"Die Überwindung des Kapitalismus unter
Beibehaltung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs" wurde ursprünglich
für Marxisten (Staatskapitalisten) geschrieben, was den für denkende Menschen
unlogischen Titel erklärt. Ein selbständig denkender Mensch weiß, dass nur die
Entfesselung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs den Kapitalismus überwindet,
während ein marxistischer Sozialist das Denken lieber dem Politbüro überlässt. Für
alle, die weniger an Staatskapitalismus und mehr an sozialer Gerechtigkeit
interessiert sind, sollte es jedoch nie zu spät sein, mit dem selbständigen
Denken anzufangen:
Was ist "Kapitalismus"?
Unser Thema scheint
auf den ersten Blick für jeden Sozialisten einen Widerspruch in sich
darzustellen. Kaum irgend etwas ist nämlich für einen Sozialisten so
selbstverständlich und unanfechtbar wie dies, dass der "Kapitalismus"
die "anarchische Produktionsweise" aus ungehemmtem Profitstreben auf
der Basis des privaten Eigentums sei - also doch wohl mit dem Konkurrenzkampf
stehen und fallen müsse. Wie also eine Überwindung des Kapitalismus unter
Beibehaltung des Konkurrenzkampfes möglich sein soll, das muss einem an Karl
Marx orientierten Leser von vornherein schon in der Problemstellung so
undenkbar erscheinen, wie etwa die Quadratur des Kreises.
Aus diesen Gründen
werden wir uns zunächst einmal mit einigen Begriffsbestimmungen befassen
müssen, die den augenscheinlichen Widerspruch wenigstens soweit auflösen, dass
ein methodisch denkender Leser den weiteren Darlegungen zu folgen vermag.
Die wichtigste
Klarstellung dieser Art betrifft die Klarstellung des Begriffs "Kapitalismus".
Es versteht sich wohl von selbst, dass uns mit dem vulgärökonomischen Begriff,
wie er, schwammig und nichts sagend, landauf und landab täglich millionenfach
benutzt wird, nicht gedient ist. Wir müssen, wenn wir uns über eine Sache
verständigen wollen, ganz exakte Vorstellungen haben, d. h. es muss jeder beim
Anhören der Bezeichnung den gleichen Begriff haben, den derjenige meint, der
die Bezeichnung setzt. Wenn nun aber, wie in unserem Falle, eine Bezeichnung offensichtlich
bereits vielerlei Vorstellungen zum Inhalt hat, muss man sich wenigstens für
die Untersuchung, mit der man sich eben abgibt, auf eine ganz bestimmte aber
ausschließlich geltende Definition einigen. Es hätte keinen Sinn, vor der
Diskussion darüber zu streiten, welche Definition die richtige ist - das lässt
sich überhaupt erst voll beurteilen, wenn wir in der Diskussion "auf Grund"
gekommen sind. Noch weniger angebracht ist es natürlich, von vornherein auf
einer populären Definition zu beharren, die nach der Auffassung eines Autors,
der etwas Spezielles erklären will, für diese Erklärung unbrauchbar ist. Dies
vorausgeschickt wollen wir jetzt die Definition des Begriffes "Kapitalismus"
festlegen:
Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das primär auf
die Erzielung von Kapital-Ertrag ausgerichtet ist.
Um die Logik dieser
Definition noch etwas zu unterstreichen, dürfen wir wohl darauf hinweisen, dass
eine jede Bezeichnung umso klarer und unmissverständlicher ist, je genauer sie
das Charakteristikum der Sache trifft. Also, wenn wir von Kapitalismus reden,
wollen wir doch zum Ausdruck bringen, was diesem System im Gegensatz zu anderen
denkbaren Systemen das Wesentliche ist. Wesentlich ist aber diesem System nur
der Kapital-Ertrag, nichts anderes. Ohne hier schon in eine kritische
Betrachtung des Marxismus eintreten zu wollen, würde bei dieser Definition
bereits zu beachten sein, dass der bei Karl Marx am häufigsten vorkommende Begriff
"Profit" nicht mit dem Begriff Kapital-Ertrag identisch ist, sondern
in Bausch und Bogen, ohne Unterscheidungen Unternehmerlohn, Risiko-Ausgleich,
Gewinn und Kapitalzins zusammenfasst. Dieser ressentimentgeladene Begriff "Profit"
stellt also ein Konglomerat von verschiedenen Begriffen dar und ist für eine
exakte Klärung der Dinge, wie wir noch sehen werden, einfach unbrauchbar.
Wenn wir uns über
das Wesen des Kapitalismus zuverlässig informieren wollen, tun wir im Grunde
genommen besser daran, unsere Kenntnis gleich aus der richtigen Küche, nämlich
aus der kapitalistischen Betriebswirtschaftslehre zu holen - und das "Kapital"
von Karl Marx in der Bücherkiste zu lassen. Sofern nämlich die Theorien von
Karl Marx richtig wären, müssten sie ja in der kapitalistischen betriebswirtschaftlichen
Erfolgsrechnung ihre Bestätigung finden; sofern sie aber hier keine Bestätigung
finden, dürfte es klar sein, dass die Theorie an der Wirklichkeit vorbeigegangen
ist. Die Richtigkeit des Sachverhalts kann ja nur durch die nachweisbare
Wirklichkeit dargetan werden und es kann wohl unbesehen angenommen werden, dass
die Kapitalisten, die nach ihrem System praktisch arbeiten, in ihrer
betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Erfolgsrechnung viel besser wissen,
worauf es ihnen ankommt, als der abseits jeglicher Praxis stehende revolutionäre
Theoretiker, der alle Dinge überdies durch die Brille seines Grolls sieht.
Rein äußerlich
zeigt die kapitalistische Wirtschaftsordnung das Bild einer arbeitsteiligen Marktwirtschaft.
Selbständige Unternehmer unterschiedlicher Größe produzieren die Ware für den
Verkauf auf dem Markt. Die Produktionsmittel stehen im Eigentum der Unternehmer
oder der Kapitalisten, was nicht immer dasselbe ist. Die Arbeiterschaft leistet
Lohnarbeit und erhält mit ihrem Lohn in der Geldrechnung ausgedrückt einen
Anteil vom Sozialprodukt, d. h. vom realen Ergebnis der Gesamtproduktion. Das
ganze System wird von der privaten Initiative der Unternehmer gesteuert, hat
aber im System der freien Marktwirtschaft ihr Korrelat, ihre ergänzende
Entsprechung, in der ebenfalls aus privater Initiative hervorgehenden freien
Entscheidung der Konsumenten.
Nun gehört es
bekanntlich zu den nachdrücklichsten Forderungen aller Sozialisten, dass die
Produktion sich am Bedarf orientieren sollte. Doch abgesehen davon, dass der "Bedarf"
nicht mit der "Nachfrage" identisch ist und als solcher auch eine
Größe darstellt, die gar keine Grenzen erkennen lässt, könnte man sich über
diese Frage auf einer mittleren Linie einigen, etwa bei der Forderung, dass die
Produktion jenen Bedarf decken sollte, den die Konsumenten damit bekunden, dass
sie den Gegenwert dafür auf den Tisch legen. In diesem Falle würde also
derjenige Bedarf befriedigt, der in der Gestalt klingender und knisternder
Nachfrage auf dem Markt sich meldet; und da die Zahlung schließlich eine
Legitimation dafür ist, dass der Käufer irgendwo im Wirtschaftsprozess einen
Anspruch an das Sozialprodukt erworben hat oder dass ihm von einem anderen
Berechtigten ein solcher Anspruch abgetreten wurde, ist damit zugleich eine
Gewähr dafür gegeben, dass die Entnahmen vom Markt nicht größer werden als die
Zufuhr. Dieser Grundsatz ist einfach durch die Realität der Umstände bedingt.
Die Forderung einer gegenleistungslosen Bedarfsdeckung oder unbezahlten
Güter-Entnahme und -Zuteilung wurzelt dagegen im utopischen Sozialismus; die
reale Wirklichkeit lässt nichts anderes zu, als dass jede gegenleistungslose
Bedarfsdeckung, wie sie etwa aus humanitären Gründen in der Sozialfürsorge
geübt wird, nur aus der Übertragung von Einkommensteilen, die einem anderen
zustanden, erfolgen kann.
Die Steuerung der
Produktions-Initiative durch das Korrelat der "Nachfrage" steht somit
an sich nicht im Widerspruch zu dem vernünftigen Grundsatz, die Produktion auf
das Zweckmäßige und von den Konsumenten Gewünschte und Benötigte auszurichten.
Die Privat-Initiative des liberal-kapitalistischen Unternehmers sperrt sich
keinesfalls gegen die solcherart vom Markt geäußerten Wünsche, sondern sie ist
im Wettbewerb mit anderen Unternehmern geradezu darauf bedacht, den Konsumenten
die Wünsche von den Augen abzulesen, in Qualität und Quantität stets das
Bestmögliche zu bieten, um der Nachfrage gerecht zu werden. Insofern ist also
die freie Marktwirtschaft, was ihre Gesamtleistung und die Geschmeidigkeit der
Anpassung privatwirtschaftlicher Produktion an die Nachfrage der Käufer
anbelangt, vollkommen in Ordnung und wir würden nur Plattheiten kolportieren,
wenn wir hierzu noch die Unterschiede zwischen der freien Marktwirtschaft des Westens
und der Planwirtschaft des Ostens im einzelnen mit Statistiken belegen wollten.
Dennoch ist an
diesem kapitalistischen System - vom Standpunkt der Notwendigkeit der
Bedarfsdeckung aus gesehen - etwas nicht in Ordnung. So ist unbestritten klar, dass
auf vielen Gebieten noch ein riesiger Bedarf vorliegt, ohne dass die
Privat-Initiative in dem volkswirtschaftlich richtigen Sinne reagiert. Dabei
dürfen wir aber dessen gewiss sein, dass die Unternehmer den vorliegenden Bedarf
mit höchster Wachsamkeit im Auge behalten und dass ihr privatwirtschaftliches
Interesse und ihr Erfolgsstreben durchaus darauf ausgerichtet ist, sich dieser
Produktion anzunehmen. Die Bauunternehmer werden sich nie weigern, Wohnungen zu
bauen! - Dass dennoch nicht genügend geschieht, um der Bedarfsdeckung gerecht
zu werden, ist dadurch bedingt, dass die Auftragserteilung fehlt. Dem
Unternehmer- und dem Auftraggeber-Interesse ist die Elementarbedingung des
kapitalistischen Systems, die wir eingangs mit dem Anspruch auf Kapital-Ertrag definiert
haben, gewissermaßen "vorgeschaltet". Damit ist der
volkswirtschaftlich richtige Ablauf - z. B. verstärkte Bautätigkeit –
blockiert.
Wenn wir uns diesen
Sachverhalt richtig klar machen, zeigt sich ganz deutlich, dass wir mit den
Begriffen von Karl Marx nicht mehr auskommen. Marx spricht einfach abschätzig
von "Profitstreben" der Kapitalisten. Kapitalist und Unternehmer sind
bei ihm ohne weiteres miteinander identisch, was in Wirklichkeit in zunehmendem
Maße seltener wird und in den Grundsätzen moderner kapitalistischer Betriebsführung
überhaupt nicht der Fall ist.
Kapitalist und Unternehmer
Das
betriebswirtschaftliche Rechnungswesen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung setzt
den Unternehmer nicht mit dem Kapitalisten gleich. Es kann zwar möglich sein, dass
in einem Betrieb Kapitalist und Unternehmer in einer Person vereinigt sind;
aber in zahllosen Fällen ist es nicht so oder doch nur anteilmäßig. Dessen
ungeachtet wird aber in jedem kapitalistischen Betrieb so gerechnet, als ob der
Kapitalist und der Unternehmer zwei verschiedene Personen seien, von denen der
eine den Kapital-Ertrag und der andere den Unternehmerlohn und -gewinn zu
beanspruchen habe. Die Ansprüche des Kapitalisten haben jedoch in diesem System
ausnahmslos den Vorrang. Es ist erster Zweck, den Kapital-Ertrag zu erbringen. Von
daher gebührt dem System, wie schon angedeutet, die Bezeichnung "Kapitalismus".
Der Bedarfsdeckung zu dienen, Arbeitern und Unternehmern Einkünfte zu bringen,
das ist in jedem Fall von nachgeordneter Bedeutung - auch der Unternehmer ist
dem Kapitalisten nachgeordnet! Es ist nicht nur so, dass es "vorkommen
kann", sondern es ist ein häufig genug auftretender Fall, dass der
Unternehmer mit Verlust abschneidet, während der Kapitalist die volle
Befriedigung seiner Ansprüche erhält. Bei Unternehmungen, in denen Kapitalist
und Unternehmer in eine Person zusammenfallen, spielt sich dieser Vorgang
natürlich nur in der innerbetrieblichen Gewinn- und Verlust-Rechnung ab - und
der Unternehmer hält sich am Kapitalisten schadlos. Dann sagt sich der
Unternehmer: "Hätte ich doch nur mein Geld einfach auf Zinsen angelegt,
dann hätte ich ein ruhiges Leben gehabt, kein Risiko mit den Kunden, keine
Sorgen mit den Arbeitern und keinen Ärger mit dem Finanzamt - und dabei hätte
ich noch besser verdient als mit diesem Betrieb!" Noch schlimmer sieht es
aus, wenn der Kapitalist ein anderer ist und seinen Anteil für sich fordert,
ohne Rücksicht auf den Unternehmer und dessen Erwartungen am Produktionsertrag.
Diese strenge
Ordnung der kapitalistischen Einkommensverteilung ist wichtig genug, um sie am
Exempel noch genauer zu verfolgen: Wir nehmen Einblick in den Betrieb eines
Unternehmers, der eine neue Produktion aufgenommen hat, von der er glaubte, dass
der Markt Interesse dafür hat; - sehr vorsichtige Unternehmer orientieren sich
vorher durch Marktforschung über Bedarf und Absatz-Chancen.
Die Ingangsetzung
der Produktion erfordert Produktionsmittel, Gebäude, Maschinen, Rohstoffe, Geld
für Lohnzahlungen usw. Viele Unternehmer verfügen nicht selbst über die Mittel,
die sie für ihre Produktion benötigen; sie nehmen also in solchen Fällen Geld
auf. Unser ganzes Kreditsystem mit Banken und Sparkassen und Börsen ist ja doch
nichts anderes als ein solcher Apparat, der Kapital sammelt und es diesen Kredit
suchenden Unternehmern leiht.
Die
Eröffnungsbilanz unseres Unternehmers beginnt nun mit dem Einsatz des
Eigenkapitals, das er selber hat, und mit dem Einsatz des Fremdkapitals, das er
als Kredit erhalten hat - und beides bucht er unter die "Passiva",
unter die Schulden, denn der Betrieb ist nun etwas Selbständiges und schuldet
als Betrieb nicht nur dem Fremden den Betrag des aufgenommenen Kapitals, sondern
auch dem eigenen Unternehmer den Anteil von Kapital, den dieser aus eigenem
Vermögen selber beigesteuert hat.
In logischem
Fortschreiten auf dieser Linie exakter kapitalistischer Rechnungsführung werden
nun in der Kalkulation des projektierten Artikels die Kapitalkosten für das
fremde und für das eigene Kapital als elementare Gestehungskosten neben
Rohstoffen, Löhnen, Gehältern, Steuern, Werbekosten und Gewinn-Rate eingesetzt.
Jede
Kosten-Kategorie auf der Produktions-Seite ist das genaue Spiegelbild einer in
Geldwert ausgedrückten Einkommensquote vom Erlös des Produktes. So ist in den
Rohstoffkosten etwa die Grundrente der Grubenbesitzer, in den Löhnen und
Gehältern das Arbeitseinkommen der Arbeiter, Werkmeister und Büroangestellten, in
den Steuern das Einkommen der Staatsbeamten und in den Vertriebskosten das
Gehalt des Postschaffners und des Bahnpersonals enthalten, um wenigstens einige
dieser Positionen anzuführen. In letzter endgültiger Aufgliederung verteilt
sich das gesamte Sozialprodukt schließlich restlos auf die so genannten "Produktions-Faktoren"
Boden, Kapital und Arbeit.
Die wichtigste
Position in unserem kapitalistischen Betrieb ist die Position "Kapitaldienst",
die die Verzinsung und den Verschleiß des der Produktion zur Verfügung
gestellten Kapitals umfasst. Hierbei stellt die Verzinsung den erwähnten Kapitalertrag
dar, dessen Erzielung Vorbedingung aller kapitalistischen Produktion ist,
während der Verschleiß in den "Amortisationen" oder "Abschreibungen"
als laufende Tilgungs- oder Rückzahlungsrate erscheint. Diese Amortisationen
werden selbstverständlich vom Fremdkapital und vom Eigenkapital berechnet. Der
Unternehmer rechnet also etwa, dass der Verschleiß einer Maschine in 10 Jahren
eine Neu-Anschaffung erfordert; folglich belastet er die Produktion mit
jährlich 10% Amortisation, damit das Geld, das die Maschine kosten wird, in 10
Jahren wieder da ist. Diese Rechnung ist an sich natürlich in Ordnung und lässt
sich praktisch in keiner andersartigen Wirtschaftsordnung vermeiden.
Neben der
Amortisation, die die Wiederbeschaffung des Kapitals sichert, läuft nun aber
noch die Kapitalverzinsung. Dieser Posten erhält sein Gewicht danach, ob die
Produktion mehr oder weniger kapitalintensiv ist und ob der Landeszinsfuß hoch
oder niedrig ist, was ganz von den Kapitalmarktverhältnissen abhängt.
Wesentlich ist jedoch, dass die Kapitalhergabe normalerweise nur zu festen
Zinssätzen erfolgt und selbst bei Beteiligungen am Unternehmer-Risiko, wie
beispielsweise beim Kauf von Aktien, doch immer noch ein Mindest-Ertrag in Höhe
des durchschnittlichen Landeszinsfußes erwartet wird.
Aus diesen hier nur
kurz skizzierten Gründen und aus der wohl kaum strittigen Vorrangstellung des
Kapitals heraus werden nun in der kapitalistischen Betriebsführung die
Produktionskosten des Zinsendienstes und der Amortisation unter die so
genannten "fixen Kosten" gerechnet. Die "fixen Kosten" sind
bei jedem kapitalistischen Betrieb diejenigen Kosten, die unter allen Umständen
feststehen, die also aufgebracht werden müssen, gleichgültig, ob und wie das Unternehmen
floriert. Schon wieder stehen wir also an dem Punkt, an dem der Kapital-Ertrag
vor den Löhnen und vor dem Unternehmergewinn kommt.
Selbstverständlich
gehören bei einem größeren Industriebetrieb auch noch einige andere Positionen,
gewisse Mindestaufwendungen an Personal, Verwaltung, Versicherungen usw. zu den
"fixen Kosten". Aber die entscheidende Position bleibt der
Kapitaldienst, wenn auch dieser Kostenfaktor nicht in allen Wirtschaftszweigen das
gleiche Gewicht hat. Ein Schneidermeister, der mit dem Produktionsmittel Nähmaschine
arbeitet und im übrigen nur die fixen Kosten des Mietzinses für seine
Geschäftsräume aufzubringen hat, ist etwas anderes als eine Buchdruckerei, oder
eine Strumpffabrik oder ein Elektrizitätswerk - bei welch letzterem z. B. die "fixen
Kosten" 95% des Strompreises ausmachen, während der Kohleverbrauch und die
gesamten Personalkosten für die Stromerzeugung und Verteilung nur 5% des
Strompreises betragen. - Eine hochtechnisierte Produktionsstätte kann also fast
vollständig im Dienste einer Kapitalgruppe stehen, ohne dass ein im üblichen
Sinne privater Unternehmer da ist, der den Anschein erweckt, der Ausbeuter zu
sein. Hier läuft der Kapital-Ertrag - bestimmt von der Zinshöhe - einfach über
die Produktionskosten Anleihezinsen, und das System funktioniert auch unter
sozialisierter kommunaler Betriebsführung immer noch kapitalistisch.
Die übrigen
Produktionskosten rangieren in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation als
variable, bewegliche Kosten. Rohstoffe, Löhne, Gehälter, Steuern, Werbeaufwand
und Unternehmergewinn sind alles durchaus veränderliche Größen; und so hängt
der Geschäftserfolg eines Unternehmers nur davon ab, wie er es fertig bringt,
diese verschiedenen Größen so zueinander in Beziehung zu setzen, dass ein für
den Markt tragbarer Preis herauskommt und dass dabei doch alle Produktionsfaktoren
zur Befriedigung ihrer Ansprüche kommen. Da wir mit diesem System des
Kapitalismus innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit immerhin
weitgehend freier Konkurrenz stehen, sind dem Unternehmer bei seiner
Kalkulation bezüglich des erzielbaren Verkaufspreises Grenzen gesetzt. Sein
kaufmännisch unternehmerisches Geschick, Gewinne zu erzielen, hat keinen sehr weiten Spielraum in dieser Wettbewerbswirtschaft. Die "fixen Kosten" muss
er akzeptieren; um die Rohstoffpreise kann er vielleicht noch handeln;
hinsichtlich der Löhne hat er es mit einem Kontrahenten zu tun, den er nicht
willkürlich drücken kann und den er außerdem immer sofort bezahlen muss; so
bleibt ihm denn nur die Chance, mit guter Arbeits- und Vertriebs-Organisation
seinen Unternehmergewinn zu verdienen.
Bei dieser Sachlage
liegt die Chance des Unternehmers in der Steigerung der Produktion und des
Absatzes. Bei verdoppelter Produktion mögen die variablen Kosten, also die
Aufwendungen für Rohstoffe, Löhne usw. zunehmen; aber auf die vergrößerte
Gesamtproduktion bezogen bleiben doch die "fixen Kosten" dieselben. Das
bedeutet, dass die "fixen Kosten" auf das Stück gerechnet anteilmäßig
geringer werden. Eine solche Entwicklung des Unternehmens wird also
gewinnbringend, erlaubt auch Lohn-Erhöhungen und Preis-Ermäßigungen, während
der Kapitalist nach wie vor seinen Anteil erhält, jedoch den besonderen Gewinn
der guten Geschäftsentwicklung den Unternehmern, Arbeitern und Konsumenten
überlassen muss. In diesem Zusammenhang ist wieder besonders bemerkenswert, dass
die Interessen-Verbindung zwischen Unternehmern und Arbeitern eine viel engere
ist, als die Interessen-Verbindung zwischen Unternehmern und Kapitalisten.
Die Sache, die hier
zu klären ist, wird aber noch um einige Grade deutlicher, wenn wir uns die
Vorgänge in der rückläufigen Konjunktur ansehen. Die rückläufige Konjunktur
trägt die Merkmale der Absatzstockung und des Preis-Verfalls. Der Unternehmer,
der diese Entwicklung bei den Verkaufsbemühungen für seine Produkte zu spüren
bekommt, wird dadurch zur Betriebseinschränkung genötigt. Zunächst hat er aber
seine Rohstoffe und Halbfabrikate zu einem früheren Termin und zu den alten
höheren Preisen eingekauft; und mit seinen Arbeitern und Angestellten hat er
Anstellungs-Kontrakte und Lohn-Tarife abgeschlossen, die er vorerst noch
einhalten muss. Will er nun dem Druck des Marktes gerecht werden, wozu ihm in
der Depression keine andere Wahl bleibt, so muss er die Endpreise auf Kosten
seines Unternehmer-Anteils senken. Die Bemühungen der Unternehmer, in solchen
Fällen dann doch eine Lohnsenkung durchzuführen, sind für den Arbeiter
begreiflicherweise nicht erfreulich und sie ziehen auch nur noch weitere
Schrumpfungen des allgemeinen Marktes nach sich, aber sie sind schließlich doch
auch nur darauf zurückzuführen, dass dem Unternehmer nur die Spanne der
variablen Kosten der Produktion für eine Anpassung an die veränderte Konjunkturlage
zur Verfügung steht. Eine Abwälzung auf die "fixen Kosten", eine
Senkung des Kapital-Ertrages steht in diesem System nicht zur Erwägung. Die so
genannte "Rentabilität" des Unternehmens, d. h. seine Fähigkeit,
Kapital-Ertrag abzuwerfen, muss im kapitalistischen System unter allen
Umständen gewahrt werden. Reichen die Erträgnisse nicht mehr aus, den
Anforderungen des Kapital-Dienstes gerecht zu werden, dann wachsen die fälligen
Zahlungen der Schuld zu, oder das Kapital zieht sich aus dem Unternehmen
zurück; die Aktien, die keine ausreichende Dividende mehr bringen, fallen im
Kurs; der Kapitalist, der 5% Kapitalrente verlangt, gibt für die Aktien eines
Unternehmens, das in der Depression nur 2,5% Rendite bringt, nur den halben
Preis, um auf diese Weise für sein angelegtes Kapital die ihm als angemessen
erscheinende Rente zu erzielen. Wenn die Konjunktur späterhin wieder 5%
Dividende auf den Nominalbetrag des Aktienkapitals auszuwerfen erlaubt, steigen
freilich die Papiere wieder im Kurs und der Erwerber der Papiere hat 100%
seines im Aktienkauf angelegten Kapitals dazu gewonnen!
Im kapitalistischen
System orientiert sich eben auch die Bewertung des Sachkapitals nicht etwa
schlicht und natürlich an den Erstellungskosten, sondern sie orientiert sich -
wie es die Logik des Rentabilitätsprinzips verlangt - automatisch am
Kapital-Ertrag, dem Zins.
Der Kapital-Ertrag
ist sozusagen in chemisch reinster Form der Kern des Kapitalismus. Besser als
die kapitalistische Produktionskosten-Aufgliederung die einzelnen Kosten und
Einkommens-Kategorien exakt und säuberlich voneinander trennt, kann keine
Spektral-Analyse die Elemente eines Stoffes voneinander trennen. Darin ist also
die kapitalistische Betriebswirtschaftslehre wesentlich genauer als die Theorie
von Marx.
Da jetzt ferner die
aufgegliederten Kosten leicht untersucht werden können, wieweit sie zu
Arbeitseinkommen und wieweit sie zu arbeitslosem Einkommen werden, überlassen
wir diese Untersuchung hier dem gesunden Menschenverstand des Lesers und nehmen
das Ergebnis, das ja kaum strittig sein dürfte, vorweg, indem wir den
Kapitalertrag als zweifelsfrei arbeitsloses Einkommen betrachten. Der
Kapitalzins ist eine ständige gegenleistungslose Abführung von Anteilen aus dem
Sozialprodukt an die Kapitalgeber. Dass die Kapitalgeber der Wirtschaft
Produktionsmittel zur Verfügung gestellt haben, wird mit der Amortisation, mit
der Erhaltung und Wiedererstattung des Kapitals ausgeglichen. Der Zins geht
darüber hinaus und kann nur aus der Schmälerung des Arbeitseinkommens gewonnen
werden. Mithin befinden wir uns hier wieder mit allen sozialkritischen Denkern
darin in Übereinstimmung, dass der Kapitalismus am Arbeitsertrag der
schaffenden Menschen zehrt.
Befreiung vom Rentabilitäts-Prinzip
Die Frage der
Überwindung des Kapitalismus stellt sich uns dar als die Frage der Herauslösung
des Rentabilitätsprinzips aus der freien Marktwirtschaft. Rentabilität ist
nämlich nicht identisch mit Wirtschaftlichkeit und bedeutet auch nicht
schlechthin "gewinnbringend"; Rentabilität kommt von "Rente"
und gemeint ist die Kapitalrente, deren Aufbringung also das Charakteristikum
der Rentabilität eines Unternehmens ausmacht. "Wirtschaftlich" und "gewinnbringend"
kann ein Unternehmen auch dann noch sein, wenn es keine Kapitalrente mehr
abwirft, sondern nur den Kapital-Verschleiß (die Amortisationen) und die sonstigen
Gestehungskosten einschließlich eines im Wettbewerb behaupteten Unternehmergewinns
für die Gesamtleistung des Unternehmers im Produktionserlös einbringt.
In den dicken
Bänden seiner revolutionären Theorie, die Karl Marx mit dem Titel "Das
Kapital" versehen hat, richtet sich aller soziale Groll gegen den
Unternehmergewinn. Die "Mehrwert"-Theorie lässt gar keinen Raum für
den Gedanken, dass die unternehmerische Leistung auch noch so etwas wie Arbeit sein
könnte und folglich einen Anspruch auf einen Teil des Erlöses geltend machen
kann. So bedauerlich es nun aber auch sein mag, dass die soziale Revolution
durch den Irrtum und durch unabgeklärte Begriffsbestimmungen eine falsche
Stoßrichtung bekam, so ist das Ganze doch aus den Zeiterscheinungen
verständlich, an denen sich Karl Marx die vermeintliche Bestätigung seiner Auffassungen
geholt hat. Kapital-Ertrag und Unternehmergewinn mögen in den Anfangszeiten der
industriellen Entwicklung des vorigen Jahrhunderts häufig so weitgehend
zusammengefallen sein, dass sie wie ein Ding zusammengeschmolzen schienen.
Und dennoch ist
bereits Marx auf die Widersprüche aufmerksam gemacht worden, die in seinen
Vorstellungen unlösbar bleiben. Abgesehen davon, dass schon Adam Smith den
freien Wettbewerb als nivellierendes Element gegenüber dem
privatwirtschaftlichen Gewinnstreben erkannt hat, dreht sich die Auseinandersetzung
zwischen Marx und Proudhon sehr wesentlich um die Bedeutung des Kapitalzinses -
freilich, ohne dass Marx über die vehemente Beschimpfung, die er dem
Andersdenkenden angedeihen ließ, hinausgekommen wäre und an der Diskussion
etwas an Klarheit gewonnen hätte.
Volkswirtschaftliches
Denken hat sich von jeher darum gedreht, inwieweit eine ökonomische Ordnung,
ein System, dem Wohle der Gesamtheit gerecht wird. Diese grundsätzliche
Ausrichtung des Denkens und Forschens ist nicht erst eine Besonderheit der
Sozialisten. In diesem Sinne ist die freie Wettbewerbswirtschaft schon bei Adam
Smith ein System, in welchem das vom privatwirtschaftlichen Erfolgsstreben
gelenkte Handeln der Individuen zum bestmöglichen Einsatz der Produktivkräfte
und zugleich zur wohlfeilsten Versorgung des Marktes führt. Obwohl also jeder
auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, stellt sich auf höherer Ebene eine
natürliche Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft ein - weil nämlich
jeder im allgemeinen Wettbewerb mit bester Leistung und wohlfeilstem Angebot
dem Markt und der Gesellschaft gegenübertreten muss. Individuelles Gewinnstreben
und freier Wettbewerb gewährleisten in ihrem Zusammenwirken die beste und
billigste Versorgung der Menschen mit wirtschaftlichen Gütern.
Diesen Thesen von
Adam Smith glaubte man später mit dem Hinweis auf die Absatzkrisen des
kapitalistischen Systems den Wahrheitsgehalt absprechen zu können. Hierbei
wurde indessen übersehen, dass Adam Smith vom unverfälschten, monopolfreien
Wettbewerb ausging. Monopole sind Ausklammerungen vom Wettbewerb. Neben den
Ur-Monopolen Boden und Geld gibt es mancherlei künstliche, durch die
Rechtsordnung geschaffene Monopole. In jedem Falle ist am Monopol stets der die
Gewinnspannen ausgleichende Angriff des freien Wettbewerbs zu Ende. Dies
bedeutet eine Grundlagenveränderung und das heißt, dass in der bisherigen
Wirtschaftsentwicklung eine echte freie Wettbewerbsordnung im Sinne von Adam
Smith überhaupt noch nicht da war. Da Adam Smith im übrigen vielfach als der
Theoretiker und geistige Vater des liberalkapitalistischen Systems gilt, wollen
wir hier auch noch beachten, dass Smith von den Nutznießern des
Produktionsfaktors Kapital erklärte, dass ihre Interessen niemals mit dem Interesse
der Gesellschaft zusammenfallen, denn der Gewinnsatz (Kapitalertrag) steige und
falle nicht etwa mit dem Gedeihen und dem Verfall der Gesellschaft, sondern er
bewege sich umgekehrt, er sei von Natur niedrig in reichen Ländern und er sei
hoch in armen Ländern! Dieser Sachverhalt ist außerordentlich beachtenswert,
denn hier liegt der Schlüssel zum wirklichen Verständnis der Dinge.
Es dürfte an dieser
Stelle kaum nötig sein, zu erklären, dass allem ökonomischen Disponieren eine
Erfolgsrechnung zugrunde liegen muss. Die Erlöse müssen, wenn das Wirtschaften
einen Erfolg haben soll, über den Aufwendungen liegen; der umgekehrte Gang ist
sachlich nicht möglich, d. h. er würde die Substanz aufzehren.
Privatwirtschaftliches
Disponieren ist also mit Notwendigkeit und Recht auf Gewinn-Erzielung
ausgerichtet. In einer Volkswirtschaft, in der diesem Gewinnstreben freie Bahn
gelassen ist, wendet sich der Gewinn-Instinkt des Unternehmers wohl auch heute
noch (und nicht nur nach den Lehren der klassischen Nationalökonomie) derjenigen
Produktion zu, die die höchsten Gewinne abwirft. Das ist indessen - nach den
Lehren der Klassiker - in der Regel bei der Produktion der Fall, die in
unzureichendem Angebot auf dem Markt erscheint. Die verstärkte Produktion
vergrößert somit das Angebot und senkt den Preis, wodurch der Eifer der
Produzenten naturgemäß wieder herabgemindert wird. Schließlich pendeln
Erzeugung und Gewinn in der freien Wettbewerbswirtschaft um die bei einem
gegebenen technischen Entwicklungsstand bestmögliche Güterversorgung und den im
Wettbewerb behaupteten Unternehmerlohn.
Es wäre ein nahe liegendes
aber auch billiges Argument, gegen diese Vorstellung von der Sache geltend zu
machen, dass in unserer heutigen Wirtschaft Preisabsprachen und
Produktions-Vereinbarungen der Nivellierung des Gewinnes entgegenwirken. Das
wird gar nicht bestritten - wenn auch die Motive für alle Kartell-Politik
weniger in dem Bestreben wurzeln, den Unternehmergewinn zu schützen, als
vielmehr den Kapital-Ertrag zu sichern. Die Nivellierung der Gewinne bis auf den
Stand, der der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Unternehmerleistung gerecht wird,
ist unter allen Umständen eine Frage des freien Wettbewerbs. Es ist sachlich
einfach notwendig, dass viele Unternehmer von verschiedenen Standorten aus um
den Gewinn miteinander konkurrieren. Jede Konzentration in einer Hand oder in
einem Zusammenschluss, gleichgültig, ob es sich um eine privatwirtschaftliche oder
um eine staats- oder kommunalwirtschaftliche Ausschaltung des Wettbewerbs handelt,
schafft eine Monopolstellung und bewirkt sofort eine der bestmöglichen Versorgung
und dem billigsten Preis gegenläufige Bewegung. Am Objekt
privatwirtschaftlicher Monopol-Unternehmungen braucht das wohl nicht besonders nachgewiesen
zu werden, weil es zu offenkundig ist; interessanter Weise trifft es aber noch
in bedeutend höherem Maße für diejenigen Monopol-Unternehmungen zu, die dem
Worte nach mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl monopolisiert sind. Es ist
eine bekannte Erfahrung, dass staatliche, städtische, kommunale Betriebe immer weniger
leisten und mehr kosten. Es ist fast ein Gesetz: je weitgehender der Wettbewerb
ausgeschaltet ist, desto krasser wird die Diskrepanz zwischen Leistung und
Preis. Kein kapitalistisches Unternehmen hätte in unserer doch noch
beträchtlich verbesserungsbedürftigen Wettbewerbswirtschaft z. B. jemals solche
Gewinnspannen fordern können, wie die staatliche Handelsorganisation (HO) in
Ost-Deutschland zu fordern für vertretbar hält! So sind wir beispielsweise im
kapitalistischen Handel gewohnt, dass der Konsument seine Eier, die er beim
Kaufmann an der Straßenecke holen kann, mit 30-35% Aufschlag auf den
Erzeugerpreis bezahlen muss. In den staatlichen HO-Geschäften der Ostzone
dagegen kostet das Ei, das der Bauer für 11 Pfennige liefern muss, 45 Pfennige;
das ist ein Aufschlag von 300%. Es gibt keinen Wettbewerb, der diese
Handelsspanne angreifen könnte. Der Wettbewerb als das tragende und gesunde
Prinzip der freien Marktwirtschaft ist ein jedem Übergewinn feindliches
Element. Er ist auch dem Kapital-Ertrag feindlich und baut ihn ab, soweit seine
Macht reicht. Dieser Abbau des Kapital-Ertrages vollzieht sich innerhalb der
Marktwirtschaft nach den gleichen Gesetzen, nach denen die Vermehrung des
Angebotes den Preis senkt. Kapital als reale Substanz von Produktionsmitteln, Maschinen,
Gebäuden, Rohstoffen und Vorräten ist nötig, um den Arbeiter mit den Mitteln
auszustatten, mit denen er die langwierige aber ertragreichere Produktion von
Waren für den Markt von morgen bewerkstelligen kann. Ohne den Einsatz von
Kapital ist die Arbeit mühseliger und der Produkte sind es in der gleichen Zeit
weniger. Folglich hält die Arbeit selbst Nachfrage nach Kapital - und bezahlt
den Preis notgedrungen durch den Verzicht auf einen Teil des Arbeitsertrages, der
damit also Kapital-Ertrag wird. Schon allein die Existenz der Arbeitslosen ist
in der modernen Wirtschaft ein Schrei nach Arbeitsplätzen, nach Kapital - und
diese Situation relativen Kapitalmangels erlaubt es, die Überlassung von
Kapital an Bedingungen zu knüpfen. Der Kapital-Ertrag, der Zins ist nichts
anderes als Preis und Bedingung für leihweise Überlassung von Kapital, das die
Wirtschaft braucht. Die Überlassung ist dabei immer nur leihweise; jedes
Kapital muss entweder auf Kündigung oder zu vorher vereinbarten Terminen oder
in laufend zu entrichtenden Tilgungsraten zurückgezahlt werden. Der Zins gilt
nur für die Leihe.
Unter solchen
Umständen ist es in Zeiten und Ländern großen Kapitalmangels gewinnbringend,
Kapital zu bilden und heranzuschaffen, was sich wieder mit der Feststellung von
Adam Smith über die armen Länder und die hohen Zinsen deckt.
Woher kommt nun
aber das Kapital? - Es kommt in jedem Fall, in der heimischen Volkswirtschaft
wie auch in anderen Ländern aus nicht verbrauchtem Produktions-Ertrag, aus
Rücklagen, Vorräten, Ersparnissen. So ist sein erster, gewissermaßen embryonaler
Zustand in unserer heutigen Wirtschaft der Zustand der "Spar-Rate".
Geld-Einkommen, das nicht für Verbrauchsgüter wieder verausgabt sondern auf die
"hohe Kante" gelegt wird, ist somit bereits ein Anfang von
Kapitalbildung.
In
wirtschaftspolitischen Artikeln und Broschüren kann man mitunter die Auffassung
vertreten finden, dass die Kapitalbildung eine besondere Aufgabe der Kapitalisten
und Unternehmer sei, womit in einem Atemzug die Rechtfertigung einer
Lohn-Vorenthaltung versucht wird. So gesehen, muss dieser Meinung aber
widersprochen werden. Kapital wird immer aus den Ersparnissen gebildet, ganz
gleichgültig, woher sie kommen. Auch innerbetriebliche Kapitalbildung, die das
Zeremoniell vom Rutsch in die Sparbüchse und auf das Sparkassenbuch überspringt,
ist per Saldo dasselbe.
Dass der Kapitalist
und der Unternehmer, da jeder von ihnen ein höheres Einkommen hat, mehr Kapital
bilden kann als der Arbeiter, dessen Einkommen vielleicht nur wenig Ersparnisse
übrig lässt, ist zwar einleuchtend; die Möglichkeiten würden sich aber sofort
verschieben, wenn die Kapitalrentner und die Unternehmer weniger und die
Arbeiter mehr Einkommen hätten.
Bei einer gegebenen
Wirtschaftslage, die den Kapitalbesitzern einen hohen Kapital-Ertrag einbringt,
führt indessen der Wunsch nach Mehr zur erneuten Anlage dieser Einkünfte
(während Lohnerhöhungen zuerst zu einer Ausweitung des Konsums führen würden!).
Dadurch wird nun das Kapital vermehrt. Nach dem Gesetz des Marktes
verschlechtern sich aber mit der Kapitalvermehrung die Bedingungen zur
Erzielung hoher Kapital-Erträge; der Zins fällt, wenn das Kapital-Angebot
steigt. Ein rückläufiger Zins bewirkt außerdem zugleich eine Umschichtung in
den Produktionskosten, respektiv in der Einkommensverteilung. Der Unternehmer,
der mit billigem Kapital arbeiten kann, hat niedrigere fixe Kosten und wird
entweder seine Unternehmerspanne verbessern (was die Konkurrenz auf den Plan
ruft) oder höhere Löhne zahlen (was auch andere Betriebe revolutioniert), oder
er wird die Preise senken, um die Konkurrenz zu überflügeln - und so wird sein
durch billigeres Kapital ermöglichter Preisabbau auch einen Druck auf das
Rentabilitäts-Niveau der konkurrierenden Unternehmungen ausüben. Dann werden
auch die dort bislang geltenden höheren Zinsbedingungen der Kapitalgeber
ermäßigt, denn dies ist die Sprache, die das Kapital versteht.
Der ungehinderte
Wettbewerb baut also, wie schon gesagt, auch den Kapital-Ertrag ab. Die freie Wettbewerbswirtschaft trägt die
Tendenz in sich, die parasitäre Wucherung "Kapitalismus" auf die
natürlichste Art, nämlich durch den Entzug der Existenzbedingungen, abzutöten.
Proudhon und Karl Marx
Die
vorausgeschickte Auffassung von der Sache ist keineswegs neueren Datums. Sie
bildete bekanntlich schon die Grundvorstellung der Konzeptionen von J. P.
Proudhon, den freilich Karl Marx - aus dem totalen Unvermögen heraus, den
Bannkreis seiner eigenen Theorien noch zu verlassen - mit verletzender Aggressivität,
mit Beleidigungen und ätzendem Hohn überschüttete. Man muss diese gegen
Proudhon gerichteten Auslassungen von Karl Marx, hauptsächlich in der Schrift "Das
Elend der Philosophie", wirklich lesen, um ein wenig von der Tragik zu
begreifen, die darin liegt, dass unzweifelhaft wesentliche Wegweiser zu einer
befriedigenden Ordnung von dem Ungestüm niedergewalzt wurden, mit dem sich der
Irrtum des Marxismus seine Bahn brach. Da wird Proudhon mehr als 200 Seiten
lang Seite für Seite abgekanzelt, er "bildet sich ein", "ist
naiv", bringt "abgeschmackte Theorien", ist ein "reaktionärer
Kleinbürger" usw. Seine Vorstellung, dass das Zins-tragende Kapital die
Hauptform des Kapitals sei, ist nach Marx "eine spießbürgerliche Phantasie".
In seiner
Abhandlung "Lohnarbeit und Kapital" setzt sich Marx folgendermaßen mit
der Sache auseinander: "Um die ganze
Dummheit, Niederträchtigkeit und Heuchelei dieser Doktrin zu enthüllen, genügt
folgendes: …Der Arbeitslohn wächst, wenn die Nachfrage nach der Arbeit wächst.
Diese Nachfrage wächst, wenn das Kapital, das die Arbeit in Bewegung setzt,
wächst, d. h. wenn das produktive Kapital zunimmt. Hierbei sind nun zwei
Hauptbemerkungen zu machen: Erstens: Eine Hauptbedingung für das Steigen des
Arbeitslohnes ist das Wachstum des produktiven Kapitals und ein möglichst
rasches Wachstum desselben. Die Hauptbedingung für den Arbeiter, in eine
passable Lage zu kommen, ist also die, seine Lage gegenüber der Bourgeoisklasse
immer mehr herabzudrücken, die Macht seines Gegners - das Kapital - möglichst
zu vermehren. Das heißt: nur unter der Bedingung kann er in einer passablen
Lage sein, dass er die ihm feindliche Macht, seinen eigenen Gegensatz, erzeugt
und stärkt. Unter diesen Bedingungen, indem er diese ihm feindselige Macht
erschafft, strömen ihm von derselben Beschäftigungsmittel zu, die von neuem ihn
zu einem Teil des produktiven Kapitals machen und zum Hebel, der dasselbe
vermehrt und in eine beschleunigte Bewegung des Anwachsens schleudert. Nebenbei
bemerkt, wenn man dieses Verhältnis von Kapital und Arbeit begriffen bat, so
erscheinen alle fourieristischen und sonstigen Vermittlungsversuche in ihrer
ganzen Lächerlichkeit."
In diesen
höhnischen Auslassungen zeigt sich vielleicht am deutlichsten, dass Karl Marx
von seiner eigenen Vorstellung vom Kapital als der "feindlichen Macht"
gar nicht herunterkam, während die Idee Proudhons doch eben besagt, dass man
die Macht des Kapitals durch Vermehrung brechen kann. Wenn man in diesem
Zusammenhang von "feindlichen Mächten" sprechen wollte, so wäre es nur
logisch, in jedem in Neubildung begriffenen Kapital die "feindliche Macht"
zu sehen, die dem schon vorhandenen Kapital zu Leibe rückt und ihm den Ertrag im
Konkurrenzkampf der Wirtschaft abnimmt. Der Dritte, der sich freuen darf, "wenn
zwei sich streiten" - wenn das neue gegen das alte Kapital in den
Konkurrenzkampf zieht - wäre doch der Arbeiter! So war die Meinung Proudhons.
An einem konkreten
Beispiel dargestellt, behauptet Proudhon: Wenn ihr Arbeiter wenig Häuser habt,
um darin zu wohnen, und euch in wenigen Fabriken um die Produktionsmittel
drängt, dann ist das Kapital stark und mächtig es wird euch einen hohen
Mietzins abnehmen und euch unter dem Druck der Reservearmee einen geringen
Anteil vom Erlös der industriellen Erzeugung als Lohn geben. Aber das braucht
nicht für immer so zu bleiben. Ihr müsst nur unverdrossen arbeiten, neue Häuser
und neue Fabriken bauen, neue Produktionsmittel herstellen. Wenn neben jedem
Wohnhaus noch eines erstellt wird und neben jede Fabrik eine zweite, dann wird
das Kapital durch seine eigene Konkurrenz geschwächt. Der Mietzins sinkt, wenn
viele Wohnungen dastehen, und der Lohn steigt (oder der Warenpreis sinkt, was
auf dasselbe herauskommt), wenn die Unternehmer zur Konkurrenz mit neuen
Produktionsstätten gezwungen werden und keine Reservearmee von Arbeitslosen
mehr da ist. Ihr dürft nicht streiken, nur der entgegengesetzte Weg führt euch
zum Ziel! - So ungefähr hätte Proudhon gesprochen.
Karl Marx aber
hätte in der Logik seiner angeführten Auslassungen sagen müssen: Arbeiter! Das
Kapital ist die feindliche Macht, die euch unterjocht und ausbeutet. Ihr werdet
vom Hausbesitzer und vom Fabrikanten ausgebeutet. Hütet euch, diese Macht noch
zu stärken! Hört doch auf, Kapital zu bilden, Häuser zu bauen! Je mehr Kapital
ihr bildet und je mehr Häuser ihr baut, desto mehr kann das Kapital an Profiten
und Mietzinsen aus euch herausholen! - - -
Es mag fraglich
sein, ob Karl Marx so etwas Törichtes gesagt hätte, wenn die Frage in dieser
Form gestellt worden wäre. Nichtsdestoweniger ist dieses Ergebnis die logische
Konsequenz seiner ganzen Theorie - bei der er außerdem noch übersehen hat, dass
die von Proudhon geforderte Kapitalbildung der Arbeiter, also die
Kapitalbildung aus der Spar-Rate vom Lohn, das Eigentumsrecht an den neuen Produktionsmitteln
den Arbeitern und nicht ihren bisherigen Herren sichert. - Doch der
entscheidende Grund für die Verirrung von Karl Marx liegt wohl darin, dass er
nicht mehr in der Lage war, zur Anerkennung des einfachen Gesetzes von Angebot
und Nachfrage zurückzufinden. Dieses Anerkenntnis hätte nämlich seine Wert- und
Mehrwert-Theorie und damit sein ganzes Werk umgestoßen.
Die Selbst-Steuerung des Kapitalismus
Wenn Proudhon recht
hat - so könnte man jetzt fragen - warum hat dann die Kapitalbildung noch nie
den Punkt der Vermehrung erreicht, bei welchem es in gegenseitiger Konkurrenz
seiner Machtstellung verlustig gegangen wäre und der Volkswirtschaft
bedingungslos (und ohne Kapital-Ertrag zu fordern) gedient hätte?
Diese Frage trifft
den Kern der Sache, führt uns aber wiederum auf einen Problemkreis zu, dem mit
der Wissenschaft des Marxismus nicht beizukommen ist, zum Problemkreis der
volkswirtschaftlichen Zirkulation.
Die arbeitsteilige
Wirtschaft, die laufend Ware für den Markt produziert, bedarf zum Austausch der
Leistungen und zum ständigen fließenden Übergang der Produktion in die
Konsumtion eines Tauschvermittlers. Dieser Tauschvermittler ist das Geld. Es
ist das Agens, in dem sich die Nachfrage verkörpert, die dem Warenangebot auf dem
Markt gegenüber tritt. So werden in der Rechnungseinheit des Geldes alle
Warenpreise, Produktionskosten, Einkünfte, Kapitalien, Schulden und Forderungen
ausgedrückt. Der ganze Wirtschaftsprozess ist auf die Geldrechnung bezogen und
ist damit auch von der Funktion des Geldes als des allgemeingültigen
Tauschvermittlers abhängig.
Es ist hier
vielleicht nicht nötig, dass wir uns näher mit geldtheoretischen Erörterungen befassen;
beschränken wir uns also darauf, nur das anzuführen, was zum Verständnis der so
genanten "kapitalistischen Konjunkturbewegungen" erforderlich ist:
Wenn die moderne
industrielle Produktion bei der privatwirtschaftlich gesteuerten Herstellung
einer Ware die Produktionskosten im einzelnen genau aufgliedert und in der
Geldrechnung festhält, so wird damit, wie schon erwähnt, zugleich festgelegt,
wie sich die Einkommensquoten auf die verschiedenen Produktionsfaktoren verteilen.
Der Endpreis eines Produktes kann nie größer sein, als die Summe der
Produktions- und Vertriebskosten einschließlich der Gewinne, aus denen er sich
zusammensetzt; und ebenso wenig wird jemals etwas übrig bleiben. Daraus folgend
ergibt sich, dass die Summe des Gesamt-Einkommens einer Volkswirtschaft
rechnerisch einem Geldbetrag entspricht, der ausreichen müsste, den Markt kahl
zu kaufen, d. h. dieses selbe Produktionsvolumen abzusetzen. Dabei hätte
lediglich jeder Einkommens-Empfänger das Geld, das er für seine Leistung
bekommen hat, für den Ankauf der Leistungen anderer benutzt. Von der
Voraussetzung dieses vollkommenen Austausches, dass die Produktion die richtige
Zusammensetzung haben muss, brauchen wir nicht zu reden, da sich die im Fluss
befindliche Produktion ständig an der Nachfrage orientiert und selbst diejenige
Ware, für die das Interesse abklingt, immer noch zu ermäßigten Preisen, d. h.
mit Gewinn-Verzicht abgesetzt werden kann. Eine andere Voraussetzung ist
freilich, dass die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geld den Erfordernissen dieses
Austauschprozesses entsprechen muss. Eine große Volkswirtschaft mit erheblicher
industrieller Produktion benötigt mehr Geld als ein kleines Land mit vorwiegend
naturalwirtschaftlich arbeitender bäuerlicher Bevölkerung.
Der ganze Prozess
des Leistungs-Austausches ist im Grunde genommen zugleich identisch mit dem Prozess
der Einkommensbildung in Geld. Jedenfalls ist jede Leistungs- und Produktions-Anstrengung
immer erst mit der erfolgten Bezahlung soweit abgeschlossen, dass der
Einkommensempfänger über sein Einkommen disponieren kann. Aus den Erlösen am
Markt bilden sich in unzähligen Rinnsalen schließlich drei Ströme von
Einkünften, die Einkünfte aus Grundrente, Kapital-Ertrag und Arbeit:
Grundrente - für
die Produkte und für die Nutzung des Bodens;
Kapitalertrag - für
die leihweise Überlassung der Produktionsmittel; und
Arbeitslohn - für
jede körperliche und geistige, praktische und organisatorische Leistung.
Was der einzelne
mit seinem Geld-Einkommen macht, bleibt seiner souveränen Entscheidung
überlassen. Gibt er sein Geld für Verbrauchsgüter aus, so nimmt diese Nachfrage
wieder ihren Lauf durch den Sektor der Verbrauchsgüterwirtschaft; ein anderer
empfängt das Geld und kann seinerseits kaufen usw. Das Geld bleibt in der
Zirkulation. Zweigt er aber von seinen Einkünften Ersparnisse ab, die er
demgemäß von diesem Weg über den Verbrauchsgütermarkt zurückhält, so muss
dadurch ein Ausfall an Nachfrage entstehen, demgegenüber logischerweise ein
Güterrest auf dem Markt zurückbleiben wird. Hier gibt es jedoch noch eine andere
Möglichkeit: die Spar-Rate wird auf dem Umweg über Banken oder Sparkassen als
Kredit - d. h. als Leihkapital - der Neubildung von Produktionsmitteln und
Sachkapital zugeführt. Jetzt wandert das von Verbrauchs-Ausgaben
zurückgehaltene Geld in den Sektor der Investitionen, der
Produktionsmittel-Industrie oder der Bauwirtschaft. Auch hier ist das Geld
wieder in der volkswirtschaftlichen Zirkulation. Die Menschen, die sich mit der
Erstellung von Wohnhäusern oder mit dem Aufbau von Produktionsanlagen befassen,
erhalten aus dem Zufluss dieser Gelder die Vergütung für ihre Leistungen und
kaufen damit die Verbrauchsgüter, auf die die Sparer verzichtet haben. Der
Kreislauf ist auch so wieder geschlossen. Die Volkswirtschaft arbeitet
ausgeglichen - nur vom individuellen Gewinnstreben und vom Wettbewerb
angetrieben.
Stellen wir uns
jetzt aber vor, dass dieser Prozess ohne Unterbrechung, monate-, jahre-,
jahrzehntelang anhält. Dann ergibt sich zu guter Letzt, dass bei dieser anhaltenden
Konjunktur laufend ein mehr oder weniger großer Anteil des Sozialproduktes über
das Sparen und Kreditgeben den Investitionen zufließt, dass dadurch das
Realkapital vermehrt wird und der Kapitalertrag unter dem Druck der Kapitalvermehrung
sinkt. Mit sinkendem Kapitalertrag werden aber die vielen Einkommensrinnsale,
die in der Zusammenfassung den Strom des arbeitslosen Einkommens „Kapitalzins“
bildeten, dünner und schwächer; und da der Gesamtertrag deswegen nicht abnimmt,
verteilt sich der entschwundene Zins auf die Unternehmer- und
Arbeiter-Einkünfte, was auch in Einzelpreissenkungen vor sich gehen kann.
Soweit wäre alles
verständlich und klar. Da aber die Kapitalvermehrung das unfehlbar wirksame
Mittel ist, den Kapitalertrag auf die genannte Art und Weise abzubauen, gibt es
natürlich auch ein sicher wirkendes Mittel, den Abbau des Kapitalertrages
aufzuhalten und das kapitalistische System als solches zu retten. Dieses Mittel
besteht analog dem Gesagten darin, die Realkapitalbildung einfach zu
unterbrechen und stillzulegen. Damit kommen wir jetzt zu den Krisen des
Kapitalismus, die (von Geldmangelkrisen abgesehen) stets Rentabilitätskrisen waren.
Das kann man übrigens jedes Mal im Handelsteil aller Gazetten lesen; das ist
gar kein Geheimnis; aber die Arbeiter verstehen es nicht. Der Vorgang
entwickelt sich in der Regel so, dass die Kapital-Bildung in einer
Volkswirtschaft, wie z. B. in den Vereinigten Staaten bis 1928/29, durch eine lang
anhaltende Konjunktur einen Höchststand erreicht hat, der nur noch eine
minimale Kapitalrente zulässt. Wenn alle reich sind, fällt der Zins! Aus dieser
Situation ergibt sich aber, dass die Anlage suchende Spar-Rate keine rentablen
Objekte mehr findet. "Rentabel" soll aber doch eine Kapitalsanlage
sein; das gehört zum ABC des Kapitalismus. Wenn indessen allerorts von einer "Überkapazität"
gesprochen wird, ist nicht mehr zu erwarten, dass irgendwo noch eine lohnende
Investition möglich sein kann. Der bekannte westdeutsche Betriebswirtschaftler,
Prof. Dr. Schmalenbach sagte einmal, man sollte die Leute auf Schadenersatz
verklagen dürfen, die mit "übermäßigen Investierungen" die Rentabilität
untergraben haben.
Nun haben jedoch
die Sparer, deren Ersparnisse mangels rentabler Objekte nicht mehr investiert
werden können, deshalb noch lange keine Neigung, das Sparen ganz einzustellen
und für die Zukunft von der Hand in den Mund zu leben. Mithin sparen sie anders
und so zeigt sich bald, dass eine mit den laufenden Spar-Rücklagen wachsende
Quote des Geldeinkommens nicht mehr auf den Markt kommt. Dieses Geld hält sich
vom Kauf von Verbrauchsgütern zurück und geht auch nicht über den Weg der
Investitionen in die Produktionsgüterwirtschaft. Es bleibt als "streikendes
Geld" der Absatz vermittelnden Zirkulation fern, wobei es für die Wirkung
natürlich gleichgültig ist, ob diese Disposition vom kleinen Sparer persönlich
getroffen wird oder von dem Kreditinstitut, dem er sein Geld auf Widerruf
anvertraut hat.
Wie wir oben
sagten, sind Sozialprodukt und Geldeinkommen sich entsprechende Größen. Wenn
also ein Teil des Geldeinkommens weder auf diesem noch auf jenem Weg zum Markt
zurückfindet und die Güter aufnimmt, die ihm entsprechen, so bleiben diese
Güter auf dem Markt unabsetzbar zurück. Es kann ja keiner mehr kaufen, als
seinem eigenen Einkommen entspricht oder als sich mit dem Geld kaufen lässt,
welches ein anderer ihm als Kredit zur Verfügung gestellt hat. Kredit gibt es
aber nicht; der Kredit ist in der Krise zusammengebrochen, denn Kredit, das
wäre ja Kapitalangebot - und das Kapitalangebot zieht sich bei ungenügender Rendite
zurück und fällt in sich zusammen.
Wir befinden uns
jetzt mitten in der kapitalistischen Absatzkrise. Die Schüler von Marx aber
meinen, die "anarchische Produktion" der freien Unternehmer haben
eine "Überproduktion" verschuldet, während in Wirklichkeit nur das Schrumpfen
der Nachfrage den Abfluss vom Markt verlangsamt. Jetzt erzwingt die
Absatzstockung einen allgemeinen Preisdruck - und dies ist etwas wesentlich anderes
als ein Preisabbau, der mit der Produktionskostensenkung eines erleichterten Zinsendienstes
ermöglicht wird. Dieser allgemeine Preisdruck wird zur Produktionshemmung. Mit
weiteren Arbeitseinschränkungen ergeben sich weitere Einkommens-Ausfälle und
eine noch stärkere Drosselung des Marktes. Auch die Verbrauchsgüter-Industrie
arbeitet nun mit Verlust, denn die Verminderung der Beschäftigten-Zahl im
Produktionsgüter-Sektor hat das Einkommens-Niveau gesenkt. Das System würgt in
seiner Rentabilitätskrise den Wohlstand ab, der das Zins-Niveau des Kapitals
gesenkt hatte. Jede derartige Krise beginnt übrigens mit der Einschränkung der
Investitionsgüter-Produktion.
Der Ausfall an
Nachfrage wächst sodann bis zum Vielfachen der gehorteten oder stilliegenden
Spar-Rate an, denn die Währungsgesetze erlauben (normalerweise) nicht, das "streikende"
Geld durch Geldvermehrung zu ersetzen – das führt nämlich zur Inflation – und
keine Verordnung und kein Polizeigesetz bringt es fertig, den "Streik des
Geldes" zu brechen. Jede Münze und jeder Geldschein, der im Strumpf oder
im Tresor gehortet liegt, bedeutet nicht etwa nur einen einmaligen Ausfall an
Nachfrage für den Markt, sondern diese Hortung bedeutet in jedem Einzelfall
eine lange Kette von Ausfällen, weil schon mit dem ersten Ausfall zugleich alle
folgenden Kaufvorgänge abgeschnitten sind, die sich normalerweise ergeben, wenn
das Geld in der volkswirtschaftlichen Zirkulation bleibt.
Es ist auch kein
Widerspruch zu dieser Erklärung, sondern im Gegenteil eine Bestätigung, dass
die Banken in solchen Krisen geradezu in kurzfristigem Geld schwimmen. Hier
strömt "faules" Geld zusammen, das aus dem Verkauf der vorausgegangenen
Produktion noch eingenommen wurde, andererseits aber nicht wieder in neue
Produktion hineingehen will, sondern lieber abwartend auf den Konten bleibt.
Fassen wir nun alle
diese Beobachtungen zusammen und suchen wir den inneren Sinn der Vorgänge zu
enträtseln, so haben wir nichts anderes vor uns als eine mit und über die Krise
hinweg bewirkte selbsttätige Rettung des Rentabilitässprinzips. Der
Kapitalismus als System verhindert zu gegebenem Zeitpunkt die ihm abträgliche,
weil Zins-drückende, weitere Kapitalbildung und zwingt die gesamte Volkswirtschaft
in eine so genannte "Reinigungskrise" hinein. Jetzt wird Kapital
ausgemerzt, abgeschrieben bevor es abgenutzt ist, ja, sogar verschrottet; Vorräte
werden aufgezehrt, Ersatzbeschaffung wird unterlassen und nicht selten wird
realer Reichtum an nützlichen Produkten vernichtet. Alles das dient nur der
Wiederherstellung eines Marktverhältnisses zwischen Kapitalangebot und
Kapitalnachfrage - respektiv auch zwischen Güter-Angebot und -Nachfrage - bei
welchem wieder eine dem Rentabilitätsdenken ausreichend erscheinende Verzinsung
des Kapitals herauskommt.
(Anmerkung: Die
wirkungsvollste "Reinigungskrise" ist der Krieg )
Die Überwindung des Rentabilitäts-Prinzips
Proudhon, der
Antipode von Karl Marx, forderte einst: "Verschafft der Volkswirtschaft einen
geschlossenen Kreislauf, einen regelmäßigen Güteraustausch, und die menschliche
Gemeinschaft ist gesichert, die Arbeit vernunftgemäß geordnet!"
Private Initiative,
Eigentum, individuelles Gewinnstreben, freier Wettbewerb stehen einer
harmonischen und gerechten Wirtschaftsordnung nicht im Wege. Der
wirtschaftliche Konkurrenzkampf, der von der Basis individueller
Leistungsfähigkeit ausgeführt wird, sich also nirgends auf Monopole stützt,
kann auch logischerweise niemals jenes Übergewicht an Einkommen und Reichtum zustande
kommen lassen, das der Kapitalismus mit seinen Verfälschungen der Wettbewerbsgrundlagen
ermöglicht.
Es ist hier nicht
der Raum, noch auszuführen, dass unsere heutige Wirtschaft neben den
Ur-Monopolen Geld und Boden auch an gewissen Monopolen in der Rechtsordnung
(Konzessionen, Lizenzen, Patente) krankt. Auch hier müssten noch Reformen
ansetzen, was freilich nicht besagt, dass geistige Leistungen und geistiges
Eigentum schlechthin vogelfrei werden müssten. Wir haben uns hier nur mit der -
allerdings auch wichtigsten - Frage zu befassen, wie die Monopolstellung des
Kapitals gebrochen werden kann.
Monopol ist
wirtschaftliche Macht; eine Macht, die es erlaubt, dem Kontrahenten die
Bedingungen zu diktieren, in der Gewissheit, dass kein Wettbewerber kommen
kann, der den Bedarf zu günstigeren Bedingungen deckt. In diesem Sinne ist das
Geldkapital eine Macht, weitaus stärker als das Realkapital. Sobald Realkapital
einmal gebildet ist, seien es Häuser oder Fabriken oder Maschinen, muss es mit
dem schon vorhandenen Realkapital in Wettbewerb treten; da gibt es kein Zurück
mehr! Schon allein die Erhaltung der Substanz erfordert jetzt Wartung, Pflege,
Aufwendungen, Versicherungen usw. und damit Tätigkeit, Angebot, Ertrag; das
Realkapital ist in gewissem Umfang einem natürlichen Druck zum Angebot
ausgesetzt.
Anders beim
Geldkapital. Hier dürfen wir uns wieder an Proudhon erinnern, der die
einzigartige Machtposition erkannte, die das Geld in der arbeitsteiligen Wirtschaft
inne hat und von dieser Sicht her in der Zurückhaltbarkeit des Geldes die
Überlegenheit sah, mit der das Leihkapital den Zins fordert. Nach Proudhon kann
sich der Markt nicht im Gleichgewicht befinden, wenn einerseits Waren, die unter
einem natürlichen Angebotszwang stehen - da sie ja nicht für die eigene
Bedarfsbefriedigung sondern für die Veräußerung auf dem Markt produziert werden
- einem Tauschmittel gegenüber treten, das keinesfalls dergleichen
Dringlichkeit um Austausch unterliegt.
Soweit sich die
Produktion allseits auf der knappen Höhe der unmittelbaren Bedarfsdeckung
bewegen würde, könnte man natürlich sagen, dass jedermann gezwungen sein wird,
den Erlös für die eigenen Produkte zum Kauf derjenigen Erzeugnisse zu
verwenden, die er selber braucht. Damit wäre die Überlegenheit des Geldes wohl
hinfällig. Die arbeitsteilige Produktion hat es jedoch mit sich gebracht, dass
die Erzeugung auf allen Gebieten mehr oder weniger über das Existenzminimum der
Menschen hinauswuchs. Folglich kann jeder, der soviel produziert hat, dass er
mit einem Bruchteil des Erlöses für seine eigene Produktion das einkaufen kann,
was er dringend benötigt, bestimmte Teile seines Erlöses sparen. In der
Naturalwirtschaft würde er in Vorräten sparen; in der Geldwirtschaft dagegen
spart er, weil das vorteilhafter ist, in Geld. Auf Grund dieser durchaus
natürlichen Neigung entwickelt sich ein Zustand, in welchem ein Teil der
Produzenten mit einem Erlös vom Markte nach Hause geht, während andere die Ware
wieder mitnehmen müssen, die sie verkaufen wollten. Der Geldbesitzer weiß ja, dass
er die benötigten Waren auch später, nach Tagen, Wochen oder Monaten noch
kaufen kann. Aber solange hält es der Mann, der für den sofortigen Absatz
produziert hat und mit dem Erlös seine eigenen Bedürfnisse decken möchte, nicht
aus.
In der historischen
Entwicklung hat sich der Mensch damit geholfen, dass er den Geld-Sparern für
die leihweise Überlassung der Ersparnisse einen Zins zahlte. Schließlich
finanzierte er mit diesem Leihkapital die Herstellung von Gütern längerer
Lebensdauer, wodurch die Menschen, die mit dieser Arbeit beschäftigt waren,
Geld erhielten und in die Lage kamen, jene Produkte vom Markt wegzukaufen, die
güterseitig der Sparquote entsprachen; die Zurückhaltung des Geldes hatte den
Markt abgeriegelt, der Zins riegelte ihn wieder auf - aber eben nur auf
Widerruf.
Bei diesem Punkt
der Überlegungen setzte indessen bei Proudhon eine Folgerung ein, die noch
nicht zur Lösung führen konnte. Geld und Ware sind nach seiner Auffassung nicht
gleichwertig; das Geld ist der Ware überlegen. Folglich meint Proudhon, müssten
sich Veränderungen von außerordentlicher Tragweite für die gesamte
Volkswirtschaft ergeben, wenn er die Ware auf die Rangstufe des Geldes
emporheben würde. Auf diesem theoretischen Fundament errichtete er das Projekt seiner
Volksbank. Der Sinn dieses Unternehmens war aber keinesfalls - wie mitunter
angenommen wird - eine Waren-Tauschbank zu errichten, wie sie etwa von Fulcrand
Mazel in Marseille (1829/45) betrieben wurde und unrühmlich endete, sondern
Proudhon erstrebte ein Institut, das einfach nur den durch Waren gedeckten
Handelswechsel ohne Zinsbelastung in Umlaufmittel umwandeln wollte. Die
Proudhonsche Volksbank wurde auch in der Tat als Aktien-Gesellschaft gegründet;
da aber Proudhon aus politischen Anlässen verfolgt wurde, löste er das
Unternehmen wieder auf und zahlte den Interessierten - rund 12000 Handwerkern
und Kaufleuten - ihre Einlagen wieder zurück. Das Problem, um das es ging,
blieb ungelöst.
Silvio Gesell
In den neunziger
Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich der deutsch-argentinische Großkaufmann
Silvio Gesell mit diesen Fragen befasst, unmittelbar angestoßen durch die
damals in Argentinien herrschende Währungsverwirrung. Gesell kam - von den
gleichen Grund-Einsichten ausgehend - auf eine ganz andere Konzeption. Anstatt
die Ware auf die Rangstufe des Geldes zu erheben, forderte er, das Geld auf die
Rangstufe der Ware herabzusetzen. Die praktische Realisierung dieser Idee würde
erfordern, das Geld einem dauernd wirksamen Angebotszwang zu unterwerfen, der
etwa dem natürlichen Angebotszwang entspricht, dem die von der Vergänglichkeit,
von Witterung, Rost und Motten und mancherlei Wartungskosten bedrohte Ware ausgesetzt
ist. Dies ist die theoretische Grundlage für die berühmte - in der Denkungsart
der Kapitalrentner allerdings mehr "berüchtigte" - "Freigeld-Reform".
Gesell schlägt in seinem Geldsystem Banknoten vor, die in periodischer
Regelmäßigkeit an Nennwert verlieren, so dass eine "Vorratshaltung in
barem Gelde" genau so wie das Vorrätighalten von Verbrauchsgütern einige
Kosten machen wird.
Als Gesamtbelastung
des Geldes glaubt Gesell mit einer Quote von jährlich etwa 5% auskommen zu
können. Da sich diese geringfügige Belastung nur auf die umlaufende Geldmenge
bezieht, nicht aber auf die zu Buch stehenden Spar-Guthaben, wäre der
außerordentlich heftige Widerstand, den dieser Gedanke heraufbeschworen hat,
kaum verständlich - wenn es nicht eben an diesem Punkt um den Monopolcharakter
des Geldes überhaupt ginge. Es ist die zwingende Logik der Gesell'schen
Konzeption, dass die Entmonopolisierung des Geldes genau an dem Punkt wirksam
wird, an dem es für das Rentabilitäts-Prinzip um Sein oder Nichtsein geht! Die
Zirkulation des Geldes im Verbrauchsgüter-Sektor ist an sich auch ohne diesen
Umlauf-Impuls, den Gesell dem Geld geben will, gesichert. Aber in dem
Augenblick, in dem sich irgendwo eine Spar-Rate sammelt, tritt der Impuls in
Aktion. Der Sparer - und mit ihm alle anderen, groß und klein - hat mit diesem
Geld in der Hand keine andere Wahl, als die zwischen Verbrauchs-Ausgaben
einerseits und Investitionen andererseits. Entscheidet er sich für das Sparen
(und Nichtverbrauchen), dann muss er seine Ersparnisse den Investitionen, der Zins-drückenden
Kapitalbildung zuführen, andernfalls würde er an Substanz verlieren. Eine
Zurückhaltung hiervon, etwa aus der Erfahrung heraus, dass man mit der
Zurückhaltung des Geldes doch stets günstigere Anlagebedingungen erzwingen konnte,
gibt es nicht mehr, weil der Drang zur Anlage überall derselbe ist. Nach der
Auflösung der Monopolstellung des Geldes gibt es keine kapitalistische Interessen-Solidarität
mehr! Jetzt gilt nur noch der Wettbewerb, die bestmöglichen Anlagen ausfindig
zu machen, wodurch die Erträgnisse des Kapitals nach und nach eingeebnet
werden.
Mit der Durchführung
der genannten Maßnahmen wird die danach einsetzende Entwicklung dadurch
gekennzeichnet sein, dass
1) der
volkswirtschaftliche Blutkreislauf sowohl im Geäder der
Verbrauchsgüter-Produktion wie auch in dem der Kapitalgüter-Herstellung nicht
mehr unterbrochen werden kann;
2) wird die bis zur
Sättigung der Nachfrage anhaltende Kapitalbildung das Zins-Niveau senken und
damit das Produktionskosten-Element "Kapital-Ertrag" abbauen;
3) wird mit dem
Abbau des arbeitslosen Einkommens aus Kapitalzins entweder eine Verbilligung der
Produktion oder eine Steigerung des Arbeitseinkommens Platz greifen.
Die Menschheit wird
dem ökonomischen Ziel des am Bestand unserer Zivilisation rüttelnden Verlangens
nach sozialer Gerechtigkeit näher kommen und das Ziel hinter allen Schleiern
und Nebeln des Irrtums klar und erreichbar erkennen.
Die Gesell'sche
Theorie ist ein geschlossenes Ganzes. Sie stellt die Vollendung des
Wirtschaftsideals dar, das Adam Smith in seinem großartigen Bild der freien Wettbewerbsordnung
als ein in sich harmonisches System gezeichnet hat. Gesell nennt sein System
schlicht und einfach "Die Natürliche Wirtschaftsordnung" und hat auch
sein Hauptwerk so benannt.
In seinem Werk "Allgemeine
Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" kommt John Maynard Keynes
zu der Überzeugung: "Ich glaube, dass
die Zukunft mehr vom Geiste Gesell's als von jenem von Marx lernen wird."
Dies wäre in der Tat die Überwindung des Kapitalismus durch den befreiten
Wettbewerb.
Karl Walker, 1945
Wer die Natürliche
Wirtschaftsordnung bis heute nicht versteht, verfügt über keinerlei Wissen und
hat darum auch kein "Gewissen" in Bezug auf die einzig denkbare
Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens. Er ist noch kein wirklich zivilisierter
Mensch. Mit der Aneignung des Wissens und damit auch der Ausbildung eines
persönlichen Gewissens hat sich jeder einzelne Kulturmensch diesem gegenüber zu
verantworten: Jüngstes Gericht