„Die glücklichen
Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.“
Marie von
Ebner-Eschenbach
Tatsächlich sind die
„glücklichen Sklaven“ alle, die den Erkenntnisprozess der Auferstehung, die
Entwicklung des Menschen zum „Übermenschen“ (nach Nietzsche), noch nicht durchlaufen
haben. Wer sich aus seinem Sklavendasein (aus der „Matrix“) befreien will, muss
zuerst wissen, was Freiheit und Gerechtigkeit ist:
1. Was ist Freiheit?
Die
Sozialphilosophie lehrt uns, dass in der menschlichen Gesellschaft seit jeher
zwei Prinzipien sich unversöhnlich und unvereinbar gegenüberstehen: das
Individual-Prinzip und das Sozial-Prinzip. Einerseits verlangt der Mensch, um
sich ungehindert entfalten und in seiner Eigentümlichkeit frei entwickeln zu können,
nach weitestgehender individueller Freiheit. Andererseits bedarf er aber -
gerade dieser ungestörten Entwicklung wegen - der Eintracht und des Friedens
mit seinen Mitmenschen, eines Friedens, den nur die organisierte Gemeinschaft zu
geben vermag. Was aber, wenn diese heute vom Staat verkörperte Gemeinschaft aus
Gründen, die in geheimnisvolles Dunkel gehüllt scheinen, in steigendem Maße
dazu getrieben wird, unter dem Vorwand des Sozialprinzips die individuelle
Freiheit so zu beschneiden, dass von ihr zuletzt beinahe nichts mehr übrig
bleibt? Gleicht ein solcher Staat nicht jenem Manne, der mit der Begründung, er
müsse sich seinen Söhnen erhalten, einen nach dem andern von ihnen aufaß?
Erweckt es nicht den Eindruck, die Menschen seien des Staates wegen da, anstatt
umgekehrt?
Unter Freiheit wird
hier nicht etwa Formlosigkeit, Willkür, Mangel an Ordnung verstanden, - nein,
vielmehr die Freiheit im Sinne einer natürlichen, das heißt der menschlichen
Natur angepassten Ordnung.
Jede unnötige
Einschränkung dieser Freiheit durch den Staat, sei es, dass er die Freiheit einzelner
Gruppen seiner Bürgerinnen und Bürger mehr einschränkt, als zur Sicherung der Freiheit
der übrigen erforderlich ist, sei es, dass Gruppenvorrechte begründet, geduldet
oder geschützt werden, ist schädlich. Gerade das letztere ist aber, wie noch
gezeigt werden soll, den Staaten ausnahmslos (wenn auch mit gewissen graduellen
Unterschieden) vorzuwerfen. Es ist insbesondere die wirtschaftliche Freiheit,
die seit jeher durch private und staatliche Vorrechte aller Art eingeschränkt
wird. Das ist insofern höchst bedenklich, als es gerade auf die wirtschaftliche
Freiheit ankommt. Denn nur wer wirtschaftlich frei ist, ist wirklich frei. Ist
doch die Wirtschaft das Fundament, auf dem der Mensch steht, die materielle
Grundlage, aus der er die Mittel für sein Dasein schöpft. Die wirtschaftliche
Freiheit ist deshalb die entscheidende Freiheit. Alle anderen Freiheiten, wie
sie auch heißen mögen, sind nur ein Abglanz der wirtschaftlichen Freiheit, um
die es letzten Endes geht.
Unbehindert durch
äußere Umstände eine seinen Neigungen und Fähigkeiten angepasste Tätigkeit im
freien Wettbewerb auszuüben, vom Ertrag dieser Tätigkeit die persönlichen Bedürfnisse
des Lebens nach eigenem Belieben befriedigen zu können, das unbeschränkte Recht
auf Erwerb von Privateigentum an den von Menschen erzeugten Gütern sowie das
Recht des Zugangs zu Grund und Boden zu besitzen, stellt wirtschaftliche
Freiheit dar. Sie schließt persönliche und Marktfreiheit, d.h. Freizügigkeit für
Personen, Güter, Zahlungen und Nachrichten mit ein und gehört neben dem Recht
der freien Meinungsäußerung zu den elementaren, unabdingbaren Freiheiten.
Wie ersichtlich,
basiert die wirtschaftliche Freiheit auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbs.
Er ist der zentrale Freiheitsbegriff, um den sich alle anderen Freiheiten anordnen.
Frei ist, wer wirtschaftlich frei ist; und wirtschaftlich frei ist, wer sich
ungehindert am Wettbewerb beteiligen kann. Umgekehrt ist unfrei, wer an der
Teilnahme am Wettbewerb gehindert oder gar vom Wettbewerb ausgeschlossen ist.
Wirtschaftliche Freiheit und damit das Fundament der Freiheit überhaupt ist
nichts anderes als das Recht zur Beteiligung am Wettbewerb.
Was dagegen heute
die so genannte Freiheit ausmacht, ist die Freiheit politischer Art, die vorwiegend
darin besteht, bei irgendeiner Abstimmung, die meist zu Unrecht die Bezeichnung
„Wahl“ führt, Ja oder Nein sagen oder irgendeinen Zettel abgeben zu dürfen. Diese
politische Freiheit ist vergleichsweise bedeutungslos; sie kann, ebenso wie die
persönliche Freiheit, ohne die wirtschaftliche Freiheit gewährt werden und ist
dann ein Torso.
Während die
wirtschaftliche Freiheit nach dem Gesagten die persönliche Freiheit automatisch
mit einschließt, können umgekehrt - wie das Vorhandensein des Proletariats
schlagend beweist – persönliche und politische Freiheitsrechte bestehen,
zugleich aber die entscheidende wirtschaftliche Freiheit der Beteiligung am
Wettbewerb vorenthalten und damit der wirtschaftlichen Ausbeutung der Freiheitsberaubten
Tür und Tor geöffnet werden.
Diese Tatsache darf
jedoch keinesfalls zu einer Geringschätzung dieser Rechte, vor allem der persönlichen
Freiheitsrechte, verleiten, denn obgleich, wie gesagt, persönliche Freiheit
nicht zugleich auch wirtschaftliche Freiheit bedeuten muss, so hat doch
umgekehrt persönliche Unfreiheit auf alle Fälle ganz zwangsläufig
wirtschaftliche Unfreiheit und damit zugleich drückendste Ausbeutung im
Gefolge. Das zeigt mit aller Deutlichkeit die Institution der Sklaverei, die
ihrem Wesen nach auf der persönlichen und demzufolge wirtschaftlichen Unfreiheit
der Sklaven beruht. Auf die letztere kommt es den Sklavenhaltern einzig und
allein an, weil sie die Ausbeutung - in diesem Fall die unmittelbare Ausbeutung
- ermöglicht.
Die Gewährung der
persönlichen Freiheit vermag zwar diese unmittelbare Ausbeutung zu verhindern,
keineswegs aber die Ausbeutung als solche. Als man in Nordamerika mit Gesetz vom
31. Januar 1864 den Sklaven die persönliche Freiheit und kurz darauf durch die
Rekonstruktionsbill auch die politische Freiheit in Form des aktiven und
passiven Wahlrechts einräumte, da waren die Sklaven wohl ihrer Ketten ledig und
damit der drückendsten Form der Ausbeutung, keineswegs aber der Ausbeutung überhaupt,
denn ihre wirtschaftliche Unfreiheit in Gestalt einer Behinderung der Teilnahme
am Wettbewerb war geblieben.
Die persönliche
Freiheit ist somit die grundlegendste aller Freiheiten, sie vermag aber ebenso
wenig wie die politische Freiheit das Herzstück der Freiheit zu verbürgen, auf
das es entscheidend ankommt: die wirtschaftliche Freiheit, verkörpert in dem
Recht auf Teilnahme am Wettbewerb.
Diese
wirtschaftliche Freiheit ist heute offensichtlich arg eingeschränkt. Das will
aber keineswegs besagen, dass sie etwa in der Vergangenheit in voller Gänze
bestanden hätte. Ganz im Gegenteil. Sie war, wie noch gezeigt werden soll, auch
in der Vergangenheit nicht verwirklicht. Es ist daher unrichtig, von einer
Freiheit in wirtschaftlicher Beziehung in der Vergangenheit zu sprechen. Diese
hat im Vergleich zu heute damals nur in Nebendingen bestanden.
Hier drängt sich
unwillkürlich ein Gedanke auf: War es nicht vielleicht gerade der ursprüngliche
Mangel an wirtschaftlicher Freiheit gewesen, der zu immer weitergehenden Freiheitsbeschränkungen
geführt hat? Haben nicht vielleicht eben deshalb, weil die wirtschaftliche
Freiheit in der Vergangenheit weitgehend nicht gegeben war, sich wirtschaftliche
und soziale Spannungen ergeben, die zu weiteren Freiheitsbeschränkungen führten
und damit die Entwicklung in die Richtung zum Totalitarismus drängten? War
nicht der Staat, um diese aus der Vorenthaltung der wirtschaftlichen Freiheit
entstehenden Störungen zu überbrücken, zu immer weitergehenden Eingriffen in
die Wirtschaft genötigt, die ihrerseits nur in einer immer stärkeren
Einschränkung des Wettbewerbes bestehen konnten?
Dieser Gedankengang
hat um so mehr für sich, wenn man, wie bereits oben geschehen, wirtschaftliche
Unfreiheit mit einer Einschränkung oder gar Ausschließung des Wettbewerbs gleichsetzt.
Jede derartige Behinderung des Wettbewerbs für den einen muss ja zugleich ein Monopol
für den anderen darstellen. Monopol aber heißt rundweg Ausbeutung, und zwar Ausbeutung
des einen durch den anderen, heißt Klassenbildung, Klassenstaat, soziale Frage,
verstärkte Einmischung des Staates in das Wirtschaftsleben und die
Sozialfürsorge, heißt Bürokratismus und schließlich allgemeines staatliches
Wirtschaftsmonopol im Staatskapitalismus (auch „Kommunismus“ genannt).
Bereits auf dieser
Stufe der Betrachtung beginnen sich die folgenden Zusammenhänge in groben
Umrissen abzuzeichnen:
Erstens, dass
wirtschaftliche Freiheit mit freiem Wettbewerb gleichzusetzen ist, den es bisher
augenscheinlich noch nicht gegeben hat;
zweitens, dass zwischen der
mangelnden wirtschaftlichen Freiheit und den Wirtschafts- und sozialen
Störungen, die zu immer einschneidenderen Maßnahmen des Staates drängen, ein ursächlicher
Zusammenhang zu bestehen scheint;
drittens scheint es - um
das schon hier anzudeuten -, dass „wirtschaftliche Unfreiheit“, „Ausbeutung“,
„soziale Frage“, „Beschränkung jedweden Wettbewerbs“ und „Monopol“ lediglich
fünf verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe sind.
Es ist jedenfalls
erstaunlich, ja geradezu rätselhaft, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen
der sozialen Frage - der Frage der „Bewirtschaftung“ von Menschen durch andere Menschen
- einerseits und der wirtschaftlichen Unfreiheit - verkörpert in den Wirtschaftsmonopolen
- andererseits, von den Berufsökonomen nur höchst unvollständig erkannt worden
ist. Diese Tatsache ist, wie noch zu zeigen sein wird, vor allem auf die ungenaue
Auslegung des Begriffes des Monopols zurückzuführen, die es verhindert hat, die
beiden uralten Monopole Geld und Boden als solche zu erkennen, obgleich es sich
bei ihnen sogar um die beiden primären Monopole handelt, die alle anderen nach
sich ziehen. So kam es, dass man von einer „freien Wirtschaft“ sprach und
spricht, wo in Wirklichkeit der Zwang dieser beiden Monopole uneingeschränkt
herrscht. Die Lehren der Wirtschaftswissenschaft mussten daher „irreführend und
verhängnisvoll werden, wenn man versucht, sie auf die Wirklichkeit zu
übertragen“ (J. M. Keynes).
So kam es aber
auch, dass man die wirtschaftlichen und sozialen Übelstände nicht als das erkannte,
was sie waren: Folgen der primären Monopole Geld und Boden. Deshalb vermochte man
auch nicht die Ursachen, eben das Geld- und Bodenmonopol, unschädlich zu
machen, sondern musste zu immer neuen staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft
seine Zuflucht nehmen. Diese staatlichen Wirtschaftsmaßnahmen konnten
begreiflicherweise ihrem Wesen nach nichts anderes sein als neuerliche
Einschränkung der verschiedensten Art, also zusätzliche Monopole. Eine solche
Politik der Einzwängung der Wirtschaft in immer neue Vorschriften und steigende
staatliche Einflussnahme bezeichnete man euphemistisch als „Planwirtschaft“.
Man bot das ganze Arsenal merkantilistisch-planwirtschaftlicher Maßnahmen im
Verein mit den verschiedensten sozialen Pflastern und Pflästerchen auf, um die
störenden Folgen der beiden ursprünglichen Monopole auszugleichen. Vergebliche
Mühe! Was vermögen auch schon Reglementierung, Protektionismus,
Einfuhrerschwernisse, Devisenzwangswirtschaft, Kampf um die Absatzmärkte usw.
in wirtschaftlicher, Arbeitslosenversicherung, Kurzarbeit, Ausweisung oder
Diskriminierung ausländischer Arbeitskräfte u. dgl. in sozialer Hinsicht gegen
die andauernde Unterbeschäftigung auszurichten? Sind sie nicht ein von vornherein
zum Scheitern verurteiltes Herumkurieren an den Erscheinungen? Da man mangels
Kenntnis der wahren Ursachen die Störungen nicht zu beseitigen vermochte,
beschritt man den Weg einer Einschränkung der vorhandenen Reste
wirtschaftlicher Freiheit – eben den Weg, der im Totalitarismus endet.
Alle bisherigen
Lösungsversuche sind missglückt. Sie haben praktisch darin bestanden, die in Erscheinung
tretenden sozialen und Wirtschaftsstörungen durch die Staatsgewalt mehr oder minder
gewalttätig zu unterdrücken, sie von der Oberfläche zu verbannen. Der
Faschismus etwa ist ein derartiger Versuch. Er lässt die Ursache der sozialen
Frage - eben die monopolbedingte Ausbeutung - unangetastet und bekämpft ihre
Folgen durch gewalttätige Eingriffe, die naturgemäß immer weitere Bereiche des
privaten Lebens erfassen und der staatlichen Kontrolle unterstellen müssen.
Ähnlich hat auch der Nationalsozialismus die Ausbeutung nicht nur sanktioniert,
sondern durch seine umfassende Währungs-, Kostenrechnungs-, Preis- und Lohnpolitik
geradezu systematisch verankert. Die durch die zwangsweise Niedrighaltung der Reallöhne
bei den Unternehmungen sich ansammelnden Übergewinne nahm der nationalsozialistische
Staat durch Steuermaßnahmen bedenkenlos für seine Rüstungszwecke in Anspruch.
Der private Unternehmer wurde mehr und mehr zu einem Organ der Staatsbürokratie.
Im Kommunismus
endlich wird bewusst die private Wirtschaftstätigkeit gänzlich unterbunden und
ein staatliches Wirtschaftsmonopol geschaffen zu dem angeblichen Zweck, die
Ausbeutung unmöglich zu machen; in Wirklichkeit wird sie nur verstaatlicht. Die
weitgehende Vernichtung der wirtschaftlichen (und persönlichen) Freiheit im
Kommunismus treibt die Ausbeutung auf die Spitze und beweist dadurch einmal
mehr, dass die Ursache der Ausbeutung stets nur in den Wirtschaftsmonopolen zu
suchen ist.
Eine Wandlung zur
Staatstotalität darf keinesfalls als eine einmalige Erscheinung aufgefasst werden.
In der Vergangenheit lassen sich Parallelerscheinungen, die zugleich gewaltige Zusammenbrüche
wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Art darstellten, nachweisen.
Es hat nicht an Deutern für diese Erscheinungen gefehlt. Oskar Spengler war
nicht der erste, der in seinem „Untergang des Abendlandes“ eine solche Deutung
versuchte. Er war nur der erste, der - irrigerweise - die Kulturen für
Organismen gehalten und ihr Wachsen, Aufblühen, Reifen, Altern und schließlich
Absterben als naturnotwendig und unabänderlich erklärt hat. Es ist hier nicht
der Raum, auf die zahlreichen Fehler von Spenglers Erklärungsversuch
einzugehen. Nur soviel sei gesagt, dass Spenglers Auffassung, alle Kulturen
müssten ausnahmslos in der Staatstotalität - die er Cäsarismus nennt - enden,
in der Tat durch die geschichtliche Erfahrung bestätigt zu werden scheint. Diese
geschichtlichen Tatsachen sind nicht abzustreiten. Nur war Spengler von seiner
Entdeckung des angeblichen „Pflanzen“-Charakters der Kulturen so eingefangen,
dass er nicht einmal die Möglichkeit einer anderen Deutung erwogen, geschweige einen
diesbezüglichen Versuch unternommen hat.
Was Spengler
infolge seiner vorgefassten Meinung als eine Entwicklung, als ein Fortschreiten,
als eine Erfüllung und schließlich als ein notwendiges Ende aufgefasst hat, war
aber in Wahrheit eine Fehlentwicklung, ein Rückschritt in die Barbarei, ein
Zusammenbruch aus technischen Gründen. Ihm war die Bedeutung wirtschaftlicher
und sozialer Zusammenhänge völlig entgangen. Er hat für Schicksal gehalten, was
in Wahrheit Kausalität ist.
Die ungelöste soziale Frage und die sie
verursachenden Monopole sind die wahren Ursachen dieser Fehlentwicklung, die
gesetzmäßig im „Cäsarismus“ endet, wie es Spengler nennt, im Totalitarismus,
wie wir heute sagen. Dabei scheint einer jeden Regierungsform im Allgemeinen
auch eine bestimmte Wirtschafts- und Ausbeutungsform zu entsprechen, wie der
folgende Versuch eines Schemas zeigt:
Regierungsform Wirtschaftsform Ausbeutungsform
Stammeskönigtum Feudal-Wirtschaft Privatkapitalismus
gestützt auf den
Schwertadel gestützt auf das
Bodenmonopol
Demokratie Geldwirtschaft Privatkapitalismus
gestützt auf die
Masse gestützt auf
das private
Geld-
u. Bodenmonopol
Cäsarismus Totalitarismus Staatskapitalismus
gestützt auf das
Heer gestützt auf
ein
bzw. eine
Minderheitspartei umfassendes
staatliches
Wirtschaftsmonopol
Die Entwicklung von
der einen Stufe zur anderen vermag sich dabei über längere Zeiträume zu
erstrecken, unter gewissen Umständen jedoch - wie etwa der Übergang Japans von
der Feudalwirtschaft zur Geldwirtschaft - auf die Dauer weniger Jahrzehnte zusammenzudrängen.
Der Übergang erfolgt in der Regel nicht scharf abgegrenzt, sondern fließend
über Zwischenstufen, wie andererseits auch das Überspringen der
geldwirtschaftlichen Mittelstufe unter gewissen Umständen möglich ist, wenn
etwa einem halbfeudalen System, wie in Russland nach dem 1. Weltkrieg, ein
totalitäres System künstlich aufgepfropft wird.
Mangels Kenntnis
der Zusammenhänge hat man in der Vergangenheit aus dem Fehlerzirkel keinen
Ausweg gefunden. Der Untergang im Totalitarismus war daher unabwendbar.
Heute liegen die Dinge
anders. Aufgabe dieses Buches ist es, auf die gesetzmäßigen Zusammenhänge
zwischen den wirtschaftlichen und sozialen Störungen hinzuweisen und den Ausweg
in die Freiheit aufzuzeigen.
2. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Gerechtigkeit
Bevor wir auf diese
Zusammenhänge eingehen, empfiehlt es sich, zwei Fragen kurz zu streifen, über
die merkwürdigerweise noch heute verschiedene Meinungen bestehen. Die erste Frage
lautet: Woher stammt die Produktion der Wirtschaft? Wer oder was erzeugt all
die Dinge, die täglich gekauft und verkauft werden? Wer oder was ist also als
Produktionsfaktor anzusehen? Die zweite Frage betrifft das umstrittene Recht
auf den vollen Arbeitsertrag. Was ist darunter zu verstehen? Lässt sich der
volle Arbeitsertrag überhaupt feststellen und besteht somit überhaupt die
Voraussetzung, ihn zu verwirklichen?
a) Die Irrlehre von
den drei Produktionsfaktoren
Im Gegensatz zu den
Naturvorgängen wickelt sich der Wirtschaftsprozess nicht selbsttätig ab,
sondern erfordert ein Tun, ein Handeln des Menschen. Diese Wirtschaftstätigkeit
dient dem Zweck der Bedarfsdeckung und benützt als Mittel zur Erreichung dieses
Zweckes Dinge der Außenwelt, die Gegenstand des Wirtschaftens und daher Objekt
der Wirtschaft sind. Demgegenüber nimmt der Mensch ganz eindeutig die Stellung
des Wirtschaftssubjektes ein. Er ist es, der die Wirtschaft geschaffen hat, in
Gang hält und gestaltet. Er gewinnt dem Boden die Rohstoffe ab, die er zu
Produktionsmitteln und Konsumgütern verarbeitet. Er verwendet die Naturkräfte
für die Zwecke der Wirtschaft. Alles, was er benützt, ist Gegenstand des Wirtschaftens.
Subjekt der Wirtschaft ist der Mensch ganz allein, weil nur er in der
Wirtschaft tätig ist, weil nur er produziert und konsumiert. Da das
Wirtschaften eine Tätigkeit ist, da ferner eine andere Tätigkeit als die
Produktions- und Verbrauchstätigkeit im Bereich der Wirtschaft weder erkennbar
noch denkbar ist und nur der Mensch diese Tätigkeit ausübt, kann nur der Mensch
als Subjekt der Wirtschaft anerkannt werden.
Im schroffen
Widerspruch zu diesen Feststellungen steht die in der Wissenschaft heute noch herrschende
Lehre von den drei Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital.
Die Grundgedanken
dieser Lehre sind die folgenden: Es gibt nicht ein Subjekt, sondern drei Subjekte
der Wirtschaft, Produktionsfaktoren genannt, die nebeneinander in gleicher
Weise Produktionsleistungen verrichten: Arbeit, Boden und Kapital.
Nach dem Verhältnis der Produktionsleistungen wird bei freier Konkurrenz der große Kuchen des Sozialproduktes unter die drei Produktionsfaktoren verteilt: die Arbeit erhält den Lohn, der Boden den Bodenzins (Grundrente) und das Kapital den Kapitalzins.
Die
Produktionstätigkeit des Faktors Boden sieht diese Lehre darin gegeben, dass
ohne Boden eine Produktion überhaupt nicht möglich sei. Die Produktionstätigkeit
des Kapitals leitet sie davon ab, dass der Produktionserfolg ganz wesentlich
von der Art und Beschaffenheit des Kapitals abhänge.
Der Lehre von den
drei Produktionsfaktoren ist folgendes entgegenzuhalten: Bei keiner anderen
menschlichen Tätigkeit hat man jemals einen derartigen Schluss gezogen. Ohne
Violine kann man nicht geigen. Wer würde daraus schließen wollen, dass nicht
nur der Geiger, sondern auch die Geige geigt, dass beide gemeinsam Violine
spielen? Gewiss niemand. Die Violine ist eben Musikinstrument und nicht
Musikant, ganz ebenso wie der Boden Produktionsmittel und nicht Produzent ist.
Was das Kapital
betrifft, so hat man aus der Tatsache, dass ein und dieselbe Tätigkeit je nach den
Umständen, unter denen sie sich vollzieht und je nach den Hilfsmitteln, deren
sie sich bedient, einen sehr verschiedenen Erfolg zeitigt, auf keinem Gebiet
menschlicher Tätigkeit jemals den Schluss gezogen, dass jene Umstände oder
Hilfsmittel eigene Leistungen verrichten. Auf gebahntem Wege kommt man rascher
vorwärts als über Stock und Stein. Was würde man dazu sagen, wenn jemand auf
Grund dieser Tatsache erklären wollte, man müsse zwischen der Gehleistung des
Menschen und der Gehleistung des Weges unterscheiden? Der wahre Sachverhalt sei
der: der Mensch geht und der Weg geht, beide gemeinsam legen in der gleichen
Zeit eine größere Strecke zurück als der Mensch allein. Oder der Mensch sieht
und das Fernrohr sieht, beide gemeinsam sehen weiter. Kein Vernünftiger wird so
denken. Man erkennt, dass der Mensch und immer nur der Mensch es ist, der
geigt, geht, sieht. Niemand bestreitet, dass es musikalische Leistungen der
Violine, Gehleistungen des Weges, Sehleistungen des Fernrohrs nicht gibt. Nur
beim Produzieren will man das, was bei allen anderen Tätigkeiten selbstverständlich
gilt, nicht gelten lassen, sondern spricht den toten Produktionsmitteln Boden und
Kapital Produktionsleistungen zu.
Nach dem Gesagten
ist der erste Grundgedanke der Lehre von den drei Produktionsfaktoren völlig
verfehlt. Die einfache Wahrheit ist eben die, dass das Produzieren eine Tätigkeit
ist und dass die leblosen Produktionsmittel Boden und Kapital keine Tätigkeit
verrichten können. Weder der Boden noch das Kapital vermögen für sich allein
ein Wirtschaftsgut zu erzeugen. Die ungeerntete, wild wachsende Brombeere ist
noch kein Wirtschaftsgut. Sie wird es erst durch die menschliche Tätigkeit des
Sammelns. Auch eine vollautomatische Maschine muss man anstellen. Damit stürzt
die ganze Lehre von den drei Produktionsfaktoren in sich zusammen.
Es ist aber
lehrreich, auch die anderen Grundgedanken der Lehre zu mustern, weil sie ein sprechender
Beleg dafür sind, auf welche Abwege das Denken gerät, wenn politische und soziale
Interessen im Spiel sind.
Neben dem
arbeitenden Menschen erhalten nach dieser Lehre auch Boden und Kapital je ein Stück
des Sozialkuchens. Da aber Boden und Kapital keine Lebewesen sind und daher
keine Bedürfnisse haben, der Zweck allen Wirtschaftens aber die Befriedigung
von Bedürfnissen ist, erhob sich die Schwierigkeit, für diese Ungereimtheit
eine passende Erklärung zu finden. Da verfiel Clark unter der lebhaften
Zustimmung u. a. von Böhm-Bawerk auf den rettenden Ausweg der
„Doppelverteilung“, auf die „funktionelle“ und „personelle“. Er brachte also
das Kunststück fertig, mit ein und demselben Stück des Kuchens sowohl den Boden
als auch den Grundbesitzer, und sowohl das Kapital als auch den Kapitalisten zu
beteilen.
Nun ergab sich aber
eine weitere Schwierigkeit. Es musste begründet werden, wofür Arbeiter,
Grundbesitzer und Kapitalist ihr Einkommen beziehen. Und da war man bemüht, den
Boden- und Kapitalzins sozial-ethisch zu rechtfertigen. Dazu bedurfte es des
Nachweises, dass Boden- und Kapitalzins vom Grundrentner und Kapitalisten nicht
ohne Gegenleistung bezogen werden. Und das setzt wieder voraus, dass ein
Produktionsfaktor vorhanden ist, der diese Gegenleistung verrichtet. Denn nur
ein Produktionsfaktor kann Leistungen verrichten. (Das Wort Faktor kommt von
facere, d. h. tun, handeln.) Beim arbeitenden Menschen trifft diese Voraussetzung
ohne weiteres zu. Er ist tätig, er verrichtet Produktionsleistungen und erhält dafür
den Lohn. Anders liegen die Dinge beim Boden- und Kapitalzins. Hier ist ein Produktionsfaktor,
der die Gegenleistung verrichtet, nicht ersichtlich. So stellt man Boden und Kapital
als Produktionsfaktoren hin und erklärt, Bodenbesitzer und Kapitalist erhielten
den Boden- und Kapitalzins als „Vergütung“ für die „Beistellung“ ihrer
Produktionsfaktoren. Das ist die erste Vergewaltigung der Wirklichkeit.
Es ist aber nicht
wahr, dass Grund- und Kapitaleigentümer, die selbst keine Tätigkeit verrichten,
zur Produktion etwas „beistellen“. Richtig ist es vielmehr, dass beide nur die Erlaubnis
zur zeitweiligen Benützung ihres Kapitals bzw. Bodens erteilen. Diese Erlaubnis
ist nötig und sie können sich dafür einen Preis - eben den Zins - bezahlen
lassen, weil sie als Eigentümer berechtigt sind, jeden anderen von der
Benützung ihres Eigentums auszuschließen.
Es ist aber auch
unrichtig, zu sagen, Boden- und Kapitalzins seien „Vergütungen“. Auch der Lohn
ist keine „Vergütung“ für die Arbeit, sondern der Preis der Arbeitsleistung. In
der Verkehrswirtschaft wird niemals für eine Leistung in dem Sinne bezahlt, wie
man jemand für eine Gefälligkeit dankt oder für ein Verdienst belohnt. Man
zahlt, weil man muss, wenn das zu Erlangende nicht umsonst zu haben ist, und
das was man zahlt sind Preise und keine „Vergütungen“. Der Lohn ist also der
Preis der Arbeitsleistung, der Kapitalzins der Preis für die zeitweilige
Überlassung des Kapitals und der Bodenzins der Preis für die zeitweilige Überlassung
des Bodens.
Da die
Gleichstellung der Produktionsmittel Boden und Kapital mit dem Menschen denn doch
Bedenken erregen musste, so war man bestrebt, in umgekehrter Richtung den
Menschen zu entpersönlichen, um ihn leichter an die Produktionsmittel
anzunähern, indem man anstelle des arbeitenden Menschen „die Arbeit“ als
Produktionsfaktor hinstellte. Das ist abermals eine Vergewaltigung der
Wirklichkeit, denn „die Arbeit“ verrichtet keine Produktionsleistungen, sondern
die Arbeit wird vom Arbeiter verrichtet und in eben dieser Verrichtung besteht
die Produktionsleistung.
So dient die ganze
Lehre von den drei Produktionsfaktoren nichts anderem als der sozialethischen Rechtfertigung
des Zinses und damit den Interessen der Besitzenden, und die Nationalökonomie
tritt, solange sie dieser Irrlehre bekennt, als Hüterin persönlicher Interessen
auf. Das ist der schwerste Vorwurf, den man einer Wissenschaft machen kann.
Der durchsichtige
Zweck der Irrlehre gipfelt darin, den Anspruch der Arbeitenden auf jenes Stück
des Kuchens zurückzuweisen, das heute Kapitalisten und Grundbesitzer erhalten.
Das tut denn auch Clark, indem er erklärt, dass man geradezu von einer Ausbeutung
des Bodens und des Kapitals sprechen müsste (!), wenn nicht auch sie „ihr
Produkt“ erhalten würden.
All das vermag
jedoch nicht die einfache Wahrheit zu verdecken, dass Kapital- und Bodenzins
ohne Gegenleistung der Kapital- und Bodenbesitzer bezogen werden und somit arbeitsloses
Einkommen darstellen.
Auch J. M. Keynes
hat sich von der Lehre von den drei Produktionsfaktoren abgekehrt. Er schreibt,
er halte es für zweckmäßiger, zu sagen, das Kapital habe während seines
Bestandes ein Erträgnis, das seine ursprünglichen Kosten übersteigt, als es
produktiv zu nennen. Denn der einzige Grund, warum das Kapital einen Zins
abwirft, sei seine Knappheit. Er fährt dann fort: „Ich neige daher zu der
vorklassischen Lehre, dass alles durch Arbeit erzeugt wird; unterstützt durch
das, was man früher Kunst zu nennen pflegte und jetzt Technik nennt; sowie
durch technische Hilfsmittel, die frei sind, oder je nach ihrer Knappheit oder
ihrem Überfluss eine Rente kosten, und durch die Ergebnisse vergangener in den
Vermögenswerten verkörperten Arbeit, die ebenfalls gemäß ihrer Knappheit oder
ihrem Überfluss einen Preis bedingen. Es ist vorzuziehen, die Arbeit -
natürlich einschließlich der persönlichen Dienstleistungen des Unternehmers und
seiner Gehilfen - als den einzigen Erzeugungsfaktor ... zu betrachten“. Es ist bedauerlich,
dass trotz alledem die Irrlehre von den drei Produktionsfaktoren noch immer verbreitet
wird, bedauerlich deshalb, weil sie den Weg zu wichtigen neuen Erkenntnissen versperrt.
So lange man den Kapital- und Bodenzins als eine Belohnung für eine angebliche Produktionsleistung
des Kapitals und des Bodens ansieht, kann man begreiflicherweise nicht zugeben,
dass beide Zinsarten - wie übrigens jeder Zins ausnahmslos - aus Monopolen entspringen.
Denn das eine schließt das andere aus. Solange also die Irrlehre von den drei Produktionsfaktoren
weiter vertreten wird, kann sich die Erkenntnis vom wahren Ursprung des Kapital-
und Bodenzinses nicht Bahn brechen, können die Reformen, die auf eine
organische Überwindung der Zinswirtschaft durch eine wahrhaft freie, d.h.
entmonopolisierte, daher ausbeutungslose und soziale Marktwirtschaft hinzielen,
nicht in die Tat umgesetzt werden, - solange wird sich immer drohender die
Gefahr des Totalitarismus erheben.
b) Das Recht auf
den vollen Arbeitsertrag
Aus der
geschilderten Tatsache, dass nur der arbeitende Mensch allein produziert, folgt
notwendig der Schluss, dass nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen
Gerechtigkeit der Ertrag aller Arbeit voll und ganz den Arbeitenden und niemand
sonst gebührt. Dieses erste ökonomische Grundrecht nennt man das Recht auf den
vollen Arbeitsertrag, worunter man den durch Zins nicht verkürzten
Arbeitsertrag versteht. Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag wird ausgedrückt
durch den Satz: „Jedem nach seiner Leistung“.
Der Grundsatz der wirtschaftlichen Gerechtigkeit lässt aber noch eine zweite Auslegung zu in der Form des zweiten ökonomischen Grundrechtes, des Rechtes auf Existenz, das ausgedrückt wird in dem Satz: „Jedem nach seinem Bedürfnis“.
Welches der beiden
Postulate verdient den Vorzug?
Die erwähnten
beiden Grundrechte gehen von zwei völlig verschiedenen Triebfedern der menschlichen
Natur aus. Jedes gesellschaftliche System, dessen Mittelpunkt das Recht auf den
vollen Arbeitsertrag bildet, beruht auf dem menschlichen Egoismus (Eigennutz).
Dagegen muss jedes Gesellschaftssystem, dessen letztes Ziel die Anerkennung des
Rechtes auf Existenz bildet, auf dem Gefühl der Brüderlichkeit beruhen.
Die Antwort auf die
Frage, welchem der beiden Postulate der Vorrang zu geben ist, muss notwendig
lauten: Demjenigen, das der menschlichen Natur am besten angepasst ist. Während
es sich beim menschlichen Eigennutz um einen starken, allgegenwärtigen Trieb
handelt, der eine Abart des mächtigen Selbsterhaltungstriebes darstellt,
erscheint das Gefühl der Brüderlichkeit unvergleichlich schwächer ausgebildet.
Es kann keinesfalls als allgemein, sondern nur als vereinzelt wirksam angesehen
werden und bleibt in der Regel auf den Kreis der Familie, der Sippe oder
gewisser Vereinigungen beschränkt. Wollte man der Brüderlichkeit allgemein zur
Herrschaft verhelfen, dann müsste diesem Beginnen eine Änderung der
menschlichen Natur vorausgehen. Das aber ist unmöglich.
Daraus folgt:
Solange die Menschen so bleiben wie sie sind, kann als gesellschaftliches Ideal
der gerechten Güterverteilung (soziale Gerechtigkeit) nur das
Gerechtigkeitsprinzip des Eigennutzes, das Recht auf den vollen Arbeitsertrag,
in Frage kommen, ausgedrückt in dem Satz: „Jedem nach seiner Leistung“.
(Anmerkung: Wie
naiv die Vorstellung ist, eine arbeitsteilige Zivilisation könne allein auf der
Brüderlichkeit (Altruismus) aufgebaut werden, zeigt die folgende Widerlegung
der als so genannter „Kommunismus“ bezeichneten Utopie: Kommunismus
- auf die Probe gestellt )
Im Widerstreit
zwischen Eigennutz und Brüderlichkeit obsiegt in der Regel der Eigennutz; dasjenige
Wirtschaftssystem, das ihn in Rechnung stellt, ist daher der menschlichen Natur
besser angepasst.
Wie steht es nun
mit dem vollen Arbeitsertrag?
Wir unterscheiden
Arbeitserzeugnis, Arbeitserlös und Arbeitsertrag.
Als Arbeitserzeugnis
bezeichnet man das, was der Mensch in der Wirtschaft erzeugt;
als Arbeitserlös
das, was er beim Verkauf für sein Arbeitserzeugnis an Geld erlöst (für denjenigen,
der gegen Entlohnung arbeitet, sind Arbeitserzeugnis und Arbeitserlös im
Endergebnis dasselbe);
als Arbeitsertrag
endlich die Warenmenge, die er für den Arbeitserlös auf dem Markt einzukaufen
vermag.
In der
herkömmlichen Zinswirtschaft wird dem Arbeitenden ein erheblicher Teil seines Arbeitsertrages
- etwa ein Drittel bis die Hälfte, je nach Zinshöhe - vorenthalten. Gelänge es,
das Recht auf den vollen Arbeitsertrag zu verwirklichen – d. h. die soziale
Frage zu lösen – dann würde das Lohneinkommen nicht etwa nur verdoppelt,
sondern vervielfacht werden.
Die Zahl der
Gesetzgeber, Reformer, Parteien und Programme, die die soziale Frage zu lösen versuchten,
ist Legion. Sie sind bisher alle gescheitert. Ihre Bemühungen konnten, wie wir
heute rückblickend feststellen müssen, gar nicht zum Ziel führen, da ihnen die
versteckte Ursache des Übels nicht oder nur unvollständig bekannt war. Mit dem
guten Willen allein ist es hier eben nicht getan. Erst seit wenigen Jahrzehnten
liegen die Zusammenhänge entschleiert vor uns, ist die Möglichkeit zur Lösung
der sozialen Frage gegeben, vermag das Recht auf den vollen Arbeitsertrag
überhaupt erst verwirklicht zu werden:
Das Recht auf den
vollen Arbeitsertrag verwirklichen heißt nun allerdings nicht, die Ausbeutung
der Menschen durch andere Menschen in jedem einzelnen Fall völlig auszuschließen.
Dies ist angesichts der Vielfalt der persönlichen Anlagen, Fähigkeiten und Eigenschaften
praktisch unmöglich. Daraus folgt, dass das Recht auf den vollen Arbeitsertrag nach
dieser Auffassung für den Einzelmenschen nicht gesichert werden kann. Das unveräußerliche
Recht auf den vollen Arbeitsertrag zu verwirklichen heißt, der Ausbeutung die heutigen
Voraussetzungen im Hinblick auf die Gesamtheit der Arbeitenden zu entziehen.
Mit anderen Worten, es lässt sich nur der gemeinsame volle Arbeitsertrag
verwirklichen. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Gerechtigkeit „Jedem nach
seiner Leistung“ ist erfüllt, wenn die Arbeit die einzige Einkommensquelle
bildet. Nach dieser Auffassung von Silvio Gesell ist der volle Arbeitsertrag
verwirklicht in dem Augenblick, da bei völliger Freizügigkeit und freiem Wettbewerb
das arbeitslose Einkommen aus Kapitalzins auf Null gesunken, der künftige absolute
und relative Zuwachs an Bodenzins der Allgemeinheit zugeführt und Differenzgewinnen
(Spekulationsgewinnen) die Grundlage entzogen sein wird.
Otto Valentin (aus
„Die Lösung der Sozialen Frage“, 1952)
Sind Sie immer noch
„halbwegs glücklich“, nachdem Sie jetzt wissen, was Freiheit und Gerechtigkeit
ist? Oder fragen Sie sich: Warum erfahre ich das erst heute und habe mein
ganzes bisheriges Leben in Unwissenheit verbracht?
Welcher kollektive
Wahnsinn ließ die Menschheit bis heute in systemischer Ungerechtigkeit
existieren und damit Massenarmut, Umweltzerstörung, Terrorismus und Krieg ertragen,
während sie längst zivilisiert sein könnte? Antwort: die Religion > Opium
des Volkes
Stefan Wehmeier, 09.02.2013
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