Samstag, 6. Februar 2021

Das Leben als Mensch

"Das Leben ist kein Problem, das es zu lösen, sondern eine Wirklichkeit, die es zu erfahren gilt."

Dieses Buddha-Zitat trifft den Fehler der "östlichen Weisheit", denn der Mensch unterscheidet sich vom Tier, indem er nicht für die Natur, sondern für eine arbeitsteilige Kultur vorgesehen ist und auf Dauer nur in einer Zivilisation leben kann, die es bis heute nicht gibt: "Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren" (Arthur C. Clarke). Bis dahin ist das menschliche Leben das größte Problem (was aktuell kaum zu bestreiten ist)!

Die Evolution funktioniert im Zusammenspiel von Wunsch (Eizelle) und Idee (Same), wobei sich die Arten selbst in die Zukunft denken, d. h. die Gedanken der Eltern formen über Generationen hinweg die Eigenschaften der Kinder, und weitreichende Gedanken lassen Bewusstsein entstehen. Die Idee des Menschen entstand vor vielleicht 2,6 Millionen Jahren, als ein unvoreingenommener Australopitecus afarensis die Arbeitsteilung von Ameisen beobachtete und dieses Prinzip als überaus vorteilhaft für seine Wiedergeburten erkannte. Die Verfolgung des überaus weitreichenden Gedankens erhob den Menschen über den Tierzustand und führte über den Homo habilis und den Homo erectus zum Homo sapiens. Biologisch hat der Mensch sein Ziel erreicht, aber noch nicht geistig. Schafft er die letzte geistige Etappe nicht, passiert das, was Nietzsche sagte: "Der Mensch sinkt, wenn er einmal sinkt, immer unter das Tier."

Dem Buddhisten ist das schon passiert. Er hat sich als Mensch aufgegeben, weil er vor der letzten geistigen Etappe zum wahren Menschsein, die nicht in der ursprünglichen Idee enthalten war, kapituliert. Bereits der Australopitecus afarensis konnte sich den Homo sapiens vorstellen, aber nur bis zum vorantiken Ägypten. Bis hierhin (zentralistische Planwirtschaft ohne liquides Geld, bzw. Ursozialismus) und nicht weiter konnte aus der Arbeitsteilung der Ameisen extrapoliert werden, die sich aber als Sackgasse erwies, nachdem man dort angekommen war. Die rettende Idee für das wahre menschliche Leben entstand vor etwa 3250 Jahren und führte zum "Auszug der Israeliten aus Ägypten", d. h. zur Weiterentwicklung der menschlichen Kultur vom Ursozialismus zur Marktwirtschaft mit Geldkreislauf. Allerdings entstand dabei auch ein existenzielles Problem, das man in unbestimmter Zukunft zu überwinden hoffte, und das bis dahin aus dem Begriffsvermögen des "von Gott auserwählten Volkes" ausgeblendet werden musste: die Erbsünde.

Wie alle Menschen lebt der Buddhist heute in der Erbsünde, die er nicht sieht. Sie führt in die größte anzunehmende Katastrophe, bei der über 90% der Weltbevölkerung in wenigen Monaten verhungern muss und vielleicht noch ein kleiner Rest übrig bleibt, der die letzten 10.000 Jahre Kulturentwicklung wiederholen darf. Die Überwindung der Erbsünde führt in die Zivilisation: Allgemeiner Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden werden bei maximaler persönlicher Freiheit auf unbegrenzte Zeit selbstverständlich, und das Samsara (der Kreis der Wiedergeburten) wird zu einer wundervollen Reise in eine absolut phantastische Zukunft. Es möge der dümmlich lächelnde Buddhist weiterhin kein Problem sehen und sobald ihn das Problem erschlägt, das Nirwana bevorzugen. Ich bevorzuge es, rechtzeitig das Problem zu erschlagen, um endlich als Mensch leben zu können; und entlang des Pfades, den ich einst gegangen war, werde ich eines Tages wieder vorwärtsschreiten.

 
Stefan Wehmeier, 06.02.2021 
 
 

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