruht ja die Kapitaleigenschaft des Geldes und somit auch der Zins. Als Tauschmittel soll das Geld umlaufen, von Hand zu Hand gehen; als Sparmittel - oder sagen wir lieber gleich „Sperrmittel“ - soll es dagegen bei uns bleiben, still im Kasten liegen. Und wir lassen es nur wieder los, weil uns ein dauerndes „Lösegeld“ (Zins) dafür geboten wird. Hier – in diesem Doppelcharakter – liegt eben der große volkswirtschaftliche Fehler unseres Geldes! Wie es schon in der Bibel heißt: „Niemand kann zwei Herren dienen“, so kann auch das Geld nicht zwei vollständig entgegengesetzten Zwecken zugleich dienen. Darum müssen wir ihm seinen Doppelcharakter nehmen, um es zur Erfüllung seiner Aufgabe als eines öffentlichen Tauschmittels geeignet zu machen! Wer sparen oder Schätze sammeln will, der mag es immerhin tun; die Güter und Herrlichkeiten der ganzen Welt stehen ihm zur Verfügung, aber vom Lebensnerv der Volkswirtschaft - vom Geld - soll er seine Hände lassen!

Da uns aber die Erfahrung von Jahrtausenden gelehrt hat, dass alle Machtmittel, ebenso wenig wie alle Moralpredigt, es bisher vermocht haben, dem obigen Gebot der Volkswirtschaft Gehorsam zu verschaffen, so müssen wir das Geld der Zukunft so gestalten, dass es infolge seiner veränderten Beschaffenheit seine Inhaber zwingt, ihre volkswirtschaftliche Pflicht zu erfüllen und jeden Missbrauch selbständig verhindert. Wer seine eigenen Produkte oder Leistungen an andere gegen Geld eingetauscht hat, der soll auch den anderen wiederum die Möglichkeit geben, ihre Produkte gegen Geld einzutauschen, dies ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch die Voraussetzung des Güteraustausches und der Volkswirtschaft überhaupt.

Wer aber zwar seine eigenen Produkte absetzen will, andere aber durch Missbrauch des in seinen Besitz gelangten Geldes daran hindert - der verdient Strafe. Und Silvio Gesell hat ein Geld erfunden, welches jeden Geld-Inhaber nicht nur zwingt, seine volkswirtschaftliche Pflicht zu erfüllen, sondern ihn auch im Falle der Widersetzlichkeit und etwaigen Missbräuchen automatisch und gerecht bestraft. Dies neue Geld, welches seinem jeweiligen – vorübergehenden – Nutzer einen regelmäßigen Verlust (Umlaufsicherungsgebühr) erleiden lässt, wenn er es nicht weitergibt – also entweder gegen Waren tauscht oder verleiht -, nennen wir im Unterschied zu dem heutigen kapitalistischen Geld (Zinsgeld), das Freigeld. Weil es ebenso „verdirbt“ wie alle Produkte menschlicher Arbeit verderben, wenn es seinen Zweck des ununterbrochenen Güteraustausches nicht erfüllt, nicht beständig zirkuliert und durch fortwahrendes Angebot im Umlauf gehalten wird, wird dieses Geld alle die hier aufgedeckten Übel für immer beseitigen.

2b) Das Freigeld und seine öffentliche Verwaltung              

Im Gegensatz zum bisherigen kapitalistischen Geld, welches auf künstliche Weise den natürlichen Gesetzen des Verfalles und der Zersetzung, denen alle anderen Produkte unterliegen, entrückt ist, unterliegt das Freigeld denselben natürlichen Gesetzen wie Ware und Arbeit. Das Freigeld unterliegt einem regelmäßigen Verlust, dessen theoretische Mindesthöhe 5% jährlich und dessen praktische Höhe nach Zweckmäßigkeit festgesetzt wird. Der Zweck der Gebühr ist ein doppelter: einmal wird dem Geld dadurch seine bisherige Übermacht und damit die Möglichkeit genommen, die Volkswirtschaft zu tyrannisieren; sodann bietet es aber auch für das zu errichtende staatliche Währungsamt (das keine Bankgeschäfte mehr betreibt) die einzige Handhabe zu einer zweckmäßigen währungstechnischen Verwaltung des Geldes, an der es bisher noch in allen Staaten mangelt. Und am Ende der vielen segensreichen Wirkungen dieser Geldreform winkt uns die Erlösung von der unerhörten Zinsknechtschaft.

(Anmerkung: Nur weil ein gewisser G. Feder von einer „Brechung der Zinsknechtschaft“ phantasierte, die mit Freiwirtschaft nichts zu tun hatte und zudem von einem gewissen A. Hitler wieder verboten wurde, aber den letzten Überlebenden des Marxismus heute nichts Besseres einfällt, als diese historische Banalität als ein „Argument“ für die angebliche „Anschlussfähigkeit nach rechts“ der Freiwirtschaft zu propagieren, besteht kein Grund, die ursprüngliche Formulierung zu ändern, die lange vor dem Aufkommen des deutschen Nationalsozialismus entstand – welcher sich als politische Gegenreaktion zum russischen Kommunismus (Staatskapitalismus) herausbildete. Die Freiwirtschaft ist aber ganz und gar unpolitisch. Die „Erlösung von der Zinsknechtschaft“ ist eben genau die „Erlösung“, die auch in der Heiligen Schrift als solche bezeichnet wird und zugleich die Erlösung von Politik (Machtausübung) und Religion (Machterhalt) beinhaltet.) 

Wer das Freigeld in die Hand bekommt, wird gewiss nicht lange darüber im Zweifel sein, dass es sich nicht zum Zurückhalten und Aufbewahren eignet, denn je länger er dieses Geld behält, umso größer ist der Verlust, den er erleidet. Und je größer die Geldsumme ist, die sich in den Geldschränken der Kapitalisten, Sparkassen und Banken befindet, umso größer ist auch die Verlustsumme, die sie im Falle einer Zurückhaltung des Geldes zu tragen hätten. Die Inhaber dieses Geldes haben also allen Grund, dasselbe nunmehr möglichst schnell wieder in Umlauf zu setzen, sei es durch sofortige Bezahlung von Schulden, Gewährung von Darlehen, oder durch Anlage in landwirtschaftlichen und industriellen Unternehmungen oder im Handel. Man sieht also sofort, dass das Freigeld sich nicht - wie das kapitalistische - aufs „hohe Pferd“ setzen und seinen Umlauf von einem Tribut abhängig machen -, dass es nicht „warten“ kann. Um dem regelmäßigen Verlust zu entgehen, muss es sich ebenso unaufhörlich anbieten, wie Ware und Arbeitskraft; ebenso wie diese unterliegt es nunmehr einem fortwährenden Angebotszwang.

(Anmerkung: Aufgrund der Religion – die heute klar als kollektive Geisteskrankheit erkannt werden muss – kann hier sofort das Vorurteil entstehen, die Umlaufsicherungsgebühr würde nun anstelle des Urzinses die arbeitenden Menschen ausbeuten. Dabei reichen schon die Grundrechenarten - die aber ebenfalls von der Religion unterdrückt werden können -, um diesen Gedanken schnell als Unsinn zu entlarven. Anhand der aktuellen Wirtschaftsdaten der Bundesrepublik Deutschland werden die Größenordnung der Urzins-bedingten Ausbeutung auf Seite 4 und die unvergleichlich geringeren Kosten der Umlaufsicherung auf Seite 10 der folgenden pdf-Datei berechnet: Soziale Marktwirtschaft)

Das Ziel der öffentlichen Geldverwaltung hat nun darin zu bestehen, die umlaufende Geldmenge derartig zu regeln, dass das bisher unsichere, schwankende Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Warenmarkt beseitigt wird. Der Beweis, dass dies erreicht ist, wird darin zu bestehen haben, dass die Durchschnitts-Warenpreise (der Preisindex) fest bleiben. Zeigt sich bei der diesbezüglichen Ermittelung ein Sinken der Preise, so hat die Geldverwaltung mehr Geld (über direkte öffentliche Ausgaben in sehr begrenztem Umfang, aber nicht mehr über Kredite) in Umlauf zu setzen; steigen die Preise jedoch, so ist Geld einzuziehen (was ohnehin über die regelmäßige Erhebung der staatlichen Umlaufsicherungsgebühr erfolgt). Nur so ist ein dauernd festes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage - sind feste Preise und eine feste, zuverlässige Währung zu erzielen.

Allgemeine Preisschwankungen (Konjunkturen), Absatzstockungen, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen können nicht mehr eintreten, solange das Währungsamt wacht (etwa 10% der heute bei den Deutschen Bundesbank Beschäftigten sind dazu ausreichend) und das Geld rast- und restlos umläuft. Wer heute ein Darlehen gibt, braucht nicht zu befürchten, dass dasselbe durch eine Hochkonjunktur in einigen Jahren auf die Hälfte seines materiellen Inhaltes zusammenschrumpft. Der Schuldner braucht nicht zu befürchten, dass der materielle Inhalt seiner Schuld durch einen allgemeinen Preisfall der Produkte (Baisse) verdoppelt wird. Nach einem - nach fünf - nach zehn Jahren können Gläubiger und Schuldner auf dem Markt des Landes für eine bestimmte Geldsumme immer ein gleichgroßes Quantum an Waren und Gütern kaufen oder verkaufen, keiner wird betrogen - keiner hat Vorteile auf Kosten des anderen. Und der Handel wird zwar keine Spekulationsgewinne mehr abwerfen, keiner Börsenjobberei mehr eine Handhabe bieten - aber auch kein Kaufmann, kein Unternehmer hat den unverschuldeten Bankrott durch eine Entwertung seines Warenlagers oder seines Unternehmens infolge irgendwelcher Währungspfuschereien zu fürchten. Erst die umlaufgesicherte Währung wird wirklich „währen“ und ehrliche, feste und sichere Grundlagen schaffen.

2c) Das Sparen und die Unentgeltlichkeit des volkswirtschaftlichen Kredites

Aber noch viel Größeres, Gewaltigeres wird unsere Geldreform vollbringen: Da das Freigeld sich nicht zum Aufsparen oder Schätze sammeln (horten) eignet, weil es, zwar nicht von Motten und Rost, wohl aber von der Umlaufsicherungsgebühr gefressen wird, so eilt es von Hand zu Hand und niemand kann sich einen Geldvorrat ohne Verlust hinlegen. „Aber wovon soll man denn in Zeiten der Erholung, der Ausbildung, der Krankheit und des Alters, oder auf Reisen leben, wenn keiner mehr sparen kann, damit er vor Not und Mangel geschützt ist“, wird wohl jeder Leser bereits bei sich gedacht haben.

(Anmerkung: Dass ein solch naiver „Einwand“ überhaupt und sogar noch bis heute immer wieder angesprochen werden muss, ist auch nur mit der Religion zu erklären.)

Nun, wir erwarten keineswegs, dass sich jeder zehn Paar Schuhe, hundert Krawatten und dergleichen kauft, um nur sein Geld loszuwerden. Das Sparen soll durch das Freigeld keineswegs unterbunden, sondern für die Mehrzahl der Bevölkerung überhaupt erst in größerem Maßstab ermöglicht werden. Alle, die heute nur „von der Hand in den Mund“ leben und infolge der beständigen kapitalistischen Ausbeutung trotz aller Arbeit nicht zum „Sparen“ kommen, werden dann weit mehr alt das Doppelte ihres heutigen Arbeitsertrages als Lohn erhalten und dementsprechend - bei mindestens gleicher Lebenshaltung - die Hälfte ihres Jahresverdienstes sparen können. Es kommt den Arbeitenden aller Berufe und Stände ja nicht nur der Fortfall der riesigen Zinslasten zugute, die heute etwa die Hälfte ihres Arbeitsertrages verschlingen, sondern auch der Vorteil, dass sie nie mehr unverschuldeter Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind und dass der Austausch ihrer Produkte mit viel geringeren Handelsspesen belastet sein wird, als heute. Und die anderen, denen es selbst heute gelingt, von ihrem Arbeitsertrag etwas zu sparen, werden dann eben entsprechend mehr sparen können, als bisher. Nur zweierlei wird unmöglich werden: Bares Geld wird niemand aus dem Verkehr zurückhalten können - und infolge dessen wird auch niemand für seine Ersparnisse Zinsen bekommen, wenn er sie - in Form von Bank- oder Sparkassengeldern, Darlehen oder Unternehmungen in Umlauf setzt. Dass aber jeder, dessen Einkommen nicht zur Hauptsache aus Zinsen, sondern aus seiner Arbeit fließt, nur viel gewinnen kann, wurde bereits erwähnt und wird noch weiterhin klar werden.

Auch hinsichtlich des Sparens müssen wir auf die natürlichen Verhältnisse zurückgreifen, die durch das bisherige Geldwesen derartig verdunkelt werden, dass sie - obwohl es sich um Selbstverständlichkeiten handelt - gänzlich in Vergessenheit geraten sind. Wie könnte sonst jemand aus einem ersparten Gut, welches er jahrelang nicht oder überhaupt nie gebraucht, statt eines Verlustes einen Vorteil (Zins) erwarten? Nur beim Geld erscheint dies als selbstverständlich, und wir haben im ersten Teil dieser Schrift gesehen, warum. Ganz anders gestaltet sich aber das Verhältnis zwischen den Darlehnsgebern (Sparer, Kapitalisten, Gläubiger) und den Darlehnsnehmern (Konsumenten, Mieter, Arbeiter, Schuldner), sobald wir nicht das herkömmliche Geld als Gegenstand des Sparens und des Darlehens annehmen, sondern irgendeins unserer Arbeitsprodukte. Und wenn wir beim Sparen und Schätze sammeln aus den vorher angegebenen Gründen die Hände vom Geld lassen sollen, oder sich das Geld - wie wir es wünschen - nicht mehr aufbewahren lässt, so bleiben eben nur Arbeitsprodukte als überschüssige Rücklagen übrig. (Vom Erdboden und seinen Naturschätzen können wir hier unbeschadet der weiteren Beweisführung absehen, um das Verständnis nicht zu erschweren. Um ein etwaiges „Aufsparen“ (Zurückhalten) von Erdboden und Naturschätzen zu verhindern, muss die Geldreform durch die von uns gleichfalls erstrebte Grundbesitz-Reform ergänzt werden.)

Man stelle sich nun einmal vor, ob irgendein Produzent, der mehr Güter erzeugt hat, als er gegenwärtig verbraucht und der dieselben einem anderen leiht, um sie später einmal bei eigenem Bedarf zurückzuverlangen, dafür eine Entschädigung verlangen kann. Wenn er es versucht, würde ihm der andere entgegnen: Du kannst zufrieden sein, dass ich dir deine überschüssigen Produkte, für die du selbst keine Verwendung hattest, und die dir sonst ungenutzt verdorben wären, abgenommen habe, ganz gleich, ob ich davon Vorteil oder Nachteil hatte. Die Hauptsache für dich ist doch die, dass du dich dadurch vor Verlusten schützen konntest und deine Ersparnisse wohlbehalten in gleicher Menge und Beschaffenheit zurückbekommst, wenn du sie später gebrauchst. Und da fast jeder Produzent bedeutend mehr Produkte hervorbringt, als er gegenwärtig gebraucht, und da die Verderblichkeit derselben ein längeres Aufbewahren nicht gestattet, so würde auch das Angebot solchen „Real-Kredites“ bald so groß sein, dass die Nachfrage immer gedeckt wäre. Es läge ja im eigenen Interesse der Besitzer überflüssiger Arbeitsprodukte, sie einstweilen an andere zu verleihen, um sie später ohne Schaden und in neuem Zustand (z. B. Saatgut, Nahrungsmittel, Waren usw.) zur Verfügung zu haben. Das Angebot von derartigen Leihgütern würde ohne jede Einschränkung immer den ganzen Vorrat, die gesamten Überschüsse umfassen. Da sich aber keiner der Gefahr aussetzen würde, etwa keinen Abnehmer für sein Leihgut zu finden, so würden die Darlehnsgeber (Sparer) den Darlehnsnehmern möglichst entgegenkommen und ihr Leihgut auch ohne besondere Leihgebühr (Zins) abgeben, sobald überhaupt nur die Möglichkeit eines Ausgleiches von Angebot und Nachfrage droht. Sie fahren trotzdem gar nicht schlecht dabei und haben insofern noch einen Vorteil, als sie durch das Verleihen ihre überschüssigen Produkte gleichsam „konservieren“ und so zu einer Zeit wo dieselben sonst längst verdorben wären, sich bei Bedarf in den Besitz einer gleichen Menge brauchbarer, unverdorbener Dinge setzen können. Natürlich könnten die Sparer (Kapitalisten) dann nicht durch ihre Ersparnisse auf Kosten anderer leben, ohne die Ersparnisse selbst anzugreifen, sondern sie müssten diese entweder allmählich aufzehren oder sich durch eigene Arbeit ernähren.

Die natürliche Grundlage jedes Kreditverhältnisses ist also die Verleihung erarbeiteter Überschüsse zwecks möglichst schadloser Aufbewahrung zu späterem Verbrauch.

Darlehnsgeber und -nehmer sind dadurch aufeinander angewiesen und ergänzen sich gegenseitig insofern, als dem Darlehnsgeber (Sparer) ein späteres Gut lieber ist, als ein gegenwärtiges, für das er selbst augenblicklich weder Bedarf noch Verwendung hat, während dem Darlehnsnehmer (Schuldner) ein gegenwärtiges Gut lieber ist, als ein künftiges, da er es nur vorübergehend gebraucht oder später selbst im Besitz eines solchen sein wird, während es ihm gegenwärtig fehlt. Durch den Kredit ist also beiden geholfen; Überfluss und Mangel gleichen sich zeitlich und zweckmäßig aus, zum Nutzen der Privat- und Volkswirtschaft und der gesamten Kultur. Die Interessen der Darlehnsgeber (Sparer, Kapitalisten) und die der Darlehnsnehmer (als Arbeiter, Konsumenten, Mieter usw.) fallen stets zusammen, sobald alle Ersparnisse nur aus Arbeitsprodukten bestehen würden.

In heutigem barem Geld könnte jeder beliebig große Summen aufsparen und nach Belieben allmählich selbst verbrauchen. Legt er dies Geld jedoch in einem anderen Objekt an, so ist er auch sofort auf die Darlehnsnehmer angewiesen. Was will er selbst z. B. mit einem Schiff, einem Bergwerk, einer Mietskaserne oder einem Warenlager anfangen: er ist gezwungen, diese Dinge anderen zur Verfügung zu stellen, um seine Ersparnisse wieder zu Geld zu machen und sie nach Bedarf und Belieben verzehren zu können, auch wenn er keinen Zins mehr dabei erheben könnte. Und die anderen (die Darlehnsnehmer), die übrigens gar nicht immer ärmer als der Darlehnsgeber zu sein brauchen, sind auf ihn angewiesen, weil es für sie wirtschaftlich zweckmäßiger und vorteilhafter ist, in solchen Dingen, die der einzelne nur zeitweilig, teilweise oder in geringen Mengen gebraucht (z. B. Schilfe, Häuser, Warenlager usw.) den volkswirtschaftlichen Kredit, den die Sparer in Gestalt dieser Dinge gewähren, in Anspruch zu nehmen, statt sie sich selbst anzuschaffen, auch wenn sie vermögend genug dazu wären. Der natürliche, vom Geld unbeeinflusste Zweck des Kredites besteht also nicht in der Verzinsung, sondern im zeitlichen Ausgleich von Mangel und Überfluss und zugleich auch in einem ökonomisch vorteilhaften Austausch ersparter Überschüsse an Arbeitsprodukten. Und dieses hier geschilderte, natürliche Gegenseitigkeits-Verhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer wird durch das Freigeld herbeigeführt. Es bewirkt - ebenso wie die aus Arbeitsprodukten bestehenden Leihgüter - den unbehinderten Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Darlehensmarkt und eröffnet uns somit die Möglichkeit der Unentgeltlichkeit des Kredits, egal, ob es sich um Gelddarlehen, um ehemals „Realkapital“ genannten Besitz, oder um Waren handelt. Sowohl bei geliehenem Geld, wie auch bei der Benutzung von geliehenen (gemieteten) Wohnhäusern, Produktionsmitteln, Bahnen, Schiffen usw., ebenso wie bei der Produktion und beim Austausch der Waren, würde alsdann der Zins allmählich in Wegfall kommen. Und was dies praktisch bedeutet, haben wir ja bereits in den vorhergehenden Ausführungen kennen gelernt.

Das heutige Geld steht aber einer solchen natürlichen Ordnung der Dinge vermöge seiner Übermacht im Wege. Da sein Besitzer, nachdem er seine Produkte oder Leistungen zu Geld gemacht hat, es nunmehr in der Hand hat, ob er die in Geldform erübrigten Ersparnisse wieder in irgendeiner Form (also immer als volkswirtschaftlichen Kredit) in den Verkehr bringen will oder nicht, so kann er eben die übliche Zinsrate dadurch erpressen, dass er mit seinem Geld-Angebot immer hinter der Nachfrage zurückbleibt. Bestehen seine ersparten Überschusse jedoch in Freigeld, so kann er dies ebenso wenig, als wenn sie in seinen eigenen Arbeitsprodukten bestehen, denn diesem Geld haftet ja infolge seines regelmäßigen Verlustes derselbe Angebotszwang an, wie der Arbeitskraft, den Waren und den Produktionsmitteln, deren Angebot - wenn sie einmal erzeugt sind - ja auch nicht vom Belieben abhängt. Kein Sparer, kein Kapitalist, keine Bank kann das Angebot oder die Zirkulation des Freigeldes einschränken, unterbrechen oder zurückhalten, ohne sich selbst dadurch mehr zu schaden, als wenn sie es zinslos verleihen oder in irgendwelchen Unternehmungen sicher anlegen. Und dieses beständige Geldangebot und der damit zusammenfallende ungestörte Vollbetrieb der Volkswirtschaft führt schließlich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Darlehns- und Kapitalmarkt herbei, welches sich in einem beständig sinkenden Zinsfuß bis auf Null Prozent, also in der Unentgeltlichkeit (Zinsfreiheit) aller Darlehen und Kredite ausdrückt.

Wer als Unternehmer, Kaufmann, Arbeiter, Fabrikant, Beamter usw. dann Ersparnisse macht, also Geldüberschusse erzielt, kann gleichwohl niemand dadurch schädigen. Sobald er überschauen kann, welcher Betrag über seinen unmittelbaren, persönlichen Bedarf hinaus entbehrlich ist und als Ersparnis in Frage kommt, wird er diesen Betrag schleunigst - um dem darauf entfallenden Verlust zu entgehen - einer Sparkasse oder einer Bank zur Gutschrift und Verwaltung übergeben. Und die Bank wird dies Geld nicht zu einem festen Zinssatz, sondern unter Vorbehalt einer Herabsetzung des Zinssatzes - und schließlich überhaupt nur noch unverzinslich, also zinsfrei, annehmen. Auch die Bank kann ja das Freigeld nicht mit Rücksicht auf den Zins, die Dividende oder irgendeine Rentabilität vom Umlauf, vom Angebot - kurz von der Ausgabe in irgendeiner Form - zurückhalten, weil sie ja sonst ihrerseits die Umlaufsicherungsgebühr zu tragen hätte, die bei den hier in Frage kommenden großen Summen ganz beträchtlich wäre. Die einzige Möglichkeit, die ihr übergebenen Ersparnisse und Überschüsse vor fortwährendem Verlust zu schützen, das Vermögen ihrer Gläubiger also gleichsam zu „konservieren“ und in unverändertem Betrag zu erhalten, besteht auch für sie nur darin, es sofort der Volkswirtschaft wieder zur Verfügung zu stellen. Sie muss es also ebenfalls ohne auf einen bestimmten Zinssatz bestehen zu können - und schließlich zinsfrei - für Unternehmungen und Betriebe aller Art, Bauten, Wechselkredite usw. gegen die üblichen Sicherheitsgarantien hergeben, während sie als Rückzahlung bei langfristigen Darlehen die vereinbarte jährliche Tilgungsrate oder nur die Abnutzungsentschädigung erhält. Selbstverständlich bleibt der Einzahler immer Eigentümer der von ihm eingezahlten Geldsumme und ist berechtigt, im Falle eigenen Bedarfs - ganz wie heute - die Rückzahlung eines Teiles oder der ganzen Summe, je nach Vereinbarung, von der Bank zu verlangen.

Die Zahlungsfähigkeit der Banken und Sparkassen beruht auch dann - ganz wie heute - darauf, dass die einen ihre Überschüsse zur Bank bringen, während andere die ihrigen nach Bedarf zurückfordern, wobei stets als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass niemals etwa alle Sparer ihr eingezahltes Geld gleichzeitig gebrauchen. Für gewöhnlich verbraucht man erst im Alter, was man in jüngeren Jahren gespart hat, sehr oft verbrauchen erst die Kinder, was die Eltern erübrigt haben. Im Falle allgemeiner, gleichzeitiger Zurücknahme der Ersparnisse würde auch heute jede Bank zahlungsunfähig werden, da die Gesamtersparnisse und Geldforderungen ja das Resultat eines jahrzehntelangen Geldumlaufs, Produktionsprozesses und Güteraustausches sind. Diese Ersparnisse können natürlich niemals auf einmal ausgezahlt werden, weil es ebensoviel Bargeld überhaupt nicht gibt. Der ganze Unterschied besteht darin, dass die Sparkassen und Banken dann keinen Zins für Depositengelder und Spareinlagen mehr zahlen werden und es auch nicht können, weil sie selbst ja ebenfalls keinen Zins mehr einnehmen werden. Sie geben dann das Geld nicht mehr aus, um Zinsen oder „Dividenden“ einzuheimsen, sondern um sich und ihre Kundschaft vor dem Verlust, den sie sonst an ihrem Geldbestand erleiden würden, zu schützen.

Die Sparer (Kapitalisten und Rentner gibt es nicht mehr!) müssen also in Zukunft, wenn sie zu arbeiten aufhören wollen, ihre Ersparnisse angreifen. Die Möglichkeit, wie die heutigen Kapitalisten und Rentiers, durch den Zins ihres Geldes vom Arbeitsertrag der anderen zu leben, ohne das eigene Vermögen überhaupt anzurühren, hätten sie dann - wie bereits einmal erwähnt - allerdings nicht mehr. Alle vorhandenen Überschüsse und Ersparnisse würden in Form des unentgeltlichen Kredits (also zinsfreier Benutzung) denen zugute kommen, die bisher den Zinstribut aufzubringen hatten, also den Arbeitenden aller Stände und Berufe! In welcher Form die Ersparnisse angelegt und als zinsfreie Kredite dem Markt zugeführt werden, um allmählich wieder von den Sparern konsumiert zu werden, - das alles ist ebenso Privatsache wie die richtige Auswahl der Art der Anlage und wie der richtige Maßstab für die Aufnahmefähigkeit des Marktes und den Umfang der Produktion gewisser Artikel. Ein sparsamer Arbeiter oder Beamter könnte z. B. seine Ersparnisse in Gestalt eines Wohnhauses anlegen. Er braucht dies Haus gar nicht selbst zu bewohnen, sondern er „vermietet“ (verleiht) es und verzehrt so allmählich, in Gestalt der jährlichen „Abschreibung“, also des Mietbestandteiles, den er für die Abnutzung des Gebäudes von den Mietern erhält, seine in dem Hause angelegten Ersparnisse. Wenn dann das Haus baufällig ist, und er in den erhaltenen Mieten das seinerzeit angelegte Geld zurückerhalten hat, wäre sein Erspartes aufgezehrt. Er hätte auf diese Weise, ohne dabei irgendjemand ausgebeutet zu haben, sich selbst vor Schaden bewahrt und seinen Mietern obendrein angesichts der billigen Mieten, die nur aus Abnutzungsgebühr, Grundrente und Verwaltungskosten bestanden, die Wohnungen als „zinsfreies Darlehen“ überlassen. Ob es aber ratsam ist, sein Geld in einem Hause mit geringer Abschreibungsrate (für Abnutzung) anzulegen, oder ob es lieber in einer Schuhfabrik mit 5 bis 10% jährlicher Abschreibung angelegt werden soll, weil auch sonst an Häusern bereits ein Überfluss, an Schuhfabriken dagegen Mangel herrscht - dies ist, wie gesagt, seine Privatsache resp. Sache der kaufmännischen Erfahrung und Umsicht der Bank, der er seine Ersparnisse anvertraut.

2d) Die Überführung der Zinsrate des Kapitals in den Arbeitsertrag aller Arbeitenden

Der beständige Angebots- und Umlaufszwang des Freigeldes wird bewirken, dass die erarbeiteten und ersparten Überschüsse sich immer sofort Anlage suchend der Produktion, dem Handel, dem Baumarkt, kurz sämtlichen Gebieten der Volkswirtschaft zur Verfügung stellen. Und da sich nun alle diese Unternehmungen nicht mehr in bisheriger Weise zu rentieren brauchen, sondern schließlich nur noch ihre eigenen Kosten (Löhne und Abnutzung) aufzubringen haben, so steht ihrer fortgesetzten Vermehrung, bis zur Grenze der Arbeitswilligkeit und der überhaupt verfügbaren Mittel und Arbeitskräfte, nichts mehr im Wege. Die Befürchtung, dass der Fortfall des Zinses die Unternehmungslust schwächen könnte, ist unbegründet. Wenn der Unternehmer mit eigenem Geld arbeitet, so bleibt ihm ohnehin keine andere Wahl, wegen der regelmäßigen Gebühr, die dem Freigeld anhaftet; selbst, um sein Vermögen ungeschmälert aufzehren zu können, muss er es in seinem Unternehmen anlegen und sich dann mit den vereinbarten Rückzahlungen (Abschreibungen)
begnügen.

Mit dem allmählichen Verschwinden des Zinseinkommens wird sich außerdem so mancher bisherige Zinsrentner nach einem Erwerb umsehen müssen. Sehr viele werden bemüht sein, die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten noch nachträglich zu erwerben und dann natürlich mit ihrem Geld lieber selbst etwas unternehmen, statt es fremden Händen zinslos anzuvertrauen und sich selbst in eine abhängige Stellung zu begeben. Die Zahl der Unternehmer dürfte sich aus diesem Grunde sogar beträchtlich vermehren. Arbeitet der Unternehmer aber mit fremdem Geld, so liegt der Fortfall des Zinses ebenso in seinem Interesse, als in dem der Arbeiter. Auch sein Arbeitslohn als Unternehmer, d. h., als kaufmännischer und technischer Leiter des Unternehmens, erhöht sich ja um den entsprechenden Zinsbetrag, den bisher die Kapitalisten und Aktionäre beanspruchen konnten. Man bedenke immer, dass der Unternehmer als solcher kein Parasit, kein Nichtstuer ist, wie Karl Marx und die Sozialisten es vielfach darstellen, weil sie die wirklichen Parasiten (die Zinsrentner) meistens überhaupt nicht auf den Arbeitsstätten zu sehen kriegen und sie daher nicht kennen.

Der Unternehmer als solcher gehört durchaus zu den Arbeitenden und leistet sogar den allerwichtigsten Teil der Arbeit, indem er sie organisiert. Er zieht Kapital, Arbeitskräfte und Material herbei; er ist immer der leitende Kopf, der aus dem Nichts eben das „Unternehmen“ schafft. Wenn die Unternehmer (sofern sie nicht selbst zugleich Kapitalisten sind) heute mehr auf Seiten des Kapitals als auf Seiten der Arbeiter stehen, so ist das nur die Folge ihrer Abhängigkeit von den Kapitalisten, die ihnen sonst eben nicht die nötigen Kredite einräumen würden, wodurch dann sowohl dem Unternehmer als auch den Arbeitern die Möglichkeit zur Arbeit genommen wäre. Da sich die Zahl der Unternehmer also einerseits aus den Kreisen derjenigen verstärken würde, die jetzt vom Zins ihres Kapitals leben, andererseits aber der Arbeitslohn der Unternehmer sich mit dem der Arbeiter zusammen erhöhen wird, so kann der Fortfall des Zinses nicht die Unternehmungslust schwächen. Im Gegenteil wird der Umlaufszwang des Geldes es bewirken, dass man sogar tüchtige und zuverlässige Arbeiter als „kreditwürdig“ ansehen wird und diese somit in zunehmendem Maße die Möglichkeit haben, zum Unternehmer aufzusteigen.

Eine „Überproduktion“ ist in Zukunft ausgeschlossen, weil ja der allgemeine Volkswohlstand und somit die Konsumfähigkeit bereits immer vorher im gleichen Verhältnis zugenommen hat. Und bei glattem Austausch ist - wie bereits erwähnt - die Gesamtheit der Arbeitenden auch immer in der Lage, ihre Produkte wechselseitig zu konsumieren resp. sie in Form zinsfreier Kredite auszutauschen und zu benutzen. Dieser Konsum braucht nicht - ja er darf nicht einmal - im sofortigen Verbrauch aller erzeugten Produkte bestehen, sondern er verteilt sich (wie wir am Beispiel des Hauses gesehen haben), auf dem Wege der Verleihung der gegenwärtigen Überschüsse, auf beliebig lange Zeit. Dadurch wird nicht nur die Kreditgewährung überhaupt erst ermöglicht, sondern zugleich auch die Nutzbarmachung der Ersparnisse für Neu-Anlagen aller Art. Die fortgesetzte Vermehrung und - was dem gleichkommt - auch die Vergrößerung und Verbesserung bereits bestehender Betriebe läuft aber nicht nur auf eine beständige Zunahme der Produktion und des Handels, sondern auch auf eine solche des so genannten „Realkapitals“ hinaus, also der Fabriken, Häuser, Maschinen, Landwirtschaftsbetriebe, Bergwerke, Bahnen, Fuhrwerke, Schiffe usw. Dies bedeutet aber eine sich in gleichem Maße beständig steigernde Nachfrage nach Arbeitskräften jeder Art!

Infolge der täglich erarbeiteten Überschüsse wird die Nachfrage nach Arbeitern, Technikern, Ingenieuren, Baumeistern, Wissenschaftlern, Lehrern, usw. eben auch täglich größer werden und schließlich auch hier, auf dem Arbeitsmarkt, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herbeiführen, sodass alle überhaupt verfügbaren Kräfte in den Strudel der wirtschaftlichen Betätigung gerissen werden. Das einmal entstandene „Realkapital“, oder - da es dann kein „Kapital“ mehr ist - die einmal entstandenen Wirtschaftsgüter, Produktions- und Verkehrsmittel, unterliegen aber als Arbeitsprodukte ihrer Natur nach sowohl technisch wie kaufmännisch dem Angebotszwang: technisch insofern, als sie auch weiterhin Arbeitskräfte gebrauchen, zu ihrer Benutzung und Instandhaltung; kaufmännisch insofern, als sie sich den Konsumenten, den Mietern, dem Verkehr zur Verfügung stellen müssen, um nicht ungenutzt zu zerfallen. Ihr verstärktes Angebot wird aber die Bedingungen für die Arbeiter, Mieter, Konsumenten und alle sonstigen Benutzer von geliehenen Wirtschaftsgütern auf Kosten des bisherigen Kapitalzinses so günstig gestalten, dass keine „Ausbeutung" durch den Besitz derselben gegenüber den Nicht-Besitzern mehr möglich ist. Die beständig gesteigerte Nachfrage nach Arbeitskräften aller Art, die restlose Inanspruchnahme aller bisherigen Arbeitslosen und „Überflüssigen“, wird die Löhne auf die Höchststufe bringen. Und da die Preise nicht gleichfalls steigen können, weil ja gerade ihre Festigkeit den Maßstab für den Geldumlauf abgibt, und sie selbst also unverändert bleiben, so würde zuletzt kein Zins, keine „Dividende“, kein „Profit“, kein „Mehrwert“ für die Sparer, Kapitalisten und Rentner mehr übrig bleiben. Wenn der „Kapitalist“ freilich zugleich Unternehmer, kaufmännischer oder technischer Betriebsleiter ist, so fällt ihm in dieser Eigenschaft - wie bereits erwähnt - natürlich ein entsprechender Verdienst zu, der dann aber kein Kapitalzins, kein arbeitloses Einkommen, kein Mehrwert, sondern einfach der Lohn für seine Mitarbeit ist.

Der Arbeitslohn eines Betriebsleiters wird, infolge des geringeren Wettbewerbs der für diesen schwierigen Posten besonders geeigneten Personen, in der Regel höher, manchmal sehr viel höher sein, als der eines Durchschnitts-Arbeiters. Da aber der Arbeitsertrag (Reallohn) jedes Arbeiters bei glattem Austausch der Produkte (wo alle Preise nur aus Löhnen bestehen) immer ebenso groß ist wie der volkswirtschaftliche Nutzen, den er durch seine Tätigkeit in einem Betrieb überhaupt schafft, so liegt dabei auch keine „Ausbeutung“ gegen ihn mehr vor. Er ist dann in der Lage, in Gestalt seines Lohnes immer den vollen Ertrag seiner Arbeit zu fordern, ohne dass er deshalb zu „streiken“ braucht. Die Betriebe werden vielmehr selbst bemüht sein müssen, die Arbeiter durch möglichst hohe Löhne anzulocken und sich in dieser Hinsicht eine gewisse Konkurrenz machen, um nicht durch Arbeitermangel in Verlegenheit zu kommen. So können die Arbeiter ebenso wie alle anderen Angestellten mit ihren Lohnforderungen immer bis an die Grenze des volkswirtschaftlichen Nutzens gehen, den sie durch ihre Leistungen dem Betrieb überhaupt bieten.

Das „Kapital“ geht dann allerdings leer aus und hört damit auf, „Kapital“ zu sein. Und ebenso werden die Sparer, Kapitalisten und Rentner ohne Zins dabei ausgehen. Sie, die weiter nichts tun, als ihre Geldüberschüsse zur Vermeidung von eigenen Verlusten für die Umwandlung in volkswirtschaftliche Güter herzuleihen, sie haben auch weiter keine Ansprüche, als dass sie ihr hergegebenes Geld je nach Bedarf und Vereinbarung zurückverlangen können; ohne Verlust, aber auch ohne Profit (Zins, Dividende, Mehrwert). Hätten sie ihr Geld nicht für die Schaffung neuer Güter hergegeben, es nicht der Produktion, dem Handel und Verkehr zur Verfügung gestellt, so wäre es zusammengeschmolzen. Und hätten sie ihre Ersparnisse nicht in der Form von Geld, sondern in der ihrer eigenen Produkte, Waren und dergleichen aufbewahrt, so wäre es ihnen ebenso ergangen.

Die Rechnung ist ganz klar: Der zinsfreie Kredit liegt dann ebenso sehr im Interesse derer, die ihn gewähren, wie in dem derjenigen, die ihn in Anspruch nehmen. Der reine Eigennutz würde den Geldbesitzern gebieten, den Arbeitern Fabriken, Häuser usw. zu errichten und sie ihnen gegen bloße Abnutzungsgebühr zu überlassen!

Tausende von Unternehmungen, die heute mangels sicherer Verzinsung unterbleiben, werden dann die Existenzmöglichkeit und -Berechtigung haben, weil sie ja - wie bereits erwähnt - keinen Zins abzuwerfen, sich nicht zu „rentieren“ brauchen. Es wird genügen, wenn sie die ersparten Geldüberschüsse der Sparer aufnehmen und vor Verlust bewahren. Dies können sie aber, sobald sie mit ihren Erträgen die Kosten (also Löhne und Abnutzung) decken. (Ich sehe hier, der Einfachheit halber, von der Grundrente ab, die bei Fortbestehen des Privatgrundbesitzes ja gleichfalls herausgewirtschaftet werden müsste.) Diese Neuunternehmungen werden allerdings - soweit sie auf der Voraussetzung der Unverzinslichkeit entstehen - keine Zinsrate abwerfen und außerdem dahin wirken, dass auch die bereits länger bestehenden Betriebe und sonstigen Unternehmungen sich nicht mehr verzinsen, indem die beständigen Neu-Anlagen die Nachfrage nach Arbeitskräften und dadurch auch den Lohn der Arbeiter in ständig zunehmendem Maße auf Kosten der bisherigen Zinsrate steigern. Aber zur Durchsetzung von Lohnerhöhungen, die nicht, wie heute, nur nominell (also scheinbar), sondern real (also wirklich) sind, ist es eben erforderlich, dass zuvor alle Arbeitskräfte voll beschäftigt sind, dass es überhaupt keine „überflüssigen“ - also billigeren - Arbeitskräfte gibt. Erst dann werden die Besitzer der Betriebe, um Betriebsstörungen und größere Verluste zu vermeiden, ein Interesse daran haben, die Lohnforderungen der Arbeiter und Angestellten zu bewilligen, selbst wenn keine Aussicht für sie besteht, sich durch entsprechende Preissteigerungen (wie heute) schadlos zu halten. Sie werden also gezwungen sein, um nicht durch Arbeitermangel und Stilllegung des Betriebes einen empfindlichen Schaden an ihren Anlagen zu erleiden, die bisherige Zinsrate den Lohnerhöhungen der Arbeiter und Angestellten zu opfern.

Also erst die restlose Heranziehung aller bisherigen Arbeitslosen ermöglicht es den Arbeitern (aller Stände!), überhaupt die Zinsrate zum Sinken zu bringen und für sich zu reklamieren, indem sie allmählich ihre Lohnforderungen bis zur Höhe einer vollen Gegenleistung für ihre Arbeit steigern. Solange nicht durch Neu-Unternehmungen allen, die bisher ganz oder zeitweilig arbeitslos und überflüssig waren (Arbeiter-Reservearmee) dauernd Arbeit und Lohn in gleicher Höhe (für gleiche Leistungen) wie den bereits beschäftigten Arbeitern geboten wird, - solange können auch die letzteren nicht die Zinsrate ihrem Lohn einverleiben. Aber mit jedem neuen Unternehmen steigt die Flut, die den Zins und die Ausbeutung ersäufen wird; jede Million erarbeiteter und ersparter Überschüsse stärkt die Situation der Arbeiter und lässt ihren Arbeitsertrag steigen. Das Freigeld macht es wegen seines Umlaufszwanges unmöglich, der Neu-Anlage Einhalt zu gebieten; ob die Zinsrate in zunehmendem Maße in den Arbeitsertrag der Arbeitenden übergeht, ob der Zinsfuß auf Null-Prozent sinkt: es schlägt jeden Widerstand der Banken, Sparer oder sonstigen Geldbesitzer nieder! Die zunehmende Höhe der Arbeitslöhne bei Fortfall der Arbeitslosigkeit einerseits – und unverändert feste Durchschnittspreise für alle Bedarfsgüter der Lebenshaltung andererseits – dies ist der Weg, auf dem die bisherige Zinsrate allmählich in den Arbeitsertrag der Arbeitenden übergeht.

Die bisher im Interesse des Kapitalzinses künstlich gehemmte und eingeschnürte Volkswirtschaft wird sich also infolge der Freigeldreform erst voll und ganz entfalten, nun erst ihren natürlichen ungehinderten Verlauf nehmen können und das ganze Volk zu ungeahntem Wohlstand, zu allgemeiner Kultur und Bildung emporheben. Es gibt dann zwar keine Kapitalisten und Rentiers, keine „Geldkönige“, aber auch kein „Proletariat“ mehr, sondern nur noch Arbeiter, gleichviel, ob sie mit der Hand oder mit dem Hirn arbeiten, denn wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Aber diese Arbeiter werden keine besitzlosen Proletarier mehr sein, die es als eine Gnade ansehen müssen, überhaupt arbeiten, Güter und Reichtümer erzeugen zu dürfen, sondern sie werden, infolge ihres verdoppelten und verdreifachten Arbeitsertrages und der dadurch ermöglichten großen Ersparnisse, selbst die Geschäftsanteile der Betriebe erwerben können, in denen sie arbeiten. So werden sie allmählich in den Besitz der Produktionsmittel gelangen und am eigenen Leibe erfahren, dass das Eigentum an den Produktionsmitteln nicht die Ursache des „Mehrwertes“ und der „Ausbeutung“ ist, wie die Sozialisten und ihr Lehrer, Karl Marx, behaupten.

(Anmerkung: Die heutigen Sozialisten, die wenigstens schon eingesehen haben, dass eine Verstaatlichung der Produktionsmittel die Lage der arbeitenden Menschen nur noch hoffnungslos verschlimmern kann, glauben stattdessen an die Möglichkeit einer wie auch immer gearteten „Umfairteilung“, um die Zinsumverteilung, die sie nicht begreifen, irgendwie zu korrigieren oder zumindest abzumildern. Warum das unmöglich ist, sollte jetzt klar sein: Der „Mehrwert“ kann nicht besteuert werden, weil vorher das „liebe Geld“ streikt und die Warenproduktion unterbindet. Alle Steuern – auch „Reichensteuern“ – und Sozialabgaben werden immer von den Arbeitern bezahlt und niemals von den Kapitalisten, solange die Volkswirtschaft noch kapitalistisch ist, d. h. solange Zinsgeld verwendet wird. Tatsächlich ist eine „Umfairteilung“ das Gegenteil von „gerecht“, weil sie nur die echten Leistungsträger der Gesellschaft, also diejenigen, die aufgrund eigener Leistung ein hohes Arbeitseinkommen haben, überproportional bestraft, während die echten Parasiten, die „funktionslosen Investoren“, in einer Zinsgeld-Ökonomie nicht belangt werden können.)

2e) Die Wirkung der Geldreform auf das Geschäftsleben und den Privat-Haushalt

Eine derartige Umwälzung, wie sie die Geldreform in der Volkswirtschaft hervorruft, wird natürlich auch ihre Wirkung nicht auf dem Gebiet verfehlen, wo die Volkswirtschaft in die Privatwirtschaft übergeht: auf das Geschäftsleben, welches ja die Aufgabe hat, die volkswirtschaftlich erzeugten Güter in den Privatverbrauch und in die Haushalte hinüberzuleiten. Wie im Geldwesen und auf dem Kapitalmarkt, so wird die natürliche Ordnung der Dinge auch im Handel und im Geschäftsleben Platz greifen. Das ehemalige „Handelskapital“, dann also einfach das für den Handel bestimmte Geld, muss jeden Widerstand aufgeben; es kann weder dem Austausch noch der Produktion der Waren Schwierigkeiten machen, kann weder seine Aufträge noch seine Nachfrage nach Waten zurückhalten oder einschränken, um sie von der Verzinsung abhängig zu machen. Nur noch die wirkliche Überproduktion bestimmter Waren, für die also niemand mehr Verwendung hat, kann das für ihre Produktion bestimmte Geld auf andere Gebiete der Volkswirtschaft (z. B. auf den Baumarkt, in die Landwirtschaft, auf den Darlehensmarkt usw.) lenken, sofern diese noch aufnahmefähig sind, d. h., solange hier der Zins noch nicht auf Null Prozent gesunken ist. Dieser Fall, dass der Zins auf Null sinkt, kann aber erst eintreten, wenn Angebot und Nachfrage auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens im Gleichgewicht sind, wenn das ganze Land mit Gütern und Reichtum aller Art gesättigt ist.

Die Banken, Sparkassen und Kaufleute werden also solange Geld im Handel anlegen, als dies nicht nachteiliger für ihr Geld ist, wie die Anlage auf anderen Gebieten des Wirtschaftslebens. Und da alle Gebiete gleichmäßig dem zinssenkenden Ansturm der durch das neue Geld entfesselten Arbeit ausgesetzt sind, so wird vorläufig jede Geldanlage ihr bisheriges Gebiet behalten, nur mit dem Unterschied, dass es auf keinem Gebiet ein Stillstehen mehr gibt. Alles wird mit „Hochdruck“ arbeiten und immer neue Unternehmungen, immer neue Anlagemöglichkeiten werden herausgefunden werden und entstehen. Es lässt sich nicht mehr verhindern, dass sich die Warenproduktion bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit steigert und der Markt mit zinsfreien Waren „überschwemmt“ wird. Aber diese „Überschwemmung“ bedeute nicht mehr wie heute Unheil, sondern unser braves Geld ist dann hurtig dabei und räumt die Warenmassen ununterbrochen vom Markt fort und führt sie auf dem kürzesten und schnellsten Weg in die Hände der Verbraucher, die sie nun infolge besseren Verdienstes und dauernder Arbeit kaufen und bezahlen können.

Wie die Erfindung der Dampfmaschine nicht nur die Produktionskraft sicherte und vervielfältigte, sondern in Gestalt der Eisenbahnen und Dampfschiffe auch den Transport der Güter sicherer, billiger und schneller besorgte als die Postkutsche und das Segelschiff es konnten, so wird auch unser neues Geld die gleichen Wirkungen für den Handel haben. Die Waren werden nicht mehr wochen- und monatelang in den kostspieligsten und besten Räumen (Läden) hinter Kristallscheiben liegen, von elektrischem Licht bestrahlt, von „gebiegelten und geschniegelten“ Verkäufern und Verkäuferinnen behütet, ehe es gelingt, sie gegen Geld umzutauschen (zu verkaufen). Die Pfennigkrämerei wird aufhören; jeder kann mit dauernder Arbeit und festem Verdienst rechnen und weiß, was er im Monat gebraucht. So bestellt er einfach nach Mustern und Proben seine Bedarfsartikel voraus und zahlt auch - wenn er den Kaufmann als zuverlässig kennt und dieser nichts dagegen hat - im Voraus, um das für den persönlichen Verbrauch bestimmte Geld sobald wie möglich loszuwerden.

Der regelmäßige Verlust, den das Freigeld erleidet, und der schließliche Fortfall des Zinses (auch bei Ersparnissen und Geldguthaben) würde überhaupt dahin wirken, dass man - im Gegensatz zu heute, wo jeder möglichst wenig Vorräte und dafür lieber möglichst viel Geld zurücklegt (spart) - umgekehrt zunächst möglichst viel Vorräte an Bedarfsgütern des täglichen Lebens sich zulegen wird; nicht mehr pfennigweise, sondern je nach Art, Bedarf und Dauerhaftigkeit in Originalpackungen, Kisten, Säcken, Fässern usw., wie sie dann für Haushaltungszwecke in entsprechender Größe in den Handel kommen werden. Das „von der Hand in den Mund leben“ von heute, wo die allermeisten Haushalte nicht für 24 Stunden Vorräte und Lebensmittel haben, wäre vorbei. Der weitaus größte Teil der offenen Läden, die heute freilich nötig sind, würde dann als überflüssig verschwinden und an ihre Stelle würden für jeden Haushalt Vorratskammern treten, die gleich beim Wohnungsbau mit vorgesehen werden können. Und wie im Kleinen, so im Großen! Die Fabrikanten und sonstigen Unternehmer, Handwerksbetriebe usw. werden auch für ihre Betriebe mehr Vorräte, mehr Lager an Rohstoffen und dergl. halten. Der geregelte und ununterbrochene Geldumlauf verursacht auch - wie bereits erwähnt - einen regelmäßigen, bestimmten Verbrauch und ermöglicht eine ebenso regelmäßige, ununterbrochene Produktion, die sich dem Verbrauch leicht und sicher auf den einzelnen Gebieten anpassen kann. Und da auch kein Unternehmer als Besitzer von Vorräten einen Preisrückgang und daraus hervorgehende Verluste zu befürchten hat, so werden dann Vorräte an Material und Rohstoffen ebenso geschätzt sein, wie bares Geld. Auch hier würde das „von der Hand in den Mund“ aufhören und nebenbei jeder etwaigen Spekulation ein wirksamer Riegel vorgeschoben.

Welcher Spekulant will es noch wagen, angesichts großer, weit reichender Vorräte (in den Händen der Verbraucher) für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt denjenigen Preis auf dem Markt, an der Börse, zu erzwingen, den er für den Erfolg seiner Spekulation braucht? Die Bestände an Materialien, Rohstoffen und Waren werden sich überhaupt nicht mehr - wie heute - im Handel und wer weiß wo und wie lange als bequem zugängliche Spekulationsobjekte umher treiben, sondern immer auf dem kürzesten und schnellsten Weg, meist auf feste Bestellung hin, in feste Hände - nämlich in die der Verbraucher - gelangen. Der Absatz wird nicht mehr launisch, unregelmäßig und sprunghaft wie heute, sondern, dem sicheren Gleichmaß der Volkswirtschaft entsprechend, regelmäßig und bestimmt. Der Bedarf ist mit ziemlicher Sicherheit im Voraus zu berechnen und die Produktion kann sich ihm eng anpassen, ohne jedes Risiko, aber auch ohne jeden Spielraum für Spekulationen oder sonstige „Profite“, auch ohne Aussicht auf „Rentabilität“. Der Lohn der bei der Produktion Beteiligten Arbeiter, Betriebsleiter usw. wird all dieses aufsaugen und nur die Arbeitslöhne der Kaufleute und die Erstattung der Transportkosten übrig lassen. Damit sind die Fabrikanten und Kaufleute nicht nur in der Lage, genau zu rechnen, sondern sie sind dazu gezwungen, wenn sie nicht in Gefahr laufen wollen, ihren eigenen Arbeitslohn einzubüßen. Sie werden also einen so kostspieligen Austausch der Produkte, wie wir ihn heute haben, unter allen Umständen vermeiden müssen und werden ihn auch leicht vermeiden können. Da die Unternehmer, Fabrikanten, Landwirte, Kaufleute usw. keine Möglichkeit mehr haben, sich an den Arbeitern durch Lohndruck oder an den Konsumenten durch Preissteigerungen schadlos zu halten, so werden sie alles aufbieten (und auch die Arbeiter selbst als etwaige Betriebsinhaber werden dies tun), ihre Produkte auf dem schnellsten und billigsten Weg in die Hand der Verbraucher zu leiten.

Statt die Produkte, wie bisher, durch die verschiedenen Stadien des Handels laufen zu lassen und durch das Feilhalten in teuren Läden eine Reihe von Geschäftsinhabern und Angestellten nebst allen sonstigen Kosten (Mieten, Beleuchtung, Heizung, Dekorationen, Reklame usw.) zu unterhalten, kann ein Vermittler den Vertrieb übernehmen. Dieser Vermittler wird nur ein Büro mit Proben und Mustern unterhalten und dadurch sowohl den Interessen der Produzenten als auch den der Konsumenten dienen. Die Waren werden nun nicht mehr einseitig dem Geld entgegengehen, auch das Geld wird ihnen seinerseits entgegenkommen. Und beide, Geld und Ware, Angebot und Nachfrage, treffen sich bei dem Vermittler (Makler oder Kommissionär), also in billigeren Räumen als es die Ladengeschäfte, die „Kauf- und Warenhäuser“ sind, auf kürzerem Weg, als ihn der Handel heute einschlägt. Welche Riesensummen verschlingt allein die Miete der Ladengeschäfte, wie viel Millionen die „Spesen“ der Reisenden, welches Heer von Angestellten, welchen Prunk, welchen Flitter, wie viel Millionen an Reklame erfordert der heutige Geschäftsbetrieb! Welcher Trubel, wie viel Blendwerk, um dem Käufer den Verstand und die Kritik zu umnebeln! Wie still, schlicht und geschäftsmäßig wird es da nach der Geldreform bei dem kaufmännischen Vermittler zugehen. Der ganze Handel wird vereinfacht und verbilligt werden, die heutigen Handelsspesen von 30 bis 50 Prozent des Preises werden auf eine geringe Kommissionsgebühr für den Vermittler zusammenschrumpfen. Es wird sich bald zwischen dem Publikum und dem Kaufmann (Vermittler) überhaupt fast nur noch um Kommissionsgeschäfte auf Grund fester Bestellungen mit sofortiger Barzahlung oder Vorausbezahlung handeln. Es leuchtet wohl ein, dass ein solcher Handel nicht 30 bis 50 Prozent Spesen verursacht, sondern eher mit 3 bis 5 Prozent erledigt sein wird.

Dieser Vorteil, der im Jahr viele Milliarden - um die 40 Prozent der gesamten Warenproduktion! – ausmacht, kommt dem Verbraucher oder den Ersparnissen der Konsumenten trotz festbleibender Preise zugute, in Gestalt von Lohnerhöhungen, die sie als Produzenten erzielen. Denn alle Konsumenten sind ja dann zugleich auch Produzenten, auch die Kaufleute, Transportarbeiter und öffentlichen Angestellten, Wissenschaftler, Künstler usw. gehören als notwendige Glieder der Arbeitsteilung dazu. Das Verständnis und damit die Nachfrage nach Werken der Kunst wird in einem so wohlhabenden Volk gewaltig steigen, sodass auch die Kunst dann nicht mehr um Brot und Gunst zu betteln braucht.

(Anmerkung aus „Profile der Zukunft – Über die Grenzen des Möglichen“ (1984) von Sir Arthur Charles Clarke (1917 – 2008): „Die Schaffung von Reichtum ist durchaus nichts Verachtenswertes, aber auf lange Sicht gibt es für den Menschen nur zwei lohnende Beschäftigungen: die Suche nach Wissen und die Schaffung von Schönheit. Das steht außer Diskussion – streiten kann man sich höchstens darüber, was von beidem wichtiger ist.“)

Eine weitere erfreuliche Nebenwirkung der Geldreform wird - wie bereits angedeutet - darin bestehen, dass die Barzahlung an die Stelle der leidigen Pumpwirtschaft und des Borge-Unwesens tritt, wodurch eine beträchtliche Menge von Buchungsarbeiten und Verlusten vermieden wird, was wiederum den Produzenten (also allen) zugute kommt. Das zahlreiche Handelspersonal wird in der Mehrzahl - als nunmehr überflüssig - allmählich zur Produktion übergehen und so selbst Güter erzeugen, statt wie heute notgedrungen den Arbeitsertrag der wirklichen Produzenten schmälern zu müssen. Und wenn allmählich die Läden und die Lagerplätze der Händler leer, alle Vorratskammern der Privathaushalte aber voll, wenn alle Speicher und Lager der Fabriken und sonstigen Produzenten gefüllt sind, um auf absehbare Zeit (je nach Art der Produktion) den voraussichtlichen Bedarf zu decken, wird man - mit Ausnahme des für den täglichen Gebrauch bestimmten Bargeldes - alle übrigen Geldüberschüsse an kreditwürdige Unternehmer, auf die Bank oder in die Sparkassen geben; in die Industrie, den Handel, den Bergbau, die Landwirtschaft, auf den Baumarkt - kurz, auf alle Gebiete des Wirtschaftslebens wird sich aus den Ersparnissen des ganzen Volkes ein ununterbrochener Geldstrom ergießen, den „Markt" mit Anlage suchendem Kredit „überschwemmen“. Aber ebenso wenig wie auf dem Warenmarkt, kann auch hier dieser Überfluss noch Unheil anrichten! Auch hier kann er nur noch befruchtend wirken, Segen stiften: die Löhne herauf-, den Zinsfuß herabsetzen, wie ja natürlicher Weise immer aus der Arbeit Segen, aus der Zirkulation Leben quillt und nur die Stockung, der Stillstand, gefährlich ist. Je mehr gearbeitet wird, umso mehr kann verbraucht werden; und je mehr verbraucht wird, umso mehr kann gearbeitet werden! So geht es ohne Ende. Dies gilt sowohl für den Warenmarkt, als auch für den bisher so genannten „Kapitalmarkt“. Und ist der Bedarf auf einem Gebiet voll und ganz gesättigt, so wird man sich anderen, neuen Gebieten mit den erarbeiteten und ersparten Überschüssen zuwenden, wird wirtschaftliches „Neuland" suchen. Wenn dann der Null-Punkt des Zinses das erreichte volkswirtschaftliche Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot auf allen Gebieten ausdrückt, so ist darin auch zugleich das Zeichen allgemeiner Sättigung des Marktes zu erblicken. Ein Zinsfuß von Null-Prozent ist die Grenze, wo eine echte Überproduktion, sowohl an Produktionsmitteln als an anderen Arbeitsprodukten und Ersparnissen, beginnt.

2f) Wie die echte Überproduktion aussieht

Im Gegensatz zur kapitalistischen - fälschlich sogen. „Überproduktion“ – wird die freiwirtschaftliche, also die natürliche, echte Überproduktion, sobald sie sich zeigen wird, bedeuten, dass das Angebot von zinsfreien Leihgütern jeder Art (Geld, Häusern, Fabriken, Bergwerken, Verkehrsmitteln, Landwirtschaftsbetrieben usw.) größer ist als die Nachfrage, dass alle übergenug haben: übergenug an Produktionsmitteln, übergenug an allen Dingen, die sie zum Leben gebrauchen und auf Grund ihres erhöhten Arbeitsverdienstes konsumieren können oder wollen. Nicht in bankrotten Unternehmern, arbeitslosen und hungernden Arbeitern - wie bisher - wird sich diese natürliche Überproduktion ausdrücken, sondern in gefüllten Vorratskammern und Sparkassenbüchern, allgemeinem Wohlstand und wirklichem Überfluss wird sie in Erscheinung treten, als ein Zeichen bisher unerhörten Reichtums an Gütern aller Art.

Der öffentliche, finanzielle Ausdruck einer solchen „Überproduktion an Ersparnissen“ wird darin bestehen, dass der Zinsfuß international unter 0% sinkt. Die Sparer und Darlehnsgeber erhalten dann also nicht nur keinen Zins, sondern müssen sogar ihrerseits Zins bezahlen, resp. sich einen entsprechenden Abzug an ihren Spar-Einlagen und Guthaben gefallen lassen. Dadurch werden natürlich sofort die psychologischen und wirtschaftlichen Gegenwirkungen hervorgerufen, die ein Aufkommen des negativen Zinses verhindern und ihn dauernd auf dem Nullpunkt festhalten werden. Gerade diejenigen, die dann die größten Ersparnisse erzielt, also am meisten gearbeitet und am wenigsten für sich verbraucht haben, werden nämlich durch einen etwaigen negativen Zins am empfindlichsten getroffen. Je größer ihre Spareinlagen, Guthaben, Geldforderungen oder sonstigen volkswirtschaftlichen Vermögensanlagen sind, umso größerer Schaden wird ihnen durch den negativen Zins drohen. Demgemäß werden sich diese wohlhabenden Arbeiter auch in erster Linie und in stärkstem Maße bewogen fühlen, ihre ersparten Überschüsse nicht mehr als volkswirtschaftliche Kredite in Umlauf zu setzen, sondern dieselben in Zukunft möglichst privatwirtschaftlich, d. h. zu eigenem Verbrauch zu verwenden. Die dadurch hervorgerufene Einschränkung des Kredites ist dann ganz unbedenklich, denn sie wird ja nur die Tatsache ausdrücken, dass die Gesamtheit der Arbeitenden so große Ersparnisse gemacht und in Unternehmungen aller Art angelegt hat, das weitere Kredite nicht mehr unterzubringen - mithin überflüssig sind. Wenn also das Erscheinen des negativen Zinses eines Tages der Welt verkündet, dass die Volkswirtschaft bis auf weiteres überhaupt keiner neuen Kredite mehr bedarf, so werden eben auch viele der bisherigen Geldgeber, Sparer, Gläubiger usw. - um nicht an die Darlehnsnehmer und Schuldner noch obendrein Zins zahlen zu müssen - ihre Kredite teilweise zurückziehen, ihre neuen Ersparnisse aber gar nicht erst dem Darlehensmarkt zuführen, sondern sie für sich selbst verbrauchen - oder überhaupt in Zukunft weniger arbeiten oder weniger sparen.

Die bereits Begüterten würden also in ihrem eigenen Interesse stets dafür sorgen müssen, dass der negative Zins nicht in Erscheinung tritt. Die weniger Bemittelten, die noch auf das Sparen angewiesen sind, werden dadurch immer in der Lage sein, ihre Ersparnisse ohne Schaden anlegen zu können, bis auch sie nicht mehr zu sparen brauchen. So wird schließlich ganz automatisch das ungesunde Anhäufen von Riesen-Vermögen an bloßem Geldbesitz (Geldforderungen) in den Händen einzelner verhindert. Die Menschen werden nicht nur leben, um zu arbeiten, sondern sie werden arbeiten, um die Freuden und Annehmlichkeiten des Lebens zu verdienen. Man wird sich früher zur Ruhe setzen, sich mehr seinen Kindern widmen, die Arbeitszeit verkürzen und sich nebenbei nach Wunsch und Neigung betätigen. Wer sich bisher mit einer Mietswohnung begnügte, wird seine überflüssigen Ersparnisse lieber in einem schmucken Häuschen mit Garten anlegen, statt sie negativem Zins auszusetzen. Das ganze Land wird überhaupt allmählich den Charakter einer großen Gartenstadt von ungeheuren Dimensionen annehmen! Und wer bisher vielleicht tüchtig gearbeitet und etwas übermäßig gespart hat – es sich nun also leisten kann - der wird sich, um den negativen Zins zu vermeiden, dann lieber für einen Teil seiner Ersparnisse ein Automobil, ein Kleinflugzeug oder eine Segelyacht zulegen; vielleicht auch mit seiner Familie eine Weltreise unternehmen.

Während also heute die so genannte „Überproduktion“ (die kein Überfluss ist) von Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen, von Not und Entbehrung begleitet ist, beruht die echte, die natürliche Überproduktion auf einem wirklichen Überfluss an Ersparnissen und verursacht daher Erholung, Luxus und Lebensgenuss für alle, die es durch Fleiß und Sparsamkeit verdient haben.

Man sagt, dass ganze Erdteile, die heute von Millionen Menschen bewohnt sind, in prähistorischen Zeiten unter Wasser gestanden hätten. Auch der Kapitalzins setzt große Gebiete der Volkswirtschaft gleichsam unter Wasser. Ihre Nutzbarmachung und Bearbeitung wird durch 4 bis 5 Prozent Zins ebenso unmöglich gemacht, als wenn ein Landgebiet von einem 4 bis 5 Meter hohen Wasserstand bedeckt ist.

Was muss z. B. heute alles unterbleiben, weil es sich nicht „rentiert“ und was könnte morgen alles in Angriff genommen werden, wenn es sich nicht zu rentieren, sondern nur die Kosten, nur die Löhne zu decken brauchte! Durch die Freigeld-Reform wird, wie am Schöpfungstage, „Land“ und „Wasser“ voneinander geschieden, und wirtschaftliches Neuland hebt sich aus den sinkenden Fluten des Kapitalzinses, groß genug, um alle „Überflüssigen“ und „Vielzuvielen“ aufzunehmen und zukünftigen Generationen Arbeit, Existenz und Wohlstand zu gewähren.

Die Verwirklichung der hier erläuterten Geldreform (konstruktive Geldumlaufsicherung) wird auch die Durchführung der allgemeinen großen Grundbesitz-Reform (allgemeines Bodennutzungsrecht) unabweisbar machen. Erst beide Reformen zusammen sind imstande, das ganze arbeitlose Einkommen, die ganze Ausbeutung zu beseitigen und jedem den vollen Arbeitsertrag zu verschaffen. Während die Geldreform durch Beseitigung des Kapital-Zinses auf dieses Ziel hinführt, bewirkt die Grund- und Bodenbesitz-Reform, dass das mit dem heutigen Privat-Grundbesitz zusammenhängende arbeitlose Einkommen (also die Grundrente) an die Allgemeinheit, die sie ja durch ihre Arbeit schafft, zu gerechter Verteilung gelangt (durch Auszahlung als Kinderrente zu gleichen Teilen – so kommt sie allen zugute, denn jeder ist einmal Kind). Damit wäre dann der große Wurf gelungen, die Arbeit von allen Fesseln zu befreien und ihr den vollen Ertrag zu sichern.


Möge diese Schrift dazu beitragen, dass auch diejenigen, die aus purer Dummheit den Kapitalismus erhalten…


…oder ihn gar zum Staatskapitalismus ausbauen wollten,…


…einen wertvollen zukünftigen Beitrag zum Aufbau der Zivilisation leisten werden:



Wer noch immer der Meinung ist, der Himmel auf Erden müsse irgendetwas anderes sein, muss auf den Jüngsten Tag vertröstet werden, um sich des Besseren am eigenen Leibe belehren zu lassen.


Stefan Wehmeier, 01.10.2013