"Der Zweck des Buches als Ganzes kann als die Aufstellung eines antimarxistischen Sozialismus beschrieben werden, eine Reaktion gegen das "laissez-faire", auf theoretischen Grundlagen aufgebaut, die von jenen von Marx grundverschieden sind, indem sie sich auf eine Verwerfung, statt auf eine Annahme der klassischen Hypothesen stützen, und auf eine Entfesselung des Wettbewerbes, statt auf seine Abschaffung. Ich glaube, dass die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird. Das Vorwort zu "Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld" wird dem Leser, wenn er es nachschlägt, die moralische Höhe Gesells zeigen. Die Antwort auf den Marxismus ist nach meiner Ansicht auf den Linien dieses Vorwortes zu finden."
John Maynard Keynes, 1935
Ungezählte Philosophen, Soziologen, Psychologen, Theologen, Politiker, etc. haben sich immer wieder die kompliziertesten Gedanken gemacht, was als "moralische Höhe" anzusehen ist, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn solange der Mensch für seinen Lebensunterhalt arbeiten muss, ist das allein eine Frage der Makroökonomie. Bevor wir jedoch die Frage nach der Moral ökonomisch klären, ist es lehrreich, die gedanklichen Irrwege kennenzulernen, auf die man gerät, wenn das makroökonomische Grundwissen fehlt. Betrachten wir dazu die so genannte "Stufentheorie der Moralentwicklung" des Psychologen Lawrence Kohlberg (1927-1987):
1. Stufe – Die Orientierung an Strafe und Gehorsam:
In der ersten Stufe orientieren sich diese (Kinder) nicht an moralischen Ansprüchen, sondern im Wesentlichen an wahrgenommenen Machtpotenzialen. Die von Autoritäten gesetzten Regeln werden befolgt, um Strafe zu vermeiden.
2. Stufe – Die instrumentell-relativistische Orientierung:
In der zweiten Stufe erkennen Kinder die Gegenseitigkeit menschlichen Verhaltens. Rechthandeln besteht darin, die eigenen Bedürfnisse und gelegentlich die von anderen als Mittel (instrumentell) zu befriedigen. Menschliche Beziehungen werden vergleichbar mit der Austauschbeziehung des Marktes verstanden. Sie orientieren ihr Verhalten an dieser Gegenseitigkeit, reagieren also kooperativ auf kooperatives Verhalten, und üben Rache für ihnen zugefügtes Leid ("ich gebe, damit du gibst"; "Wie du mir so ich dir").
3. Stufe – Die interpersonale Konkordanz- oder "good boy/nice girl"-Orientierung:
Moralische Erwartungen Anderer werden erkannt. Den Erwartungen der Bezugspersonen und Autoritäten möchte der Proband entsprechen (good boy/nice girl), nicht nur aus Angst vor Strafe. Wird er den Erwartungen nicht gerecht, empfindet er auch Schuldgefühle. Korrespondierend dazu richtet er ebenfalls moralische Erwartungen an das Verhalten anderer. Es wird darüber hinaus häufig aufgrund der zugehörigen Intention argumentiert ("Er hat es doch gut gemeint").
4. Stufe – Die Orientierung an Gesetz und Ordnung:
Über die dritte Stufe hinaus erkennt der Proband die Bedeutung moralischer Normen für das Funktionieren der Gesellschaft. Auch die nicht von Bezugspersonen an das Kind gerichteten Erwartungen werden erkannt (allgemeine moralische Regeln der Gesellschaft) und befolgt, da sie für das Aufrechterhalten der sozialen Ordnung erforderlich sind (law and order).
4 1/2. Stufe: Bei der Auswertung einer Längsschnittstudie wurde festgestellt, dass High-School-Absolventen wieder moralische Urteile entsprechend der Stufe 2 fällten. Daraufhin wurde die Zwischenstufe nachträglich in die Theorie integriert.
In der Übergangszeit zum Erwachsenwerden befinden sich Jugendliche typischerweise in einer Übergangsphase. Um sich vom konventionellen Niveau des Moralbewusstseins zu lösen, ist es wichtig, moralische Normen zu hinterfragen und nicht blind Autoritäten zu folgen. In der Übergangsphase gelingt es dem Menschen noch nicht, die Begründung von Normen auf ein neues, intersubjektives Fundament zu stellen, er ist moralisch orientierungslos. Menschen dieser Stufe verhalten sich nach ihren persönlichen Ansichten und Emotionen. Ihre Moral ist eher willkürlich, Begriffe wie "moralisch richtig" oder "Pflicht" halten sie für relativ. Im günstigen Fall gelingt ihnen die Entwicklung zur 5. Stufe des Moralbewusstseins, es kann aber auch sein, dass sie in der Übergangsstufe verbleiben oder zur 4. Stufe zurückfallen. Die Zwischenstufe wird als postkonventionell angesehen, obwohl moralische Urteile auf dieser Stufe noch nicht prinzipiengesteuert sind.
5. Stufe – Die legalistische Orientierung am Sozialvertrag:
Moralische Normen werden jetzt hinterfragt und nur noch als verbindlich angesehen, wenn sie gut begründet sind. In der fünften Stufe orientiert sich der Mensch an der Idee eines Gesellschaftsvertrags. Aus Gedanken der Gerechtigkeit oder der Nützlichkeit für alle werden bestimmte Normen akzeptiert. Nur etwa ein Viertel aller Menschen erreicht diese Stufe.
6. Stufe – Die Orientierung am universalen ethischen Prinzip:
Die sechste Stufe wird schließlich nur noch von weniger als 5% der Menschen erreicht. Hierbei wird die noch diffuse Begründung von Normen der fünften Stufe verlassen. Die Moralbegründung orientiert sich jetzt am Prinzip der zwischenmenschlichen Achtung, dem Vernunftstandpunkt der Moral. Das richtige Handeln wird mit selbstgewählten ethischen Prinzipien, die sich auf Universalität und Widerspruchslosigkeit berufen, in Einklang gebracht, wobei es sich also nicht mehr um konkrete moralische Regeln, sondern um abstrakte Prinzipien handelt (kategorischer Imperativ). Konflikte sollen argumentativ unter (zumindest gedanklicher) Einbeziehung aller Beteiligten gelöst werden. Diese Stufe ähnelt der Normbegründungsform der Diskursethik.
7. Stufe: Das eigentliche Stufenmodell Kohlbergs geht bis zur 6. Stufe. Kohlberg hat später Vermutungen geäußert, es könne eine 7. Stufe geben, in der moralische Urteile transzendental begründet werden. Systematisch ausgebaut wurde dieser Aspekt von Kohlberg nicht. Nur sehr wenige Menschen schaffen es bis dahin. Das Individuum der Stufe 7 ist erfüllt von universeller Liebe, Mitleid oder Heiligkeit. Kohlberg zitiert nur einige wenige Beispiele: Jesus, Buddha, Gandhi.
Zusammenfassend kann man sagen, dass nach dieser Vorstellung von Moral (wenn man sie so nennen darf) alle Menschen allwissend sein müssten, um eine utopische Gesellschaft ohne Massenarmut, Umweltzerstörung und Krieg aufzubauen! Es versteht sich von selbst, dass das unmöglich ist, was aber noch lange nicht bedeutet, dass allgemeiner Wohlstand, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden unmöglich sind, sondern ganz im Gegenteil die Voraussetzung dafür "ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht" (Zitat: Silvio Gesell).
Der Psychologe L. Kohlberg (nennen wir ihn einen "Moralologen") hätte das Buch von Gesell lesen und sich dann seine Überlegungen sparen können. Aber solange sich das Moralgeschwätz verkaufen lässt, will der Moralologe gar nicht wissen, dass seine Überlegungen sinnfrei sind. Darüber hinaus projiziert er seine Vorstellungen auch auf andere und unterstellt ganz automatisch berühmten Persönlichkeiten wie Gandhi, Buddha oder Jesus, sie seien ebenfalls Moralologen gewesen. Bei Gandhi trifft das noch teilweise zu, beim Buddha nicht mehr – und Jesus kam zu dem gleichen Ergebnis wie Silvio Gesell.
Der Moralologe nimmt die makroökonomische Grundordnung, in der er sich befindet, als gegeben hin, ohne sich ihrer bewusst zu sein und deren fundamentale Auswirkungen auf die Gesellschaft zu kennen. Dann konstruiert er für diese Gesellschaft typische "moralische Dilemmata" und überlegt sich, mit welcher "Moral" die Dilemmata zu lösen sind. Intelligente Menschen gehen anders vor. Sie denken darüber nach, wie die Gesellschaft zu gestalten ist, um moralische Dilemmata nach Möglichkeit zu vermeiden (Gandhi, Buddha) – und hochintelligente Menschen (Gesell, Jesus) durchdenken die ideale Makroökonomie, als Lebensgrundlage für die ideale Zivilgesellschaft, in der moralische Dilemmata gar nicht erst entstehen!
Wie alles Geniale ist die einzige Lösung für absolute soziale Gerechtigkeit, die allgemeinen Wohlstand und den Weltfrieden mit einschließt, einfach. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, eine "hochmoralische Gesellschaft" auf einem utopischen Altruismus aufbauen zu wollen, sondern wir müssen mit dem rechnen, was in jedem Fall gegeben ist und worauf wir uns verlassen können: der menschliche Egoismus. Jeder Mensch kann überhaupt nur wissen, was das Beste für ihn selber ist (und auch das fällt schon schwer), nicht aber, was "das Beste" für andere ist. Und sobald sich jemand dazu erdreistet, greift er bereits in die Freiheitsrechte der anderen ein! Um soziale Ungerechtigkeit zu vermeiden, ist es hinreichend, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer nur das Beste für sich anstrebt und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass beim freien Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage dieses natürliche Streben nach Eigennutz auch gleichzeitig das Beste für alle bedeutet. Dafür muss die "Goldene Regel"...
"Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst."
...lediglich für die beiden grundlegenden Interaktionen zwischen allen Menschen gelten:
1. Der Tausch
2. Der Verleih
Manche mögen jetzt einwenden, dass als dritte Kategorie das Schenken dazugehört, aber wie wir seit Isaac Newton wissen, gibt es keine Actio ohne Reactio. Wenn wir ehrlich sind, erwartet jeder, der etwas schenkt, eine Gegenleistung. Das Schenken ist also in die erste Kategorie einzuordnen. Gleichzeitig wird dadurch deutlich, dass Moral nichts mit Philosophie, Soziologie, Psychologie oder was auch immer zu tun hat, sondern zuallererst mit Ökonomie: Die höchste Stufe menschlicher Moral ist die Verwirklichung von "gerechtem Tausch" und "gerechtem Verleih".
Wie sieht es damit in der (noch) bestehenden Wirklichkeit aus? Beim Tausch Ware gegen Geld ist zu beobachten, dass der Verkäufer (Warenbesitzer) sich stets wie ein unterwürfiger Diener gegenüber dem Käufer (Geldbesitzer) verhalten muss, damit der Tausch überhaupt zustande kommt. Das herkömmliche Geld ist aufgrund seiner Dauerhaftigkeit und des Vorteiles der Liquidität den Waren überlegen, sodass von einem gerechten Tausch keine Rede sein kann. Der Unterschied zwischen Geld und Ware wird auch beim Verleih deutlich. Wird ein Zentner Kartoffeln verliehen und nach einem Jahr mit der gleichen Menge Kartoffeln aus neuer Ernte zurückgezahlt, hatte der Kreditnehmer den Vorteil, dass er nicht hungern musste, und für den Kreditgeber ist vorteilhaft, dass seine zuvor überschüssigen Kartoffeln in der Zwischenzeit nicht verfault sind. Wird aber Geld verliehen, ist der Kreditgeber im Vorteil und kann vom Kreditnehmer einen Zins verlangen. Der Zins (genauer: der Urzins nach Gesell, bzw. die Liquiditätsverzichtsprämie nach Keynes) ist der Ausdruck der Überlegenheit des herkömmlichen Geldes gegenüber den Waren. Das Zwischentauschmittel Geld, das den Warenaustausch erleichtern soll, verhindert somit den gerechten Tausch ebenso wie den gerechten Verleih.
Daraus können wir zunächst einmal folgern, dass bei Verwendung eines fehlerhaften Geldes alles vollkommen nutzlos ist, was sich der Psychologe L. Kohlberg überlegt hat. Denn solange die grundlegendsten Interaktionen zwischen allen Menschen einer systemischen Ungerechtigkeit unterliegen, darf man wohl nicht darauf hoffen, durch eine wie auch immer geartete Veränderung in der Gesinnung des Menschen eine gerechte und friedliche Gesellschaft aufbauen zu können. Das Geld abschaffen? So dumm waren nicht einmal die von jeder Moral befreiten Kommunisten. Selbstverständlich kann das Geld nicht abgeschafft werden (zumindest solange nicht, bis unsere Technologie so weit fortgeschritten ist wie in Arthur C. Clarke´s "The City and the Stars"), sondern es ist die Überlegenheit des Geldes gegenüber den Waren zu neutralisieren. Dazu wird in regelmäßigen Zeitabständen eine staatliche Liquiditätsgebühr (etwa 2% pro Quartal) auf alles Zentralbankgeld (Bargeld plus Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken) erhoben und die Kaufkraft der Währung wird anhand eines repräsentativen Warenkorbes (Preisindex) mit einer direkten Geldmengensteuerung auf unbegrenzte Zeit absolut stabil gehalten. Eine solche konstruktiv umlaufgesicherte Indexwährung ist die erste Grundvoraussetzung für den gerechten Tausch und den gerechten Verleih in einer arbeitsteiligen Zivilisation.
Es werden aber nicht nur Geld und Waren getauscht (bzw. gekauft und verkauft) oder verliehen (bzw. vermietet), sondern auch der Boden und Naturressourcen. Im Unterschied zu den Waren und Sachkapitalien (Produktionsmittel) sind diese nicht beliebig vermehrbar, sondern von Natur aus knapp, sodass sie immer eine Bodenrente abwerfen, unabhängig von der Geldordnung. Als zweite Grundvoraussetzung für den gerechten Tausch und den gerechten Verleih bedarf es somit eines Allgemeinen Naturressourcen- und Bodennutzungsrechtes, um allen Menschen die Bodennutzung nach persönlichen Bedürfnissen zu ermöglichen und die Bodenrente in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen (Auszahlung als garantiertes Kindergeld, vorrangig an die Mütter). Beide Maßnahmen sind hinreichend für absolute soziale Gerechtigkeit bei einem Höchstmaß an individueller Freiheit und ergeben die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft = Marktwirtschaft ohne Kapitalismus) als Lebensgrundlage für die ideale Zivilgesellschaft:
Es stellt sich die Frage, warum die echte Soziale Marktwirtschaft, die wirklichen Wohlstand für Alle, eine lebenswerte Umwelt und den Weltfrieden auf unbegrenzte Zeit garantiert, noch immer auf sich warten lässt. Dafür gibt es tatsächlich keinen rationalen Grund, sondern die Verzögerung ist in diesem Fall rein psychologisch bedingt. Die (noch) bestehende kapitalistische Marktwirtschaft (Zinsgeld-Ökonomie, zivilisatorisches Mittelalter) ist systemisch ungerecht und instabil, sodass es zu ihrer Entstehung und Weiterführung einer bis heute wirkenden Programmierung des kollektiv Unbewussten bedurfte. Die vor etwa 3200 Jahren initiierte Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe befreite die halbwegs zivilisierte Menschheit einerseits aus der Sklaverei des Ursozialismus (zentralistische Planwirtschaft noch ohne liquides Geld, z. B. vorantikes Ägypten), andererseits verhindert die Religion gegen jede Vernunft den eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation nicht erst seit Silvio Gesell, sondern schon seit Jesus von Nazareth:
Auch ohne den im nichtbiblischen Thomas-Evangelium glücklicherweise noch erhaltenen Beweis ist es im Nachhinein betrachtet keinesfalls überraschend, sondern im Gegenteil zwingend logisch, dass Jesus von Nazareth schon 19 Jahrhunderte vor Silvio Gesell zu dem gleichen Ergebnis kam, denn keine andere Erkenntnis als die endgültige Lösung der Sozialen Frage, die bereits zu seiner Zeit möglich war, hätte Jesus zur berühmtesten Persönlichkeit der Welt gemacht, auf der bis heute die planetare Zeitrechnung basiert. Bereits zwölf Jahrhunderte vor Jesus hatte Mose mit dem Verfassen des heute "zweiten" Schöpfungsmythos der Genesis den Grundstein zur Lösung der uralten Sozialen Frage gelegt, indem er die für den noch unbewussten Kulturmenschen als eine unüberschaubare Vielzahl von letztlich unlösbaren Teilproblemen erscheinende Problematik auf ein einziges, am Ende lösbares Problem reduzierte, nämlich auf die Befreiung der Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde). Solange das Wissen aber noch fehlte, um das einzige Problem zu lösen, musste die "Mutter aller Zivilisationsprobleme" aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes ausgeblendet werden,...
...damit die menschliche Intelligenz sich weiterentwickeln konnte:
Denn es gibt keine Moral, die Intelligenz ersetzen kann (1. Gebot):
Stefan Wehmeier, 29.03.2017
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