Sonntag, 10. Februar 2013

Das Problem der wirtschaftlichen Macht



Die wirtschaftspolitische Diskussion des 19. und 20. Jahrhunderts ging meist von der Grundansicht aus, dass es nur zwei gegensätzliche Wirtschaftsarten gebe: entweder die von den Einflüssen des Marktes gelenkte so genannte freie Wirtschaft - ausgedrückt in dem Wort Privatkapitalismus - oder die zentral durch staatlichen Befehl gelenkte Verwaltungswirtschaft, kurz umrissen durch das Wort Staatskapitalismus.

Das Zeitalter der so genannten freien Wirtschaft hatte das Problem der zu gefährlichen Ausmaßen anwachsenden wirtschaftlichen Macht geboren. Die großen Kapitalanhäufungen in wenigen Händen, wie sie das zinswirtschaftliche System nun einmal mit sich bringt, mussten machtpolitische Kristallisationspunkte schaffen, die in das gesamte öffentliche Leben ausstrahlen und ihren Trägern ein Übergewicht verleihen, das mit dem Grundsatz der Demokratie nicht mehr in Einklang zu bringen ist. So ist es kein Wunder, dass sich die auf den ersten Blick ganz einleuchtend erscheinende Idee, man könne durch eine Stärkung der öffentlichen Hand den privaten Machtansprüchen erfolgreich entgegentreten, sich allmählich durchsetzte. Dies um so mehr, als die wiederkehrenden sozialen und wirtschaftlichen Störungen die willkommene Gelegenheit boten, den staatlichen Einfluss durch Sozialgesetzgebung, planwirtschaftliche Eingriffe aller Art, nicht zuletzt aber durch Verstaatlichung von Großbetrieben der Industrie und des Verkehrs möglichst auszudehnen und im gleichen Maße die private Macht zu schwächen. Das letztere gelang zwar bis zu einem gewissen Grad, doch zeigten sich bald recht unerwünschte Nebenwirkungen. Wir wissen bereits, dass die steigende Einmischung des Staates in die Wirtschaft gleichbedeutend mit einer Entwicklung zum Staatsmonopolismus und Totalitarismus ist. Die Lenkung des Wirtschaftsprozesses durch zentralwirtschaftliche Planstellen, ja sogar schon die verbürokratisierte Sozialgesetzgebung allein, vor allem aber die unmittelbare Verstaatlichung von Industrie- und Verkehrsbetrieben schafft noch größere und gefährlichere Machtkörper als sie die so genannte freie Wirtschaft kannte. Je mehr zentral gelenkt, bewirtschaftet und verwaltet wird, um so mehr muss der bürokratische Staatsapparat anwachsen, müssen Staat und Wirtschaft ein unentwirrbares Ganzes werden. In einem solchen System ist der Politiker zugleich der Herr über Staat und Wirtschaft. Der Allmacht Weniger sind dann keine Grenzen mehr gezogen. Dort, wo alle Wirtschaftsmacht, alle Leitungs- und Dispositionsgewalt an einer einzigen Stelle konzentriert ist, einer Stelle, die zugleich über den Staat und seine Machtmittel gebietet, ist die totalitäre Staatssklaverei unvermeidlich.

Weder die so genannte „freie“ Wirtschaft einerseits noch die staatliche Planwirtschaft andererseits sind imstande, das Problem der wirtschaftlichen Macht zu lösen. Die von uns vertretene dritte Möglichkeit einer wahrhaft freien Wettbewerbswirtschaft allein ist Erfolg versprechend. Der Wettbewerb ist das einzige Mittel, um wirtschaftliche Macht zu brechen. Er ist nur zu verwirklichen, wenn die heute bestehenden Monopole unschädlich gemacht werden. Für eine Wettbewerbsordnung dieser Art, für eine entmonopolisierte und daher echte Soziale Marktwirtschaft gilt das, was Walter Eucken gesagt hat:

Erstens: In einer solchen Wettbewerbsordnung lenken die Preise, die in vollständiger Konkurrenz zustande gekommen sind, den Wirtschaftsablauf – bei gegebener Einkommensverteilung – sinnvoll. Die Wirtschaftsrechnung ist korrekt. Die Preise und Preisrelationen bringen die Knappheitsgrade der einzelnen Güter richtig zum Ausdruck, sodass die Hergänge in den einzelnen Betrieben ineinander greifen und der Gesamtprozess auf die Deckung von menschlichen Bedürfnissen optimal gelenkt wird – wobei jedoch die Menschen nur entsprechend ihrem Einkommen Bedürfnisse geltend machen können.

Zweitens: In einer Wettbewerbsordnung dieser Art kann sich der Leistungswettbewerb entwickeln. Schädigungs- und Behinderungswettbewerb (Monopolkampf) fehlen. Die private Initiative kann sich voll entfalten, aber sie wird durch den Wettbewerb kontrolliert.

Drittens: Eine solche Wettbewerbsordnung ist zur internationalen Ordnung in hohem Maß geeignet. Sie zeigt nicht die Mängel, die eine vermachtete (kapitalistische) „freie“ Wirtschaft oder eine Wirtschaft des zentralverwatungswirtschaftlichen Typs aufweist und verknüpft auch über die Grenzen Betriebe und Haushalte sinnvoll.

Viertens: Freiheit und Ordnung befinden sich in einer solchen Wirtschaft des freien Wettbewerbs im Gleichgewicht. Sie wahrt die Selbstverantwortung des Einzelnen; aber sie gewährt ihm nicht die Freiheit, durch Schaffung von Machtgebilden die Freiheit anderer einzuengen oder zu beseitigen.

Voraussetzung für das Funktionieren einer solchen freiheitlichen Wettbewerbsordnung ist eine stabile Währung. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass es den Staaten schwer fällt, funktionsfähige Währungen zu schaffen. Ohne deren Existenz kann aber die Wettbewerbsordnung nicht hinreichend funktionieren. Preise werden in Geldeinheiten ausgedrückt und in Geld gezahlt. Die Preis- und Kostenrechnung verliert deshalb ihre ordnende Kraft, wenn das Geldwesen z. B. in Inflations- und Deflationsprozessen versagt. Nur wenn freie Devisenmärkte bestehen und bei stabiler Währung ist die Lenkung des Wirtschaftsprozesses durch Konkurrenzpreise erfolgreich. Falls diese Teilordnung - die Währung - versagt, wird eine zentralverwaltungswirtschaftliche Lenkung in anderen Teilgebieten der Wirtschaft provoziert.

Zusammenfassend ist zu sagen: Die Abkehr von den bisherigen fast ununterbrochen betriebenen Währungspfuschereien im Verein mit der Unschädlichmachung des Geldstreik- und Bodenmonopols schaffen die Voraussetzungen für eine sich selbst regelnde, wirklich freie Marktwirtschaft und lösen zugleich das Problem der wirtschaftlichen Macht.

Otto Valentin (aus „Die Lösung der Sozialen Frage“, 1952)


Wer in einer a priori fehlerhaften (kapitalistischen) Makroökonomie eine „Position“ erreichen will, muss sich selbst und andere ständig belügen, bis man (oder Frau) in einem Ozean von Vorurteilen versinkt, aus dem ein Auftauchen aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist. Aus bewusster Sicht sind heutige „Spitzenpolitiker“ maximal Vorurteils- und Denkfehler-behaftete Individuen, die für ihre hoffnungslos naiven Handlungen („Konjunkturpakete“, „Hilfskredite“, „Rettungsschirme“, „Friedensmissionen“, etc.) keinerlei Verantwortung übernehmen können.


Stefan Wehmeier, 09.02.2013


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