Der grundlegende
Irrtum von Marx, der ihn vom Weg der klassenlosen Gesellschaft abirren und auf
die schiefe Ebene des Kommunismus (Totalitarismus) geraten ließ, besteht darin,
die Ursache der Ausbeutung im Privateigentum an den Produktionsmitteln zu
suchen. In logischer Fortführung dieses Gedankens gelangt er dann zu seinem
bekannten Vorschlag, dieses Privateigentum zu beseitigen, die Produktionsmittel
zu sozialisieren, was lediglich auf eine Verstaatlichung hinausläuft. Wenn man,
wie Marx, annimmt, dass das Privateigentum an den Produktionsmitteln den Zins
bedingt, dann muss man von einer Beseitigung des Privateigentums auch die
Beseitigung des Zinses, den er „Mehrwert“ nennt, erhoffen.
Die Überwindung des
Kapitalismus ist daher für Marx lediglich eine Enteignungsfrage.
Marx erliegt dem
optischen Eindruck und hält das Kapital in völliger Übereinstimmung mit der
klassischen Nationalökonomie für eine Sache. Wer diese Sache zufällig besitzt,
der vermag, nach Marx, andere auszubeuten. Für ihn ist der Unternehmer, weil er
die Produktionsmittel in der Regel besitzt,
kurzerhand der Ausbeuter.
Dieser Ansicht von
Marx ist entgegenzuhalten: Nicht weil die Fabrik, das Mietwohnhaus, der Verkehrsbetrieb
sich in privaten Händen befindet, vermag der Eigentümer einen Zins zu erzielen,
sondern weil es zu wenig von diesen Sachgütern gibt, weil sie knapp sind. Die
Knappheit bedingt also den Zins. Und diese Knappheit wird durch die Form des heutigen
Geldes verewigt, das bei gesunkenem Sachzins die Investition verweigert; das
sie verweigern kann, weil es streikfähig ist. Das Privateigentum an den
Produktionsmitteln allein genügt keineswegs, um einen Zins zu erzielen. Es ist
ohne weiteres denkbar, dass etwa infolge eines Überangebotes von Mietwohnungen
die Miete unter Umständen bis zum Arbeitskostenpunkt absinkt, das heißt die
Vermieter müssen sich in einem solchen Falle - um verlustbringendes
Leerstehenlassen zu vermeiden - dazu entschließen, eine Miete zu erheben, die
lediglich den Gegenwert für die Amortisation und sonstigen Kosten, nicht aber
auch einen Zins umschließt. Trotz des uneingeschränkten Privateigentums an den Miethäusern
muss also durchaus nicht immer eine Verzinsung gegeben sein. (Dass es sich in einem
solchen Falle nur um eine vorübergehende Ausnahmeerscheinung handeln kann, weil
bei mangelnder oder ungenügender Verzinsung sofort die Investitionen
unterbrochen werden, ist eine andere Sache.)
Wenn die Marxsche
Ansicht, dass die Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und
sonstigen Sachgütern automatisch die klassenlose Gesellschaft nach sich ziehen müsse,
richtig wäre, dann hätte in den „volksdemokratischen“ Staaten, wo von Anfang an
das Privateigentum rigoros beseitigt worden ist, die soziale Gerechtigkeit
schon längst zur Wirklichkeit werden müssen. Das ist aber bekanntlich nicht der
Fall gewesen.
Die Entwicklung
dort zeigt nicht die geringste Neigung, zu einer ausbeutungslosen und daher
klassenlosen Gesellschaftsordnung, zu einem Abbau des Staates zu führen. Von
sozialer Gerechtigkeit kann dort also, trotz der lauten Versicherungen der
dortigen Machthaber, keine Rede sein. Im Gegenteil, die durch die
Verstaatlichung bewirkte Fusionierung von Staat und Wirtschaft hat die breite
Masse der Bevölkerung schutzlos einer bedenkenlosen Ausbeutung durch eine
Oberschicht von Staatskapitalisten ausgeliefert, die von ihrer Machtstellung
nicht minder Gebrauch macht als zuvor Privatkapitalisten und Feudalherren. Es kann
ja auch gar nicht anders sein. Da die Ursache der Ausbeutung nicht im Privateigentum
an den Produktionsmitteln begründet ist, vermag die nach dem Rezept von Marx
durchgeführte Verstaatlichung des Privateigentums logischerweise an der
Ausbeutung nicht das mindeste zu ändern; sie wandelt lediglich den
Privatkapitalismus zum Staatskapitalismus.
Auch was die
Erhebung des Zinses anbetrifft, unterliegen Marx und seine Anhänger einem grundsätzlichen
Irrtum. Nach der Auffassung von Marx vollzieht sich die Erhebung des Zinses auf
der Erzeugungsseite, indem der Unternehmer, der bei Marx der Ausbeuter ist, den
Zins (den „Mehrwert“) dadurch erzielt, dass er den Arbeiter unmittelbar
ausbeutet. Marx ist der Ansicht, dass der Unternehmer den Lohn des Arbeiters um
den Zins verkürze:
„Der Arbeiter
verkauft dem Kapitalisten seine Arbeitskraft für eine gewisse tägliche Summe. Nach
der Arbeit weniger Stunden hat er den Wert jener Summe reproduziert. Aber sein Arbeitsvertrag
lautet dahin, dass er nun noch eine weitere Reihe von Stunden fortschanzen muss,
um seinen Arbeitstag voll zu machen. Der Wert nun, den er in diesen
zusätzlichen Stunden produziert, ist der Mehrwert, der den Kapitalisten nichts
kostet, trotzdem aber in seine Tasche fließt.“
Diese Auffassung
ist irrig. Der Zins wird nicht durch die Aneignung unbezahlter Arbeit erhoben,
wie Marx glaubte, sondern dadurch, dass der Monopolinhaber imstande ist, den
Preis seiner Waren über der Ebene der Arbeitskosten zu halten und dadurch den
Zins im Preis seiner Erzeugnisse (bzw. beim Verleihungsgeschäft im Mietpreis)
zu erheben.
Nicht in der Beziehung
zwischen Unternehmer und Arbeiter, nicht auf der Erzeugungsseite, sondern in
der Beziehung zwischen Monopolinhaber und Käufer bzw. Entleiher, auf der Geldseite
vollzieht sich die Erhebung des Zinses. Daraus folgt auch, dass der Unternehmer
nicht, wie Marx annimmt, der Ausbeuter schlechthin ist. Ein Unternehmer, der
mit geliehenem Kapital auf gepachtetem Grund produziert, vermag wohl den Zins
zu erheben, muss ihn aber an die Eigentümer von (Geld-)Kapital und Boden
abführen. (Ist hingegen der Unternehmer zugleich Kapitalist, dann besteht sein
Einkommen aus einer Mischung von Unternehmerlohn und Zins.)
Sind somit die
Ausgangspunkte von Marx grundsätzlich falsch, so sind es seine weiteren Folgerungen
nicht minder. Da das Privateigentum an den Produktionsmitteln nicht die Ursache
der Ausbeutung bildet, vermag eine Verstaatlichung begreiflicherweise die
Ausbeutung auch nicht zu beseitigen. An die Stelle des privaten Kapitalisten,
der immerhin an das Prinzip der Wirtschaftlichkeit gebunden ist, tritt lediglich
der Staat, für den diese Bindung nicht mehr gilt. Am Grundsatz der
monopolistischen Ausbeutung ändert sich dadurch nichts.
Falsche Streikparolen
Auch die
marxistischen Streikparolen erweisen sich als unrichtig. Denn da das Kapital
keine Sache, sondern ein Knappheitszustand ist, wirkt alles, was den Zustand
der Kapitalknappheit zu verstärken geeignet ist - wie etwa jeder Krieg, weil er
Sachgüter zerstört, aber auch wie jeder Streik, der die Erzeugung von
Sachgütern unterbindet -, der Überwindung des Kapitalismus entgegen. Der
Spruch:
„Alle Räder stehen
still, wenn dein starker Arm es will“
lockt die
Arbeitenden auf eine falsche Fährte. Der Streik schadet dem Kapitalismus nicht
nur nicht, sondern richtet seine Spitze gegen die Arbeitenden selbst, weil er
dazu beiträgt, die Sachgüter knapp und daher Zins tragend zu halten. Durch
Streik kann bestenfalls der Reallohn einer bestimmten Gruppe von Arbeitenden
erhöht werden, und zwar stets auf Kosten der übrigen Arbeitenden, niemals aber
auf Kosten des Zinses. Streikerfolge dieser Art sind immer nur Scheinerfolge,
weil sie dem Zins nichts anzuhaben vermögen. Würde der Zins ernsthaft
angetastet werden, dann antwortet unweigerlich ein Investitionsstreik des
Geldes, der weit wirkungsvoller ist als der Streik der Arbeitenden!
Im Interesse der
Arbeitenden liegt es also, dass nicht gestreikt, sondern möglichst ununterbrochen
gearbeitet wird. Nur dadurch ist es möglich, jene Fülle von Sachgütern zu schaffen,
die notwendig ist, um den Zins herabzudrücken und zuletzt ganz zu beseitigen.
Nach Gesells Worten soll der Zins in einem Meer von Kapital untergehen.
Stillstehende Räder bilden lediglich ein Hindernis auf dem Wege zu diesem Ziel.
Darum muss es anstelle der Marxschen Streikparole richtig heißen:
„Alle Räder müssen
laufen, soll das Kapital ersaufen.“
Obgleich das bisher
Gesagte die Unhaltbarkeit der marxistischen Doktrin ergeben hat, empfiehlt es
sich vielleicht, einen Blick auf die Folgen einer Verstaatlichung zu werfen,
wie sie praktisch dieser Doktrin entsprechen würde.
Eine
Marktwirtschaft ist das Ineinandergreifen zahlreicher aufeinander angewiesener
und voneinander abhängiger Einzelwirtschaften, von denen jede in der Regel nur
eine Ware oder einige wenige Waren herstellt, jedoch eine Vielzahl von Waren
verbraucht. Zum Funktionieren der vielen Einzelwirtschaften ist es
unerlässlich, dass jede einzelne Stelle zum gegebenen Zeitpunkt über alle
benötigten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, jeder Arbeitende über sein passendes
Werkzeug verfügt, und dass ferner Verkehr und Austausch sich reibungslos abwickeln.
Der gesamte Wirtschaftsablauf hängt von unzähligen Einflüssen, wie der Laune
der Natur, den Fähigkeiten, Ansprüchen, Stimmungen und Meinungen der
wirtschaftenden Menschen ab, nicht zuletzt aber von dem Vorhandensein
geschaffener Sachgüter, den „produzierten Erwerbsmitteln“, die die Produktion
erleichtern. Alle diese zahlreichen und ständig sich ändernden Einflüsse werden
in der Marktwirtschaft selbsttätig reguliert und ausgeglichen durch das Wirken
des unerbittlichen Gesetzes von Angebot und Nachfrage im Wettbewerb.
Am Markt bilden
sich unausgesetzt zu jeder Stunde die Preise für alles und jedes, von der
Stecknadel bis zur Lokomotive, vom Lohn des Hilfsarbeiters bis zum Gehalt des
Generaldirektors, nicht zuletzt aber auch der (Brutto-)Zins als Preis für die zeitweilige
Überlassung des Kapitals und der Pachtzins als Preis für die zeitweilige Überlassung
des Bodens. Alle diese Preise sind zugleich die Befehlshaber für die wirtschaftlichste
Verwendung aller Hilfsmittel und Arbeitskräfte, einschließlich des Kapitals und
des Bodens. Sie entscheiden automatisch über Belohnung und Strafe für die
Wirtschaftenden, indem sie denjenigen, die rascher und besser die Nachfrage zu
befriedigen verstehen, Prämien, und denjenigen, deren Leistungen weniger
befriedigen, Verluste zudiktieren.
Als den Motor, der
dieses ganze komplizierte Getriebe der Marktwirtschaft unausgesetzt in Gang
erhält, haben wir den menschlichen Eigennutz kennen gelernt. Die Betätigung des
persönlichen Eigennutzes des Einzelnen findet nun ihre Grenze im Eigennutz der
anderen, mit der Folge, dass die aufeinander wirkenden Kräfte sich gegenseitig
aufheben und neutralisieren, wodurch ein Gleichgewichtszustand geschaffen wird,
der mit dem Gemeinnutzen gleichbedeutend ist. Eigennutz und Gemeinnutz befinden
sich in Harmonie.
Die mächtige
Antriebskraft des Eigennutzes steht allerdings nur unter einer gewissen Voraussetzung
im Einklang mit dem Gemeinnutzen, nämlich nur dann, wenn die Konkurrenz wahrhaft
frei ist, das heißt, wenn sich die einzelnen Konkurrenten kein einseitiges wirtschaftliches
Übergewicht zu verschaffen vermögen, wie es das Monopol bietet. Nur in einer
monopolfreien Wirtschaft ist die Konkurrenz wahrhaft frei, ist dauernde Harmonie
möglich, sind Eigennutz und Gemeinnutz identisch.
In der bisherigen
Wirtschaft ist allerdings die Konkurrenz noch niemals frei gewesen. Es bestehen
die schon erwähnten beiden Hauptmonopole Geld und Boden sowie die von ihnen abgeleiteten
sekundären Monopole. Die Folge sind dauernde soziale und Wirtschaftsstörungen. Ist
es nicht nahe liegend, diese Übelstände dadurch zu beseitigen, dass man ihre
Ursachen, die Monopole, unschädlich macht und auf diese Weise eine
Gesellschaftsordnung von idealer Vollkommenheit schafft? Anstatt dessen beabsichtigt
Marx in Unkenntnis der wahren Zusammenhänge das ganze, natürlich gewachsene
System der Marktwirtschaft – nur weil es heute durch die Monopole verfälscht
und gestört wird – über Bord zu werfen. Er schüttet das Kind mit dem Bade aus.
Die Marktwirtschaft mit ihren letzten Endes naturgesetzlich wirkenden Kräften
und ihrer automatischen Regulierung – immer abgesehen von den kapitalistischen Störungen
– ist vergleichbar einem Kosmos im Kleinen. Sie versinnbildlicht in der Art,
wie sie aus primitiven Anfängen zu immer größerer Feinheit und Empfindlichkeit
gewachsen ist, das Leben. Und dieses pulsende Leben will der Marxismus durch
die starren Formen seiner Planwirtschaft ersetzen. Man ersetzt das Leben nicht
durch etwas anderes. Auf das Leben folgt nur der Tod. Der Tod in Gestalt der
staatskapitalistischen Sklaverei.
Den gesunden
Grundgedanken der Marktwirtschaft erhellt übrigens allein schon die Tatsache,
dass sie überall dort, wo sie bei planwirtschaftlichen Experimenten oder im Staatskapitalismus
amtlich unterdrückt wurde, unverzüglich in Gestalt des Schwarzen Marktes eine
Auferstehung feiert.
Der Staat als Unternehmer?
Besitzt der Staat
wirklich die Unternehmerqualitäten, die ihm die Marxisten blind zutrauen und
deren er bedarf, um die Wirtschaft erfolgreich zu führen?
Seinem ganzen Wesen
nach kann der Staat nicht anders in Erscheinung treten als durch seine Organe,
das heißt seine Beamten. Diese Beamten sind, bei allem ihnen zugebilligtem
guten Willen, nur Menschen. Als solche müssen sie von Natur aus eigennützig
sein, das heißt sie werden bei ihren Handlungen und Unterlassungen aus
angeborenem Eigeninteresse alles vermeiden, was sie selbst schädigen könnte.
Erfahrungsgemäß schützt aber ein Beamter seine Interessen am besten, wenn er
sich möglichst genau an seine Vorschriften hält und möglichst wenig
selbständige Entscheidungen trifft, die ihm ja leicht als Eigenmächtigkeiten
oder gar als „Sabotage“ ausgelegt werden könnten. Er wird daher, um
Ungelegenheiten zu vermeiden, sich streng an seine Vorschriften halten, nichts
selbständig unternehmen und allen raschen Entscheidungen, wie sie der private
Unternehmer täglich zu treffen hat, aus dem Wege gehen.
Diese Art des mehr
oder weniger rein schematischen Arbeitens nach erlassenen Vorschriften nennt man
Bürokratismus. Diese Bezeichnung bedeutet an sich noch kein Werturteil. Der Bürokratismus
ist eine der möglichen Formen – und für den Staat sogar die einzig mögliche Form
– der Verwaltung. Der Bürokratismus blickt auf ein hohes Alter zurück. Das alte
Ägypten war um etwa 3000 v. Chr. schon ein fein organisierter Beamtenstaat mit
höchst komplizierten Vorschriften, die uns teilweise auf Papyrusrollen erhalten
geblieben sind. Auch das römische Weltreich war in den Jahrhunderten seines
Untergangs weitgehend planwirtschaftlich verbürokratisiert. Ohne Bürokratismus
ist ganz allgemein eine Planwirtschaft nicht denkbar. Je mehr man die
naturgesetzlich wirkenden Kräfte der Wirtschaft – Wettbewerb und das Gesetz von
Angebot und Nachfrage – ausschaltet, umso mehr Beamte muss man natürlich
einschalten. Auch die heute schon weitgehend monopolisierte Großindustrie weist
bereits deutliche bürokratische Züge auf.
Es bedarf keines
Hinweises, dass mit bürokratischer Verwaltungskunst kein Unternehmen konkurrenzfähig
geführt werden kann. Wäre das möglich, dann gäbe es ja kein Problem der Verstaatlichung,
weil dann der Staat selbst Unternehmungen gründen, anstatt bestehende enteignen
könnte, um mit der privaten Wirtschaft in Wettbewerb zu treten. Aber dazu ist
er ja nicht imstande. Jedes Mal, wenn der Staat mit privaten Unternehmern auf
gleicher Ebene zu konkurrieren versuchte, hat er kläglich versagt. Er bedarf
eben, um überhaupt wirtschaften zu können, des Monopols, möglichst sogar des
vollständigen Monopols, des Ausschlusses der Konkurrenz.
Mit der
Verstaatlichung der Erzeugung allein ist es aber nicht getan. Eine solche
Maßnahme hätte vielmehr einen völligen Umsturz der Wirtschaft im Gefolge. Die
Monopolisierung der Erzeugung durch den Staat führt zur Abschaffung des
Marktprinzips. Diese wiederum bewirkt, dass es nicht mehr der Verbraucher ist,
der bestimmt, was erzeugt werden soll, sondern der Staatsbeamte auf Grund
irgendwelcher statistischer Ermittlungen. Hier soll nicht näher auf die sachlichen
Schwierigkeiten dieses Unterfangens eingegangen werden. Nur darauf sei
verwiesen, dass die Kommandierung der Erzeugung durch die Staatsbürokratie
zwangsläufig auch zur bürokratischen Regelung auf den anderen
Wirtschaftsgebieten führen muss, wobei die Reihenfolge auf den Kopf gestellt
wird. In der staatlichen Planwirtschaft wird nicht mehr wie in der
Marktwirtschaft erzeugt, was die Verbraucher wünschen, sondern es ist zu
verbrauchen, was erzeugt worden ist. Die menschliche Persönlichkeit wird in
jeder Hinsicht immer mehr ausgeschaltet zugunsten eines totalitären Systems,
das den Menschen vom Wirtschaftssubjekt zum Wirtschaftsobjekt degradiert.
Der starke Trieb
des Eigennutzes bleibt begreiflicherweise auch in einer verstaatlichten Wirtschaft
für die Menschen bestimmend. Auch der Staatskapitalismus wird sich dieses
Triebes bedienen, allerdings nur in einer höchst mangelhaften Weise, etwa in
Form eines Prämien-Systems oder der Verteilung von Titeln und Orden. Weil der
Staatskapitalismus auf die Ausbeutung seiner Bürger nicht verzichten kann, weil
sie sein Lebenselement bildet, muss er sich damit begnügen, ihnen anstelle des
vollen Arbeitsertrages ein Surrogat in Form von Ehrungen, die ihn nichts
kosten, zu bieten. Nicht zu vergessen ist die negative Anwendung der im
Eigennutz schlummernden Kräfte, etwa wenn wirtschaftliche Fehler – die sich in
der Marktwirtschaft durch die von ihnen bewirkten Misserfolge automatisch
rächen – im Totalitarismus als kriminelle oder sogar Staatsverbrechen verfolgt
werden. Einen unfähigen Direktor entlässt man in der Marktwirtschaft und das
ist zugleich seine Strafe; im Totalitarismus wird ihm als Hochverräter und
Saboteur der Prozess gemacht, nicht selten der Schauprozess. Das
Strafgesetzbuch tritt an die Stelle des Handelsgesetzbuches, der Scharfrichter
an die Stelle des Gerichtsvollziehers.
Da für den Staat
das Moment der Wirtschaftlichkeit, an das der private Unternehmer auf Gedeih
und Verderb gebunden ist, als regelndes Prinzip ausscheidet, ist er nur allzu
leicht geneigt, sein Beamtenheer zu vervielfachen, was natürlich den Ertrag der
produktiven Arbeit herabdrückt. Denn im gleichen Maße wie das Heer der
Bürokraten und Aufpasser anschwillt, muss die Anzahl der produktiv Arbeitenden
zusammenschmelzen. Die Bürokratie überwuchert bald alles. Anstelle eines Kapitalisten
im Privatkapitalismus, treten hundert Bürokraten im Staatskapitalismus, die
heuschreckengleich die Wirtschaft überfluten, mit dem Ergebnis, dass vom
Sozialprodukt auf den einzelnen Schaffenden noch weniger entfällt als vorher.
Die Folge ist, dass der Reallohn im Staatskapitalismus viel niedriger als im
Privatkapitalismus ist. Der Staat ist eben seiner ganzen Natur nach nicht
imstande, mit Erfolg zu wirtschaften. Es gibt keinen schlechteren Wirtschafter,
keinen größeren Vergeuder wirtschaftlicher Werte als den Staat. Er ist und
bleibt etwas Mechanisches. Daher der Ausdruck Staatsmaschine. Auch die beste
Maschine vermag die Privatinitiative nicht zu ersetzen. Die allgemein bekannte Unwirtschaftlichkeit
von Staatsbetrieben, die im Staatskapitalismus notwendig potenziert sein muss,
bleibt jedenfalls ein schwerwiegender Einwand gegen dieses System.
Dem Werktätigen ist
nicht damit geholfen, wenn an die Stelle privater Nutznießer seiner Arbeit ein
Heer von Bürokraten tritt. In ökonomischer Hinsicht führt der Staatskapitalismus
jedenfalls aus der Ausbeutung nicht hinaus. Je mehr Einfluss und Rechte der Staat,
umso mehr Pflichten der Untertan. Je mehr Macht der Staat, um so rechtloser der
Einzelne. Der totalitäre Staat mag wohl imstande sein, den zweiten Grundsatz
der wirtschaftlichen Gerechtigkeit zu verwirklichen: das Recht auf Existenz. Er
mag Sicherheit bieten anstelle von Freiheit. Aber die Sicherheit, die er
bietet, ist die Sicherheit hinter Kerkergittern.
Der einzige
„Vorteil“ für den Werktätigen im Staatskapitalismus besteht darin, dass dort –
wie in jeder Kaserne – das Problem der Arbeitslosigkeit nicht existiert. Dafür
gibt es allerdings die gegenteilige Erscheinung, die Zwangsarbeit. Beides aber,
Arbeitslosigkeit ebenso wie Zwangsarbeit, ist gleichermaßen von Übel. Die
Zwangsarbeit gehört zum Totalitarismus wie der Donner zum Blitz. Es geht gar
nicht anders. Wo der Motor des Eigennutzes verpönt ist und daher der innere
Antrieb fehlt, muss äußere Gewalt angewendet werden, um die Wirtschaft in Gang
zu halten.
In einem Wirtschaftssystem der skizzierten Art, wo die wirtschaftliche Freiheit des Individuums dem allgemeinen staatlichen Wirtschaftsmonopol geopfert worden ist, müssen auch alle anderen Freiheiten unvorstellbar eingeschränkt sein. Andererseits besteht aber kein Zweifel darüber, dass der Marxismus im Laufe der Zeit zahlreiche Anhänger gefunden hat, nicht nur ahnungslose und daher begeisterte Mitläufer, sondern auch Menschen, die, an einem anderen Ausweg aus der zinswirtschaftlichen Not verzweifelnd, in ihrer Angst und Hoffnungslosigkeit sehenden Auges der Staatstotalität zustreben. Das ist eine fast unbegreifliche Erscheinung, ist doch der Freiheitstrieb, dessen systematische Unterdrückung der Marxismus zwangsläufig bewirkt, ein starker und natürlicher Trieb. Es ist unfassbar, dass es Menschen gibt, die freiwillig ins Gefängnis wollen.
Diese rätselhafte
Erscheinung lässt sich doch wohl nur so deuten, dass vielen Menschen die mit
dem Staatskapitalismus nun einmal unweigerlich verbundene weitgehende
Freiheitsberaubung geringer zu wiegen scheint als die Nachteile des heutigen
Privatkapitalismus. Sie ziehen ein unfreies, kümmerliches aber – wie sie
glauben – relativ gesichertes Leben im Schatten des großen Götzen Staat ihrem
bisherigen Leben im Privatkapitalismus vor. Sicherheit geht ihnen über Freiheit
– wenigstens über die im Privatkapitalismus gebotene halbe Freiheit. Das spricht
Bände. Der Mensch wirft seine Freiheit, auch wenn sie unvollständig ist, nicht
so leicht weg, um sie mit einem Gefängnis zu vertauschen.
Wie schrecklich
müssen also viele Menschen das heutige Wirtschaftssystem empfinden, wie muss es
ihnen als Hölle erscheinen, wenn sie das Dasein in einem Kasernenstaat
vorziehen? „Kommunismus ist der Tod!“, sagt Proudhon. „Lieber den Tod als die
Hölle!“, ruft der Chor der unentwegten Marxisten. Ein vernichtenderes Urteil
über das privatkapitalistische System kann kaum gesprochen werden.
Otto Valentin (aus
„Die Lösung der Sozialen Frage“, 1952)
Auch nach dem
zwangsläufigen Scheitern der UdSSR, die schon vollständig widerlegt war, bevor
sie gegründet wurde, gibt es noch immer kommunistische Staaten (Kuba,
Nordkorea); und im Grunde beruht alles Denken (falls man es so nennen darf) „sozialer“
Ideologien („Sozialdemokraten“, „Grüne“, „Linke“, Gewerkschaften) noch immer
auf der gänzlich unwissenschaftlichen Grundlage des Marxismus, während es die
„liberalen“ Ideologien („Christdemokraten“, „Liberale“, Arbeitgeberverbände)
offenbar für überflüssig erachten, die Soziale Frage überhaupt zu thematisieren.
Was in der Theorie
nicht erst seit 1952 gelöst ist, blieb in der Praxis bis heute ungelöst. Dabei
beinhaltet die Lösung der uralten Sozialen Frage nicht nur die Verwirklichung
der sozialen Gerechtigkeit (gerechte Güterverteilung nach Leistung), sondern
auch die Überwindung aller Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt
thematisieren lassen, und damit den eigentlichen Beginn der menschlichen
Zivilisation! Doch solange der Mensch noch religiös ist, kommt er über Himmel und Hölle
nicht hinaus.
Stefan Wehmeier, 09.02.2013
Mit "Eigentum ist Diebstahl" ist Proudhon etwas zu weit gegangen. Es sind die Eigenschaften des Eigentums die Raub ermöglichen und erzwingen.
AntwortenLöschenDer Schein trügt. Es gibt wirklich nur eine Bank, die Bank der Eigentümer, die nicht Handeln sondern Wechseln, die durch sitzen Zins beziehen, eine systemische Wettbewerbs- und Marktbeschränkung.
Wenn doch Liberale und Libertäre ein wenig mehr Verstand hätten.
"Eigentum verpflichtet...", wenn doch das Recht nicht nur eine Idee wäre.
Ai Ki Do.
"Wenn doch Liberale und Libertäre ein wenig mehr Verstand hätten."
AntwortenLöschenDas ist in der Tat wünschenswert. Ein "Liberaler" oder "Libertärer" hat in der Regel nichts anderes im Sinn, als selbst ein Zinsgewinner zu sein oder einer zu werden, was er dann als "Freiheit" interpretiert. Dass Zinsgewinner ein ebenso sinnfreies Leben führen wie Zinsverlierer - es gibt kein gutes Leben im Schlechten -, kommt ihm dabei nicht in den Sinn: Leben
Aber ist die UdSSR zwangsläufig gescheitert, oder hat man das dem Westen nur erzählt, um die gesamte Welt in den Kommunismus zu führen, nachdem man sie vorher über Jahrzehnte unterwandert hat?
AntwortenLöschen"Ist der Kommunismus wirklich untergegangen? Während der Amtszeit von Generalsekretär Michail Gorbatschow leitete die KPdSU mit der »Perestroika« einen Prozess ein, der völlig unerwartet zum Zerfall der Sowjetunion, zum Verschwinden des Warschauer Pakts und zur deutschen Wiedervereinigung führte und der bis heute mit dem »Untergang des Kommunismus« gleichgesetzt wird. Noch dazu verlief dieser Prozess überraschend schnell und relativ reibungslos. Fiel die Berliner Mauer auf Veranlassung Moskaus? Gibt es einen Zusammenhang mit der Errichtung der Europäischen Union, die immer weiter nach Osten ausgeweitet wird und dabei immer sozialistischere Züge annimmt? Welcher Zweck wird mit dem seit 1992 laufenden »Rio-Prozess« verfolgt, an dem führende Funktionäre der KPdSU von Anfang an beteiligt waren? Ist der Kommunismus wirklich untergegangen, oder droht im Zuge der Weltfinanzkrise nicht vielmehr ein Zusammenbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft? Steht damit das Ende der USA als Weltmacht bevor und die Rückkehr des Klassenkampfes, gefolgt von einer globalen Oktoberrevolution, dem Weltoktober? Dieses Buch zeigt, dass das Verschwinden der Sowjetunion und des Warschauer Pakts sowie das Aufkommen eines korrupten, globalisierten Pseudokapitalismus von der KPdSU seit den 1950er Jahren geplant wurde, als Teil einer Langzeitstrategie, welche auf die Errichtung einer sozialistischen Neuen Weltordnung zustrebt."
— "Weltoktober: Wer plant die sozialistische Weltregierung? von Torsten Mann - https://www.amazon.de/Weltoktober-Wer-plant-sozialistische-Weltregierung/dp/3946168027
Irgendein Schreiberling, der weit davon entfernt ist, zwischen Staatskapitalismus, Privatkapitalismus und Marktwirtschaft unterscheiden zu können, dient des Volkes Aberglauben.
Löschen