Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
die im Folgenden allgemeinverständlich beschriebenen, elementaren volkswirtschaftlichen Zusammenhänge werden von der etablierten Volkswirtschaftslehre „übersehen“. Bitte verschaffen Sie sich selbst ein umfassendes Bild, bevor Sie studierte „Wirtschaftsexperten“ auf die Thematik ansprechen. Als Physikerin sind Sie eher in der Lage, die Ursache der „Finanzkrise“ (korrekt: beginnende globale Liquiditätsfalle nach J. M. Keynes) zu verstehen, als vorgebliche „Experten“, die außer vorgefassten Meinungen und Denkfehlern nichts gelernt haben.
Wir betrachten ein einfaches Kreislaufmodell, bei dem der Staat als volkswirtschaftlicher Akteur nicht berücksichtigt wird, sondern nur die Akteure Haushalte und Unternehmen. Gedanklich kann der Staat bei dieser Idealisierung als Unternehmen aufgefasst werden.
Zunächst ohne die Finanzmärkte betrachtet, produzieren die Unternehmen Güter und Dienstleistungen und zahlen Löhne und Gehälter an ihre Arbeiter und Angestellten. Diese bilden die Einkommen der Haushalte, die diese für den Konsum aufwenden. Die Konsumausgaben der Haushalte bilden die Verkaufserlöse der Unternehmen. Unter der Voraussetzung, dass in keinem Knoten des Kreislaufmodells Geld „gespeichert”, also gehortet wird, entsprechen die Geldflüsse, die in einen Knoten hineinfließen, den Geldflüssen, die aus diesem Knoten herausfließen. Wir erhalten die Aussage, dass die Einkommen W (Wages) mit den Konsumausgaben C (Consumption) übereinstimmen. Diese wiederum sind identisch mit den Verkaufserlösen P (Prices). Wir erhalten also die Bilanzgleichungen W = C = P.
Mit den Finanzmärkten betrachtet, legen die Haushalte den Teil ihres Einkommens, den sie nicht für den Konsum aufwenden, an den Finanzmärkten an und erhalten Zinsen auf ihre angesparten Vermögen. Die Zuflüsse zum Knoten Haushalte sind also die Einkommen W und die Zinserträge Rh (Rates households), die Abflüsse sind die Konsumausgaben C und die Ersparnisse S (Savings). Wir erhalten somit
S + C = W + Rh.
Haushalte können auch Kredite aufnehmen. In diesem Fall werden die Ersparnisse S negativ. Die Unternehmen können an den Finanzmärkten Investitionskredite aufnehmen und müssen auf die Schulden Kreditzinsen bezahlen. Die Zuflüsse zum Knoten Unternehmen sind die Verkaufserlöse P und die Investitionskredite I (Investments), die Abflüsse sind die Zinszahlungen Rf (Rates firms) und die Lohnzahlungen W. Wir erhalten also
I + P = W + Rf.
Unternehmen können auch sparen, in diesem Fall sind die Investitionen I negativ. Dem Kreislaufmodell entnehmen wir, dass in den Knoten Gütermärkte die Konsumausgaben C hinein- und die Verkaufserlöse P herausfließen. Es gilt also stets
C = P,
die Konsumausgaben der Haushalte entsprechen also genau den Verkaufserlösen der Unternehmen. Jedes Sparen in der Ökonomie, das heißt, jede aggregierte Zunahme der Kontenbestände, wird in unserem Geldsystem über Kredite realisiert. Damit ist jedes aggregierte Sparen S mit einer Verschuldung I in gleicher Höhe verbunden, und wir erhalten die volkswirtschaftliche Regel
also Sparen = Investitionen. Daraus folgt aber, dass die Sparzinsen bedient werden, d.h., dass die Zinszahlungen der Unternehmen die Sparzinsen der Haushalte finanzieren. In diesem Fall gilt
Rh = Rf =: R,
und wir kürzen die Spar- bzw. Kreditzinsen mit dem einheitlichen Symbol R ab. Die Unternehmen haben selbstverständlich höhere Finanzierungskosten als den Anteil, der an die Sparkunden weitergereicht wird. Rh = Rf ist so zu lesen, dass die Kreditnehmer die Guthabenzinsen bezahlen. Der Teil der Kreditkosten, der über den Betrag hinausgeht, der an die Sparer weitergereicht wird, wird zu einer Einnahme der Bank und damit letztlich zu gezahlten Löhnen und Gehältern. Die Gleichung Rh = Rf impliziert insbesondere also nicht, dass Kreditzins und Guthabenzins gleich sind:
Wir erhalten so die Zusammenhänge S + C = I + P = W + R =: Y, und kürzen die Summen S + C, I + P oder gleichwertig W + R mit dem Symbol Y (Yield) ab und nennen diese Größe Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP ist also die Summe aller Haushaltsausgaben S + C oder gleichwertig die Summe aller Unternehmenseinnahmen I + P oder schließlich die Summe aller Haushaltseinnahmen oder Unternehmensausgaben W + R. Wenn in unserer Wirtschaft von Wachstum die Rede ist, dann ist stets das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gemeint. Wir betrachten noch einmal die Gleichung
Y = W + R.
Zurzeit wächst das Bruttoinlandsprodukt Y kaum noch, aber die Vermögen der Haushalte wachsen auf Grund der durch den Zinseszinseffekt wachsenden Zinserträge R stark an. Daraus schließen wir aber unmittelbar, dass die Einkommen W sinken müssen. Wir haben somit eine fundamentale Begründung für sinkende Löhne bzw. für Arbeitslosigkeit gefunden. Und wir verstehen auch, warum die Wirtschaft wachsen muss – nicht etwa, damit es allen Haushalten „besser geht“, sondern damit die Lohnzahlungen gegenüber den Zinszahlungen ausreichend hoch gehalten werden können, damit also die Zinszahlungen nicht zuviel vom Bruttoinlandsprodukt „wegfressen“ und die unteren Haushaltsgruppen ihren Konsum noch finanzieren können.
Heterogene Haushalte
Es gibt in einer Ökonomie große Unterschiede hinsichtlich des Einkommens, des Konsums und des Vermögens der Haushalte. Um dies zu berücksichtigen, teilen wir die Haushalte in mehrere gleich starke, in sich homogene Gruppen ein. Jedem Haushalt jeder Gruppe werden einheitliche Werte für Einkommen, Konsum und Vermögen zugewiesen. Zur Erläuterung und Demonstration der Effekte, die unser Finanzsystem hervorbringt, betrachten wir hier nur drei Haushaltsgruppen, denen folgende Anfangsdaten zugeordnet werden:
Gruppe Einkommen Konsum Vermögen
1 10 10 0
2 50 30 100
3 100 50 500
Wesentliche realistische Merkmale der drei Gruppen sind, dass die erste Gruppe wenig Vermögen und ein vergleichsweise geringes Einkommen besitzt, das annähernd zu 100% konsumiert wird. Die dritte Gruppe dagegen verfügt über ein hohes Einkommen und erhebliche Vermögen. Der Konsum ist bei dieser Gruppe absolut am höchsten, aber er beträgt deutlich weniger als das Einkommen dieser Gruppe.
Die Sparzinsen werden von den Kreditzinsen der Kreditnehmer gezahlt. In unserem Beispiel sparen, aggregiert betrachtet, die Haushalte, also müssen sich zwangsläufig die Unternehmen, aggregiert betrachtet, verschulden. Die Unternehmen legen aber ihre Kosten auf die Preise um, auch die Finanzierungskosten. Damit bezahlen alle Haushalte implizit über den Konsum die Kreditzinsen der Unternehmen.
Betrachten wir dazu die Tabelle der Anfangsdaten: Das aggregierte Anfangsvermögen der Ökonomie beträgt V−1 = 0 + 100 + 500 = 600. Angenommen, der Zinssatz liegt bei 3%. Dann betragen die gesamten Zinserträge in der Ökonomie im ersten Jahr 600 · 3% = 18. Diese werden nun proportional zum Anteil des Konsums jeder Gruppe am Gesamtkonsum auf die Gruppen aufgeteilt. Wir erhalten damit für die Zinsanteile im Konsum für jede Gruppe:
Gruppe Zinsanteile im Konsum
1 18 · 11.11% = 2
2 18 · 33.33% = 6
3 18 · 55.55% = 10
Die Zinserträge auf Ersparnisse für jede Gruppe lauten dagegen:
Gruppe Zinserträge auf Ersparnisse
1 0 · 3% = 0
2 100 · 3% = 3
3 500 · 3% = 15
Die Zinsanteile im Konsum müssen gezahlt werden, während die Zinserträge eingenommen werden. Damit gilt für die Zinsbilanz:
Gruppe Zinseinnahmen - Zinsausgaben
1 0 − 2 = −2
2 3 − 6 = −3
3 15 − 10 = 5
Wir sehen also, dass die vermögendste Gruppe eine positive Bilanz hat. Hier überwiegen trotz des hohen Konsums die Zinserträge, während die beiden anderen Gruppen netto Zinszahler sind. Diese Situation ist charakteristisch für unser Geldsystem. Mit realistischen Zahlen gerechnet erhalten wir das Ergebnis, dass über 80% der Haushalte netto Zinszahler sind, während die vermögendsten 15%-20% der Haushalte netto Zinszahlungen empfangen:
Ergebnisse
1. Die aggregierten Sparguthaben einer Ökonomie entsprechen genau den aggregierten Schulden. Die Verzinsung von Sparkapital und der dadurch bedingte Anstieg der Sparguthaben erzwingt eine symmetrisch zunehmende Verschuldung und entsprechende Zinszahlungen der Unternehmen.
2. Wächst das Bruttoinlandsprodukt weniger stark als die Zinsanteile, so verringern sich die Einkommen in der Ökonomie. In diesem Fall fließt ein größerer Teil des Bruttosozialprodukts über Zinszahlungen an die Geldkapitaleigner, während sich der Lohnanteil entsprechend verringert. Damit erzwingen Bestrebungen, den Zinsanteil im Bruttoinlandsprodukt zu begrenzen, ein ständiges Wirtschaftswachstum.
3. Die Haushalte mit geringem Lohneinkommen können sich den Konsum bei wachsendem Zinsanteil im Bruttoinlandsprodukt zunehmend weniger leisten und verschulden sich schließlich. Dies kann als Verarmung oder als Beschäftigungslosigkeit charakterisiert werden. Die Verarmung eines zunehmend größeren Prozentsatzes der Haushaltsgruppen destabilisiert schließlich die Ökonomie.
4. Gruppen mit vergleichsweise geringem Vermögen verfügen über geringfügige oder keine Zinseinnahmen, zahlen aber über ihren Konsum soviel Zinsen, dass sie Netto-Zinszahler sind. Bei Gruppen vergleichsweise vermögender Haushalte überwiegen dagegen die Zinseinnahmen über die Zinszahlungen. Diese Gruppe besteht aus Netto-Zinsempfängern. Damit fließt in der Ökonomie ein stetiger Zinsstrom von den Netto-Zinszahlern zu den Netto-Zinsempfängern. Es ist ein auf den ersten Blick nicht sichtbarer Umverteilungsmechanismus, dessen negative Auswirkungen bei hohen Wachstumsraten der Wirtschaft kaum erkennbar sind. Zerstörerisch wird dieser Mechanismus aber dann, wenn das Wachstum nachlässt.
5. Die zeitliche Entwicklung von Einkommen, Vermögen und Konsum bleibt für jede Haushaltsgruppe stabil, wenn der Zinssatz der Ökonomie auf Null gesetzt wird. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt oder stagniert. Die Verzinsung von Kapital hat nur dann langfristig keine destabilisierende ökonomische Wirkung, wenn die Wirtschaft stetig und zeitlich unbeschränkt, d. h. exponentiell, wächst. Aufgrund der Endlichkeit der Ressourcen der Erde ist ständiges Wachstum jedoch weder wünschenswert noch möglich. Wenn eine Wirtschaftsordnung langfristig stabil bleiben soll, dann muss sie sich vom Konzept der Vermögensverzinsung verabschieden.
Während Zinserträge auf angesparte Vermögen in einer Volkswirtschaft eine Umverteilung der Geldvermögen hin zu der Gruppe der sehr Vermögenden verursachen, besteht zwischen unterschiedlichen Nationen zunächst kein derartiger Umverteilungsmechanismus. Dieser kann jedoch durch das Gewähren von hohen Kreditsummen mit der anschließenden Verpflichtung zur verzinsten Rückzahlung geschaffen werden. Damit kann das Prinzip der Kapitalverzinsung als globaler Mechanismus zur Umverteilung interpretiert werden.
(ungekürzte Originalfassung des Artikels: www.deweles.de/files/mathematik.pdf)
Es ist irrelevant, was „der Staat“ in einer fehlerhaften (kapitalistischen) Marktwirtschaft (Zinsgeld-Ökonomie) unternimmt. Gegen die „Windmühle“ der Zinsumverteilung ist er machtlos! Er kann weder die kapitalismusbedingte Massenarbeitslosigkeit „bekämpfen“, noch eine „Energiewende“ herbeiführen, solange alle Geldersparnisse nicht auch ohne Zins (genauer: Liquiditätsverzichtsprämie bzw. Urzins) in neue Sachkapitalien (z. B. Solaranlagen und Recyclingsysteme) investiert werden können.
Wie viel kollektiver Wahnsinn ist nötig, damit eine Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstehen konnte? Das Ausmaß des Wahnsinns muss umso größer sein, als dass unsere seit jeher fehlerhafte Geldordnung nicht nur zu Massenarmut, Überbevölkerung und Umweltzerstörung führt, sondern systemnotwendigerweise auch zu Krieg: www.deweles.de/files/krieg.pdf
In früheren Zeiten wusste noch niemand, wie das Geld gestaltet werden muss, damit der Urzins und damit Massenarmut und Krieg überwunden werden können. Also musste die halbwegs zivilisierte Menschheit „wahnsinnig genug“ für die Benutzung von Zinsgeld (Edelmetallgeld ist immer Zinsgeld) gemacht werden, damit das, was wir heute „moderne Zivilisation“ nennen, überhaupt entstehen konnte! Das – und nichts anderes – war (und ist noch) der eigentliche Zweck der Religion:
Mit freundlichem Gruß
Stefan Wehmeier, 24. Nov. 2011